Dienstag, 14. Februar 2017

Buchreview "Die Spiegelstadt" J. Cronin

Justin Cronin. Aus Rücksicht auf all jene Leser, die die Vorgänger noch nicht gelesen haben, verzichte ich hier auf die Inhaltsangabe der Buchrückseite und den Part mit meinen Inhaltsanmerkungen. Also direkt zur Sache.

Nachdem ich mich ja in der letzten Zeit doch verstärkt der Action- und Horrorkost gewidmet hatte, die nicht sonderlich umfangreiche Werke beinhaltete nun also der Teil 3 von Justin Cronins Endzeit-Trilogie. Rund drei Jahre musste der geneigte Leser sich gedulden, bis er im abschließenden Buch der "Passage"-Abeneuter schmökern konnte. Die Wartezeit hat sich unbedingt gelohnt. Es war von Beginn an eine Wohltat sich wieder in den Ereignissen um Amy und ihre Gefährten für die Außenwelt zu verlieren. Und wie zuvor begibt sich der Leser auf eine Reise, die ihn auch in die Vergangenheit führt - wie alles begann und dann die Auswirkungen auf Gegenwart und Zukunft der gesamten Menschheit. Gerade zu Beginn ist etwas Geduld gefragt, da sich die Ereignisse nicht gerade überstürzen. Doch der Autor verbindet sehr geschickt und clever die Lebensgeschichten unterschiedlichster Charakter auf interessante Weise miteinander, sodass sein Buch zu einem Page Turner im positivsten Sinne mutiert. Seine Art zu erzählen ist emotional ohne dabei platt zu wirken wie so viele andere Autoren, die ein Klischee ans andere reihen. Die Figuren erhalten viel Raum und dabei eine Tiefe, die sie nur noch mehr an den Leser binden, sozusagen seine Zeit einfordern, um sie mit ihnen zu verbringen. Bald leidet man mit ihnen, kann ihre Freude und den Schmerz nahezu teilen. In der ersten Hälfte ist Amys Zeit noch nicht gekommen, da agieren andere Charaktere im Vordergrund. Der Aufbau einer neuen Zivilisation steht im Vordergrund. Für Vielleser vielleicht nicht wirklich neu, aber immer wieder spannend zu lesen, wie die größten Herausforderungen gemeinsam als Gruppe, als Familie, als letzte Hoffnung der Menschheit angegangen werden. Es gibt kleine und große Dramen. Verluste und freudige Ereignisse, Kampf gegen Mensch und Natur - und gegen das eigene Ego zum Wohle Aller. Mit den Vorboten der endgültigen Gefahr, des grandiosen Finales taucht auch Amy wieder öfter im Geschehen auf. Und der letzte Kampf wird eine große Schlacht, bei der Freunde und Familienmitglieder ihr eben lassen müssen und bei dem die Worte von Justin Cronin Bilder vor dem inneren Auge des Lesers aufleben lassen. Bilder, die etwas an "World War Z" erinnern (Israel sei als Beispiel genannt) und in der eigenen Vorstellung wenigstens CGI-frei sind. Großartige Wirkung, nur erzielt durch perfekt gesetzte Worte, ungemein spannende und liebevolle Handlungsstränge. Emotional und bewegend, mit tragischen Untertönen, mitreißend und einfach toll aufgebaut, bravourös und packend bis hin zum letzten Buchstaben wie das große Finale den Leser übermannt (oder auch "überfraut"?). Die Trilogie um den Versuch, ewiges Leben zu schaffen und dabei unabsichtlich die Erde beinahe vollständig von ihrem größten Feind in einer Art evolutionärer Auseinandersetzung zu befreien und nach dem Abschluss dieser apokalyptischen Ereignisse nur die Stärksten übrig lässt, ist ein Werk, in dem die Liebe eine große, vielleicht sogar die größte Rolle spielt. Vielleicht will uns der Autor auch genau das sagen. Wäre in der heutigen turbulenten Zeit bitter nötig, dass einige wachgerüttelt werden. Mit dieser überragenden schriftstellerischen Leistung katapultiert Justin Cronin das Autorenduo Guillermo del Toro und Chuck Hogan mit ihrer "The Strain"-Trilogie ans untere Ende der (Literatur-)Nahrungskette, lässt sie wirken wie einen Groschenroman (der schon seit etlichen Dekaden nicht mehr nur einen Groschen kostet, aber dafür auch kaum mehr Qualität aufweisen muss) und dem passenden Niveau. Justin Cronin hat die Messlatte für folgende apokalyptische Epen und auch Autoren-Stars wie Stephen King oder Robert McCammon verdammt hoch gelegt. Aber auch für sich selbst, denn ab jetzt wird er immer wieder an dieser wunderbaren Leseerfahrung gemessen werden. Wer diese Trilogie an sich vorbeiziehen lässt, ohne sie gelesen zu haben, verpasst ein Meisterwerk. Meine ich halt mal recht vorwitzig.

Und jetzt soll eine TV-Serie daraus werden. Für das Massenpublikum. Ich befürchte wahrhaft Schlimmes, denke dabei an Stephen Kings "Arena". Grausam verzockt.

Keine Kommentare: