Samstag, 1. Oktober 2016

Buchreview "Boogie man" N. Larson

Nathan Larson. Dewey Decimal, über den weder wir noch er selbst allzu viel wissen, schießt sich im zweiten Band der Trilogie weiter durch ein verwüstetes und karg bevölkertes Manhattan. Dabei will er eigentlich nur eines: sein Leben (und die New York Public Library) nach seinem ganz persönlichen System ordnen. Aber er gerät zwischen alle Fronten, als er auf Material stößt, das einen mächtigen US-Senator mit dem Mord an einer koreanischen Prostituierten in Verbindung bringt. Eine dubiose Privat-Armee ist hinter ihm her, während in Korea-Town Yakuza und koreanische Gangs um die Vorherrschaft kämpfen und New York City einer No-Go-Area gleicht.

Mittlerweile sind einige Wochen vergangen seit den letzten Aktionen und Dewey hat sch so mehr schlecht als recht durchgehumpelt mit seiner zerballerten Kniescheibe. Doch jetzt hockt er im Büro des DA, der nicht mehr unter den wenigen Bewohner der Metropole weilt und wühlt sich durch die Unterlagen. Manches findet sein Interesse, aber der größte Teil interessiert ihn nicht die Bohne. Bei seiner eigenen Akte stutzt er kurz, lässt die Neugierde dann aber doch nicht siegen. Stattdessen greift er sich eher Material, das sich nützlich verwenden lässt. Besonders geeignet scheint ihm da der Mordfall an einer jungen Koreanerin, der lange vor den Valentinstag-Begebenheiten stattfand - und einen Senator, der mittlerweile zusammen mit seiner linksgerichteten Gattin nahe an der Herrschaft über das marode Land ist, der wohl damit zu tun hat. Rechter Senator, linke Gattin. Passt in die noch existierende politische Welt und hatte auch davor schon ein gewisses Potenzial. Dann fackelt DEwey alles andere ab - inklusive dem Büro vom DA. Doch nun macht sich Dewey auf die Suche nach den Hintergründen des Todes des Mädchens. Dazu muss er nach Schlitzaugen-City. Dort, wo es noch gefährlicher ist, als im Rest der verheerten Stadt. Da bekämpfen sich Yakuza und Chinesen und beide zusammen die Koreaner. Deweys Vorteil - er ist ein Sprachgenie. Warum, weiß er zwar nicht, vermutet aber die Armee dahinter, als die ihn in eine Klinik verfrachtet und mit Experimenten "bei Laune" gehalten haben. Doch mit seinem Gestochere in dem alten Fall scheucht er einige Organsisationen auf, die sich jede für sich selbst zugute halten, dass sie einen notwendigen Zweck erfüllen. Dass das manchmal auch den Einsatz schwerer Waffen erfordert, bekommt Dewey zu spüren. Doch der schlägt zurück. 

Die Endzeit-Trilogie um ein New York (und auch die Welt) nach diversen Krankheiten, Seuchen und den 2/14 Begebenheiten geht in die nächste Runde. Dewey könnte sich sogar mit seiner Vergangenheit beschäftigen, doch er verzichtet. Seine kleinen Flashbacks haben ihm da schon etwas Bammel vor gemacht. Er will weiter der Dewey sein, der in seinem System lebt, tut, was ihm in den Sinn kommt und hat dabei eine Moralvorstellung, wie sie für einen Killer in einer zerstörten Stadt, umgeben von lauter feindlich gesonnenem Gesindel, eher unüblich ist. Aber Dewey ist ja auch nicht der übliche Bewohner. Untergekommen in der Library, die er nach seinem System ordnet und deren Fußboden er mit Schalen von Pistazien oder ähnlichem Zeug bestreut, um nächtliche Besucher hören zu können. Er trägt seine Atemmaske, Einmal-Handschuhe und badet regelrecht in seinem Desinfektionsmittel, um die Keime abzutöten in einer Stadt voller Gift. Das Wasser ist Todesgrün, der Himmel in einem mörderischen Grau und dem Regen fehlt auch nur noch ein Teil ätzender Säure. Und die Stadt ist verwüstet wie Deweys Gehirn - Lücken und Löcher, Bruchstücke und totes Gewebe. Dennoch will er irgends anders leben. So stellt er sich gegen alle Widrigkeiten, die da kommen mögen. Söldnertrupps, die ihn umnieten wollen. FBI-ler, die für Senatoren den Schutztrupp bilden, eine undurchschaubare Femme Fatale namens Rose und eine leicht durchschaubare und durchgeknallte Senatorin, die alte Slogans vor sich hinfaselt in einer Welt, die sich völlig verändert hat. Hier mal eine Bemerkung zu Rassismus, dort ein Satz zu der politischen Angelegenheit, dass sich ein Ehepaar (sie schwer linkslastig, er weit rechts von Attila, dem Hunnen) zu teilen gedenkt. Über welches Land denn? Hier macht jede Bande und jede Gang doch eh, was sie will. Politiker und ihre Armeen sind auch nur eine weitere Gang. Und neben all dem hat der Fall als Aufhänger für eine kräftige Portion Action gesorgt. Horden von Söldnern, verbrecherische Asiaten, Krieg zwischen Chinesen und Koreanern, Deweys Stunt, einen Kampfhubschrauber vom Himmel zu holen. Der Crime Noir tritt hier doch ziemlich in den Hintergrund, der coole Hardboiled-Hund bleibt. Und er bleibt sich auch treu: desorientiert, auf die Bibliothek und seine Systeme fixiert und auch kämpferisch, wenn es sein muss, ausgestattet mit einem ureigenen Sinn für Moral. Mal eiskalter Killer, mal mitfühlender Kamerad. Kein New Yorker, der den Dialog liebt. Eher maulfaul und misstrauische gegenüber Labertaschen, die ihr Gegenüber einlussen wollen. Politiker halt. Bleihaltig, finster, mit trockenem Humor und hier und da etwas Geseschaftskritik ausgestattet kommt "Boogie Man" von Nathan Larson daher. Eine weitere ganz feine Lektüre, die mich aber nach ersten Hinweisen im vorherigen Buch hier immer weiter in eine ganz bestimmte Richtung schickt, die ich schon aus einer anderen Trilogie kenne - und es ist nicht "Herr der Ringe" in der Filmfassung oder so ein Zeugs. Um denjenigen, die diese vielleicht auch kennen, erwähne ich den Titel hier nicht. Aber Dewey Decimal ist bermerkenswerte Crime-Literatur, die Aufmerksamkeit verdient hat.

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