Freitag, 18. November 2016

Buchreview "Memory man" D. Baldacci

David Baldacci. Seit einem dramatischen Unfall kann Amos Decker nichts mehr aus seinem Gedächtnis tilgen. Eine Eigenschaft, die ihn zu einem perfekten Ermittler werden lässt. Bis seine Familie bestialisch ermordet wird und er unter der Flut der unlöschbaren Bilder fast zerbricht. Ein Jahr später taucht ein Mann auf und bekennt sich zu der Tat. Und noch während Decker verwirrt feststellt, dass der Mann lügt, findet erneut ein Massaker statt, diesmal an Deckers alter Schule. Wie hängen die Verbrechen zusammen? Wurden sie nur begangen, um Decker zu treffen? Und wird es ihm gemeinsam mit seiner früheren Kollegin gelingen, den Wahnsinn zu stoppen?

Amos Decker hatte es zwar nie wirklich leicht, aber er war auch niemand, der ausgegrenzt war oder von Schicksalsschlägen gepeinigt. Brauchbare Noten, halbwegs guter Sportler. Ja, er schaffte es sogar zu einem ersten Spiel in der NFL. Nachdem er zackig ausgeteilt hatte, musste er auch einstecken - und zwar richtig. Ein Gegner hat ihn wahrlich aus den Schuhen gehauen. Sein Sturz auf den Kopf hat ihm trotz Helm einiges Ungemach beschert. Erklären können es die Ärzte nicht, aber irgendwie hat sich in seinem Gehirn etwas verschoben, sodass er ab diesem Zeitpunkt nichts mehr vergisst. Seine Sportkarriere war nach diesem Crash, der ihn auch einige verschobene Knochen gekostet hat, eh vorbei, also ging er mit seinem neuen "Talent" zu Polizei. Erst als Straßencop, dann als Detective. Immer wieder verzeichnete er große Erfolge. Doch das änderte sich bald. Eines Tages kam er spätnachts von einer Observierung nach Hause und fand Schwager, Frau und Kind niedergmetzelt vor. Die Polizei konnte trotz aller Bemühungen nie eine Spur finden. Daran zerbrach Decker. Er wurde obdachlos, ein richtiger Penner. Eines Tages aber kotzte ihn sein Spiegelbild dermaßen an, dass er zumindest etwas für sich tun wollte. Immer noch fett, unbeweglich, schlecht bis gar nicht rasiert und einer Zottelmatte, die Bigfoot stolz machen würde, eröffnete er ein Detektiv-Büro. Entsprechend seinem Auftreten waren seine Fälle auch jede, die jeder viertklassige Schmalspurdetektiv, der was auf sich hält, ablehnen würde. Ehekrempel, reiche (hässliche) Töchterchen vor Mitgiftjägern bewahren und ähnliche "komplexe" Aufträge. Bis 15 Monate (Nicht 1 Jahr, wie der Klappentextanalphabetenpraktikant wohl vermutete, nachdem es ihn/sie durch die vielen unverständlichen Zahlen anscheinend völlig verwirrte.😈) nach der Ermordung seiner Familie ein Typ zur Polizei marschiert und die Tat gesteht. Selbstverständlich, dass Decker mit dem Kerl reden will. Mit einem Trick schafft er es auch und glaubt danach nicht an die Schuld des Geständigen. Da muss etwas dahinterstecken, das sich ihm noch nicht erschließt. Also forscht er selbst nach. Bis dann ein Massaker an seiner ehemaligen High School die ganze Stadt schier aus der friedlichen Ruhe reißt. Man kann sich den Ablsuf kaum erklären. Zuviele Teile passen nicht zusammen. Doch Decker wird die Ahnung nicht los, dass all das irgendwie mit dem Mord an seiner Familie zusammenhängt, obwohl der - vermeintliche - Täter bei jeder Tat im Knast saß - oder gerade deshalb?

Nun hat Herr Baldacci einen weiteren Ermittler auf seine Leserschaft losgelassen. Diesem hat er nun etwas ganz Besonderes ins Stammbuch geschrieben - aufgrund eines Unfalls kann er nichts mehr vergessen und muss zudem eine Tragödie verarbeiten. Stoff, aus dem schon die erfolgreichsten Thrillerdramen gewoben wurden. Nur dass dieses hier nicht sonderlich flüssig daherkommt. Routinierte Allerweltsware bleibt es trotz aller Versuche um den Protagonisten von anderen zu unterscheiden. Die meisten der Taten passieren in sogenannten "Off" - Man würde sie im Film also nicht zu sehen bekommen, sondern nur darüber informiert werden. Wie es hier auch im Buch geschieht. - und auch sonst fehlt es an Tempo und Action. Sicher muss sich ein übergewichtiger Ermittler etwas langsamer bewegen als fitte Sportskanonen, doch leider wirkt sich das auch auf das gesamte Buch aus. Es will einfach nicht richtig voran gehen, hier und da einige Spuren gefunden, manche recht unwirklich, an den Haaren herbeigezogen. Und was die Spannung angeht, hat David Baldacci auch schon mehr auf dem Kasten gehabt. Eigentlich mag ich die Bücher des Autors ja seit seinem Erstling "Absolute Power", der ja später von und mit Clint Eastwood verfilmt wurde, bis zu dem Zeitpunkt als er sich von einem Qualitäts- zum Vielschreiber entwickelte, der pro Jahr mindestens zwei, manchmal sogar drei Bücher unters zahlende Volk geworfen hat. Die Qualität ließ nach, sodass bei seinen Outputs mittlerweile Dämmerlicht und tiefer Schatten wechseln. Mit seinem neuen Helden, der durchaus etwas von der Norm befreit ist in "Memory Man", hat er sich leider in die schwärzeste Dunkelheit katapultiert. Sorry, aber das Buch bietet wenig interessante und schon gar keine rasante Unterhaltung, die man Seite um Seite geradezu verschlingen würde. Keine Ahnung, was er sich da vorgestellt hat, aber funktioniert hat es bei mir nicht. Sehr schwacher Baldacci, selbst für den Massenmarkt. Ein echter Kandidat für die Grabbeltheke. Und vielleicht, nur vielleicht, krankt es ja auch daran, dass er auch einen Co-Autor angeheuert hat. Da gibt es ja die Möglichkeit, dass der Chef einige Scheinchen mehr abdrückt und dafür den Co nicht namentlich erwähnen muss und so das Gesamtwerk als sein eigenes ausgeben darf. Wer weiß? Ein 540-Seiten Schlafmittelüberdosis-Attentat auf den gequälten Leser. Oder anders formuliert: Bin ich froh, dass ich nicht die Fähigkeit des Protagonisten habe - ich kann das Buch vergessen. Schnell.

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