Mittwoch, 28. September 2016

Buchreview "Purer Hass" W. J. White

Wrath James White. Mitte der 90er Jahre ermordete der »Pine Street Slasher« ein halbes Dutzend junge homosexuelle Männer. Jahre später verstümmelte der »Chaperon« junge Paare in ihren Betten.
Dann tauchte der »Family Man« auf, der komplette Familien auslöschte. Keiner dieser Fälle wurde jemals aufgeklärt. Die Ermittler James Bryant und Titus Baltimore entdecken, dass hinter all diesen Morden ein und dieselbe Person steckt. Sie kennen seinen Namen. Sie wissen, wo er lebt. Sie wissen sogar, wer sein nächstes Opfer sein wird. Sie wissen alles über den Killer - außer, wie sie ihn stoppen können. 


In seiner Jugend war Malcolm ein schmächtiges Kerlchen - und somit wie selbstverständlich das Opfer der Schulrowdys. Und er was allein. Irgendwann begann sein Vietnamerprobter Steifvater damit, ihn zu trainieren. Richtig hart, sodass der Junge ständig Schrammen hatte. Er brachte ihm Verhöre bei, er unterrichtete ihn im richtigen Einsatz des Messers. Und erhielt eines Tages von Malcolm die Dresche seines Lebens. Nicht lange danach haute Daddy einfach grußlos ab. Und Malcolm wehrte sich in der Schule gegen die Rowdys und wurde selbst zum Schulhofschläger. Zu der Zeit hängte sich Reed an dran, nicht mehr als ein Pilotfisch bei einem Hai. Es entwickelte sich eine Freundschaft. Irgendwann hatte Malcolm ein Mädchen namens Renee, in die er total vernarrt war, seine große Liebe. Doch sie lief einfach weg. Ließ ihn im Stich. Ihr folgte Natasha, doch diese wollte Malcolm zu einer Ersatz-Renee umfunktionieren. Was ihr irgendwann zu bunt wurde. Sie machte mit Reed rum - und sie wurden prompt von Malcolm erwischt. Reed konnte noch abhauen, aber Natasha nicht. Seine Vorwürfe konterte sie damit, dass Reed auch Renee flachgelegt hatte. Und das war zuviel für Malcolm. 15 lange Jahre später beginnt sein Rachefeldzug gegen Reed. Inzwischen hat sich Malcolm einen jungen Stricher namens Paul zu seinem Ersatz-Reed herangezogen - inklusive mannigfaltiger plastischer Chirurgie. Paul ist jetzt Reed. Und Letzterer staunt nicht schlecht als er nach einem Klingeln die Haustür öffnet und sich selbst vor sich stehen sieht. Und dann den riesigen Schatten dahinter - Malcolm!! Und der schwarze Riese ist fest entschlossen, seinen früheren besten Kumpel leiden zu lassen. Den Sohn Mark erschießt er nur, die kleine Jennie wird von ihm zerfetzt und Reed verletzt liegengelassen. Auf den Fall werden die ungleichen Partner Titus - weiß, privilegiert und auf dem Weg nach oben, ein Wunderkind Anfang der Zwanziger - und James Bryant, schwarz, lange Jahre Streifendienst, überlegt und ruhig handelnd, leicht übergewichtig, gemeinsam angesetzt. Doch die so unteschiedlichen Detectives gehen sich aus dem Weg und ermitteln gegtrennt. Daher ist die Ermittlung umso gefährlicher für sie, da sie bald auch ins Visier von Malcolm geraten. 

