Sonntag, 22. Januar 2012

Buchreview "Ödland"

Jean Marc Ligny. 2030. Tornados, Überschwemmungen, Hitze. Die Klimakatastrophe ist Wirklichkeit. Die Welt wird zum Ödland. Eine Sekte sieht die Apokalypse anbrechen und begeht mörderische Attentate. Hunderttausende sterben. Auch Rudy verliert seine Familie. Verzweifelt schließt er sich einer Hilfsorganisation in Afrika an, die das Land vor den Bohrungen eines amerikanischen Unternehmens schützen will. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn alle wollen das kostbare Elixier des Lebens für sich sichern.

Nachdem er bei der verheerenden Flutkatastrophe in Holland seine Familie verlor, schlägt sich Rudy gerade so durch, landet ineinem Auffanglager in Deutschland, schließt sich einer Survival-Gruppe an, die sich letztendlich als Neo-Nazi-Organisation herausstellt und desertiert daraufhin aus dem militärisch geführten Lager. Immerhin hat er 10 Tage lang kämpfen gelernt. Unterdessen ist Laurie im langsam landunter gehenden Frankreich am Ende ihrer Kräfte. Ihr Verlobter ist an einer neuen Droge gestorben, die Eltern längst tot, der Bruder ein Hacker auf der Flucht und nichts hält sie mehr im Land. So nimmt sie den Job an, Bohrmaterial nach Burkina Faso zu bringen, wo eine riesige unterirdische Wasserstelle entdeckt wurde. Als Fahrer kommt Rudy mit. Natürlich haben auch die Amerikaner in Person des Magnaten Anthony Fuller von dem Fund erfahren und wollen das kostbare Nass kommerziell und rein amerikanisch ausbeuten, ohne die Afrikaner in irgendeiner Form zu beteiligen. Die in der dortigen Trockenheit verdurstende Bevölkerung interssiert Amerika keinen Deut. So wird der Transport von Laurie und Rudy nicht nur durch Tornados, Sandstürme und Rebellen, sondern auch durch Sabotage behindert, um ihr zeitiges Eintreffen in Burkina Faso zu verhindern, denn hätten die Afrikaner das Material, ihr kostbares Gut selbst auszubeuten, hätte Fuller keinen Zufgriff mehr darauf. In Amerika indes machen sich eine Sekte mit Hang zu Attentaten, Rassismus und andere Unwägbarkeiten daran, das Land in den endgültigen Ruin zu treiben.


Die Welt am Abgrund. Ligny hat sein Buch pickepackevoll mit Themen rund um die Globale Erwärmung, aber auch Menschlichkeit, Gier, Desinteresse, Drogen, Virtual Reality und Rechtfertigungen auf 800 Seiten zu Papier gebracht. In den USA wird der Versuch mit der Eindämmung der Treibhausgase der Globalen Erwärmung Einhalt zu gebieten als Intrige der in diesem Buch selbstständig und unabhängig vom selbsternannten Weltpolizisten Amerika agierenden Europäer dargestellt und man denkt keinesfalls daran, etwas an dem bisherigen Schadstoffausstoss durch die Industrie zu ändern. Man lässt sich nicht die Wirtschaft durch Lügen aus der Alten Welt ruinieren. Amerika ist selbst am Ende, Pleite durch sinnlose Kriege, zerfallen durch abgespaltene Bundesstaaten, nur noch ein Land für Privilegierte in Enklaven mit genug Ressourcen für ein gutes Leben. Der Rest des Landes wird von Tornados heimgesucht, von genmanipulierten Nutzpflanzen in eine Wüste verwandelt, da man sich der möglichen Nebenwirkungen solcher Anbauten entweder nicht bewusst war oder sie ob des Profites nicht beachtet hat. Medikamente werden nur nach dem Gewinnmaximierungsprinzip auf den Markt gebracht und wenn es nur um Dritte Welt-Länder geht schlicht unter Verschluss gehalten. Aamerika ist von der Weltbevölkerung isoliert. Weder die Europäer, noch die Asiaten oder andere Länder bzw. Kontinente wollen mit ihnen zu tun haben. Amerikas Macht ist gebrochen. Im Jahr 2030 sind die Menschen in Europa mit sich selbst beschäftigt. Einwanderung unmöglich gemacht worden und das Land bzw., der Kontinent im Süden, der langsam verdurstet, kümmert kaum jemanden. Hier wird dem Primat-TV oder der Boulevard-Presse mit ihren täglichen Meldungen oder Sendungen zu irgendwelchen gefaketen Casting, einem Politiker-Fauxpas oder dem Privat-Porno eines Promis mehr Aufmerksamkeit geschenkt, denn Menschen in Not. Die Regierungen stützen lieber marode Banken in ihren selbstverschuldeten Krisen, statt sich um Bevölkerung oder Hilfsleistungen für die ärmsten Länder der Welt zu bemühen. Klingt irgendwie alles gar ncht so sehr nach Roman. Vieles davon kommt einem doch recht bekannt vor, wirkt durchaus realistisch. Das macht auch die ca. 250 Seiten zu Beginn wirklich aus, ein beängstigendes Szenario, etwas überspitzt geschildert, aber teilweise nur zu wahr. Und es ist noch mehr drin. Expansion der Nationen, Kindeserziehung und und und. Zu viel, um es hier alles nennen zu können. Danach kippt das Buch in einen fast reinen Abenteuerroman mit einigen Actionelementen. Rudy mutiert vom Gartenbauspezialisten und Rosenzüchter so nach und nach zum emotionslosen Killer, der aber auf der vermeintlich richtigen Seite steht. Laurie entdeckt die Liebe neu - nicht wie vielleicht zu erwarten zu ihrem Reisegefährten. Beide erkennen, dass die Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft in den armen Regionen der Welt noch ausgeprägter ist, als in den Industrieländern, die sich als zvilisiert bezeichnen. Hin und wieder schleichen sich aber auch Längen ein, was man bei über 800 Seiten aber auch nicht überbewerten sollte. Die Schilderung von Fuller und Amerika scheint irgendwie klischeehaft, geht aber ebenfalls nicht allzu sehr an der Wahrheit vorbei. Wollte Amerika irgendwelche Ressourcen fremder Länder ausbeuten oder Demokratie nach Amerikas Gnaden einführen, kam schnell mal die Armee zum Einsatz.
Das ist vorbei. Kann man sich nicht mehr leisten, da man das höchst verschuldete Land der Welt ist, die Gläubiger auf Zahlungen drängen. Selbst die Geheimdienste bieten ihre Leute oder Möglichkeiten privat an ("Sie wurden ausgespäht? Nehmen sie die Dienste von NetSurvey in Anspruch. NetSurvey ist eine Tochterfirma der NSA". Das verleitete mich denn doch zum Schmunzeln, da ich dran denken musste, dass uns vielleicht bald die Regierung einen Bundestrojaner zum Schutz vor Trojanern anbietet, sollten sie die Idee aufgreifen. So holt man sich den Teufel auch ins eigene Haus.) Die Sekte um Moses wird bald als geldgierige Meute geoutet, die sich ausgerechnet an Fullers Vermögen zu schaffen machen will und dazu seine Frau auf ihre Seite bringt. War nicht schwer, da Fuller als Mensch dargestellt wird, der nichts anbrennen lässt, keine Moral kennt, drogenabhängig ist (Tablettensucht), seine Frau ignoriert und nur ans Geldscheffeln denkt. Er hintergeht jeden, um des eigenen Vorteils willen - kurz ein Magnat, wie er im Buche der Arschgeigen steht. Auch die restlichen Figuren sind recht eindimensional gehalten und so wirklich Sympathien erwecken kann auch keine - auch Rudy nicht, trotz seines Verlustes. Viel besser skizziert ist die Verzweiflung und die Tragödien der Bevölkerung in Burkina Faso in ihrem Überlebenskampf. Schaut halt mal rüber nach Afrika. Wir beachten es nur nicht, die Meldungen in den ernstzunehmenden Nachrichten (also nicht die News Shows aus dem Primat-TV) plätschern an uns vorbei. Stilistisch mag er manchmal etwas eckig oder hölzern wirken und eher derb daherkommen, doch er ist immer noch über dem Durchschnitt der Zunft und Vergleichen mit Schätzing oder Eschbach kann er durchaus standhalten. Leider kippt das Buch dann noch einmal in eine andere Richtung, die mir aber zu dick aufgetragen wirkt, als wären dem Autor die Ideengäule mit vollem Galopp durchgegangen, was zumindest meiner Meinung nach die letzten rund 200 Seiten komplett überflüssig macht. Der geistig behinderte und vollgelähmte Sohn von Fuller entpuppt sich als Antichrist, misst sich in einem Gedankenduell mit einer Heilerin in einem Zweikampf USA gegen Burkina Faso mit nem Ozean zwischen den Kontrahenten und dann kommen auch noch die Shawnee-Indianer auf Kriegspfad (Nö, nach Burkina Faso kommen die nicht, sie beschränken sich auf ihre angestammte Heimat und wollen dem gierigen Weißen Mann mal wieder zeigen, was ne Harke ist.) Insgesamt ein ambitionierter und auch gehaltvoller Ökothriller mit Substanz, aufgepeppt mit Abenteuer und Action, Intrigen und Geheimdiensten, wirtschaftlichen Mätzchen und menschlichen Unzulänglichkeiten, der im Verlauf der Geschichte immer wieder kritische Anmerkungen,manchmal auch nur in Nebensätzen einfliessen lässt. Anfangs noch eine Warnung vor der Katastrohe später Thriller mit unbefriedigendem Ende. Gerade beim Schluss wäre weniger mehr gewesen. Lässt man die letzten 200 Seiten aber ausser Acht, ist "Ödland" schon gelungen, besonders zu Beginn. Kein Werk für den reinen Unterhaltungszweck, man sollte sich schon intensiv in die Story einlesen.

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