Mittwoch, 16. August 2017

Buchreview "Gier" G. Disher

Garry Disher. Wyatt ist Einzelgänger, Beruf:Verbrecher. Die Rechtsanwältin Anna Reid setzt ihn auf 300.000 $ im Safe ihres Partners an. Doch andere kommen ihnen in die Quere: Bauer, der Troubleshooter der Mafia von Syndey, Ivan Younger, ein windiger Hehler, und vor allem Sugarfood, ein brutaler Cowboy-Punk, der die Schnauze voll hat von seinem Rausschmeißerjob. Auch er will jetzt ein größeres Stück vom Kuchen.

Wyatt hat sich für einen miesen kleinen Job als Begleiter Sugarfood Younger aufschwatzen lassen. Der Typ ist der Bruder von Ivan Younger und blubbert die ganze Zeit über die Younger-Brothers und hält sich für ultracool, was er ständig beweisen will. Wyatt er trägt das schweigend und erteilt ihm die Anweisungen. Man braucht bloß warten, bis die Familie das Haus verlässt und hat nur die alte Haushälterin vor sich, die man an einen Stuhl fesselt. Sugarfood soll auf sie aufpassen, während Wyatt nach der Beute sucht. Sie wollen nur bestimmte Ware mitnehmen, die man problemlos verscherbeln kann. Doch als Wyatt zurückkommt, ist die Frau tot. Vermutlich ne Herzattacke, weil der Möchtegern-Cowboy sie gestriezt hat. Sie lassen alles zurück und hauen ab. Beim Auftraggeber, Ivan Younger, angekommen, will Wyatt seinen vereinbarten Teil haben, bekommt ihn aber wegen der Erfolglosigkeit nicht. Er macht wegen der paar Kröten keinen Stress und zieht ab. Dann kommt das Angebot mit dem Safe in einem Anwaltsbüro. Er zieht Hobba und Pedersen hinzu, während die Partnerin der Kanzlei, Anna Reid, sie informiert. Unterdessen haben die Youngers Probleme, die sich auf ihre Geschäfte auswirken. Ihre Hehler und Dealer auf den Straßen nehmen nicht genug ein, die Schuldenspirale dreht sich vom Endkunden bis hin zum Lieferanten und von da zum Big boss - und dem Schulden die Youngers jetzt ne Menge Kohle. Und der schickt seinen Unterhändler/Vollstrecker, der sich unbewusst in die ganze Angelegenheit um den Safe mischt. Wyatt wiederum hat natürlich keine Ahnung von dem Killer namens Bauer und wie sehr der ihm und seinen Leuten bald auf den Fersen sein wird, unabsichtlich gelockt von Sugarfood, der immer noch beweisen will, dass er besser ist, als der Profi Wyatt. Für alle gibt es dann noch eine Überraschung, die nur einige überleben werden.

Wer sich nach einer Lektüre Marke Hardboiled im Stile eines Parker von Donald E. Westlake/Richard Stark sehnt, sollte hier zugreifen, wenn er nicht schon längst getan hat. Wyatt ist ein Mann, den man nicht näher kennenlernt. Er ist halt ein Gangster, der seine Raubzüge cool und überlegen plant, absahnt und dann für einige Zeit verschwindet, um von dem Geld zu leben - bis er halt neues Geld braucht. Klingt wirklich, als wäre Parker nach Australien umgezogen.  Denn dort spielt die Handlung der bisher sieben Bücher um Wyatt. "Gier" ist das erste davon.Man lernt einen Mann kennen, der Risiken abwägt, kühl berechnet, ob ein Einsatz wie auch immer geartet, es bezüglich des Gewinns wirklich wertig ist und der nun wahrlich nichts von Smalltalk hält. Er lebt zurückgezogen, hat eigentlich keine Freunde, nur etwas nähere Geschäftspartner. Freunde sind wie Schulden, irgendwann muss man für sie in irgendeiner Form einstehen. Ein anderes Kaliber ist dann dieser Sugarfoot. Der hat einige Male zu oft auf die Birne bekommen und noch öfter "Long Riders" von Walter Hill gesehen. Er sieht sich und seinen Bruder ständig in den Rollen der Younger-Brüder und möchte deren Taten und Ehrverhalten nacheifern. Für das Erste ist er zu blöd, da er es gerade mal geschafft hat, ganz alleine die Schule vor auch nur irgendeinem wertigen Abschluss zu schmeißen und für das Zweite hat ihm jemand gefehlt, der ihm hätte erklären können, was das überhaupt ist. So ist er nur zum Schlägertyp für Bosse geworden, sehnt sich aber nach Höherem. Dafür ist ihm natürlich nur Gewalt recht, denn das Hirn für ausgeklügelte Pläne hat er rechtzeitig seinem Bruder gegeben, sodass wenigstens einer was drauf hat. Und das hat auch Garry Disher zu bieten. Einen berechnenden Helden, der tüfteln, auswählen, vorbereiten und planen kann und dabei jegliche Opfer von Gewalt zu vermeiden sucht, sich aber auch nicht scheut, in die Vollen zu gehen, wenn es sein muss. Dem Leser wird so ein Coup von Beginn an nahezu zelebriert -  mit allen Nackenschlägen, die sich so einstellen können und wenn man noch so gut plant und vorbereitet. Selbst ein halbwegs rücksichtsvoiller Verbrecher wie Wyatt greift dann auch zur Waffe. Und das wird nötig, als die unterschiedlichen Parteien der Geschichte sich immer näher kommen - der Killer aus Sydney, Finn, der Anwalt, Reid, seine Partnerin, die Youngers, Wyatt und seine Kollegen. Nicht jeder erlebt das Ende der Story. Wyatts Refugium nutzt ihm bald nichts mehr, Sydney hat den längeren Atem und das wird auch ihm bewusst, als er erfährt, was hier wahrhaftig abgelaufen ist. Dass Wyatt nach dem ersten von sieben Büchern noch unter den Lebenden weilt, ist nun wahrlich kein Spoiler, aber wie es dazu kommt, dass er weiterrauben darf, das lest dann mal selbst. 250 Seiten, die kein Wort zuviel haben. Schmale Dialoge, kein Geschwafel und alles ganz weit weg von der derzeit konventionellen Ware um Serienkiller und Profiler und geschwätzige Protagonisten. Liest man Parker gerne, greift man auch zu Wyatt. Und ich damit auch zum nächsten mit dem Titel "Dreck".

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