Wrath James White hat sich ja den Ruf erarbeitet, nicht nur Schlachtfeste abzuliefern, sondern auch einge große Portion Sozialkritik in seinem Werken zu thematisieren. So auch hier. Sei es nur der Punkt des Protegierens durch einen reichen Dad, der seinem Sohn den Weg zur Karriere ebnet, während erfahrene und tüchtige Beamte übergangen werden. Sei es das Schulsystem, das Ungerechtigkeiten geradezu fördert oder die geringen Möglichkeiten für einkommensschwache Familien - gerade in den Ghettos - überhaupt eine vernünftige Bildung zu bekommen. Auf die Art wird die durch frühere Vorkämpfer wie Martin Luther King abgeschaffte Rassentrennung durch die Hintertür wieder eingeführt. Er greift aber auch ein Thema auf, das nichts mit Rassismus zu tun hat, sondern eher mit bigotten Lehrbeamten und Rektoren sowie geschwätzigen Nachbarn. Da wird Reed ob seines Umgangs mit seiner Tochter ganz schnell an den Pranger gestellt, ohne dass es auch nur einen Beweis gibt. Vermutungen, Deutungen und das zugegeben ordentliche Schandmaul seiner kleinen tochter, die auch mal ganz stolz der Klasse ihre knospenden Tittchen zeigt, genügen ihnen, um ihr Urteil zu fällen. So kann man mit dem Gelaber eine Familie vernichten. Und am Ende haben es alle nur "gut gemeint". Realität vielerorts. Das strahlende Leben, der Glamour oder auch nur heile Welt im Mittelstand sind nicht das Ding des Wrath James White. Auch nicht bei seinen Protagonisten. Malcolm war mal ein netter Junge, aber die Umstände Schule, Schulhof, Stiefvater und das eher marode zu Hause haben ihn geprägt. Nach den "Lehrgängen" mit seinem Erzieher wurde er aggressiv, einschüchternd. Hatte schon viel Wut in sich, die er - wie man später erfährt - auch schon anderweitig ausgelebt hat. Den endgültigen Kick gibt ihm dann Reed. Der wiederum war ein schwanzgesteuertes Arschloch, hat die Taten, die später folgen sollen, so garantiert nicht verdient. Sein Pilotfisch Paul ist eher wie der berühmte Pawlowsche Hund: egal wie oft man ihn tritt, er kommt immer wieder. Und die masochistische Ader in ihm trägt auch dazu bei. Das Bullenduo ist so gegensätzlich wie eines nur sein kann. Titus, das Weißbrot, ist eingebildet, von isch selbst überzeugt und erinnert mehr an diverse Pressefritzen, die von White hier als Ghouls oder Aasgeier abgebügelt werden, denn er will um jeden Preis einen schnellen Abschluss des Falls und nimmt daher das bloße Hörensagen von den Lehrkräften an der Schule von Reeds Tochter gerne auf. Titus will Reed stellen. Titus will besser sein als alle Kollegen. Und sowieso besser als sein gemütlicher, dicker und anscheinend unfähiger Partner James. Der wiederum ist der kompetentere der beiden Polizisten. Bietet aber auch schon fast das Klischee des Cops: immer im Dienst, geschieden, im Privatleben etwas undiszipliniert. So wird James schnell zum Sympathieträger des Buches. Obwohl auch er, wie alle anderen Charaktere, so seine kleine Leiche im Keller hat. Völlig unbescholten ist da keiner. Und dann beweist er wieder sein Faible für Filme, kennt er doch noch Rosanna Arquette, die Hübsche aus früheren Tagen und Filmen wie "Susan, verzweifelt gesucht". Humor sucht man in "Purer Hass" bis auf sehr wenige Ausnahmen eher vergeblich. Das Buch ist ein Thriller mit einigen ultrabrutalen Sequenzen, die die Geschichte dann zum Reißer machen. Wrath James White hat wieder einmal bewiesen, dass er die Finger in die Wunden der Gesellschaft stecken und vielleicht noch etwas Salz dazustreuen kann. Keine Frage - Wrath James White ist Pflicht. Mit diesem aber auch seinen anderen Büchern. Man braucht keine weinerlichen Schnulzen, um seine kritische Stimme zu erheben. Aber um gehört zu werden, muss man sich wieder der Masse anbiedern und das ist nicht das Anliegen von Wrath James White. Er will auch diejenigen erreichen, die nicht zur Masse gehören, die sich nicht dem Diktat der Medien, der Werbung, der Wirtschaft und der Politik unterwerfen, dieser allgemeinen politischen Korrektheit, von der man nicht abweichen darf, weil man sonst ausgegrenzt und in Schubladen gesteckt wird. Wer hier in Deutschland würde einen Roman von White veröffentlichen, wenn es nicht der Festa-Verlag wäre? Wohl eher keiner, weil sie zu feige sind mit ihrer Selbstzensur. Die Begründung dürfte die vorkommende Gewalt sein, aber in Wahrheit könnte es auch seine kritische Stimme sein. Hier dürften sich gerne einige aus den verschiedenen Bereichen unserer Nation den Schuh anziehen. Werden sie aber nicht,. weil White ja für sie verachtenswerte Kost ist und man so einen "Schmutz" in ihren Kreisen eh nicht liest.                           

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