Mittwoch, 24. Juni 2015

Buchreview "Familienmassaker" T. Miller

Tim Miller. Eddie Mason ist ein freundlicher, kleiner Mann. Und mit viel Liebe lehrt er seinen Kindern Brandi und Jeffrey die abscheuliche Kunst des Tötens. "Familienmassaker" ist eine Reise voller Folter, Kannibalismus und Irrsinn. Tim Miller treibt den Leser in eine Welt voller Tabus. 

Die Kellnerin Carla, die in einem schmuddeligen Stripschuppen entgegen den Wünschen des notgeilen Eigentümers "nur" als Kellnerin arbeitet, lässt sich am Abend ihren Lohn auszahlen und verlässt den Laden, um nach Hause zu fahren. Doch auf dem Parkplatz steht plötzlich ein kleiner Bub hinter ihr, der eine Maske wie aus dem Film "V wie Vendetta" trägt. Sie spricht ihn an, erhält aber keine Antwoert, sondern wird nur angestarrt. Langsam bekommt sie es mit der Angst und kurz darauf wird sie angegriffen und per Baseballschläger betäubt. Sie findet sich in einer Art Lagerschuppen wieder. Gefesselt, wehrlos. Dann betreten ein Erwachsener und zwei Kinder - maskiert als Guy Fawkes - den Raum und ihr Martyrium beginnt. Unterdessen hat ihr Chef am Morgen festgestellt, dass ihr Wagen immer noch da steht und die Polizei angerufen. Die Polizistin Julie findet Hinweise auf die gewaltsame Entführung am Tatort und bekommt als Partner Ben zugewiesen, den sie absolut nicht ausstehen kann und dem es ein echter Spaß ist, sie immer wieder anzumachen. Carla hingegen wurde filetiert und in Stücke geschnitten, teilweise von den drei Entführern verzehrt, der Rest für die Familienkühltruhe mit nach Hause genommen. Frisches Fleisch von der Jagd, wie er seine zänkischen Xanthippe von Ehefrau mitteilt. Die hackt wie üblich auf ihm herum, was seit seiner Arbeitslosigkeit vor rund einem Jahr immer schlimmer geworden ist. Eddie Mason stellt sich vor, wie es in ihrem Magen rumoren würde, wenn sie wüsste, was für Fleisch sie da isst. Im TV sieht er dann, wer den Fall vom Stripschuppen bearbeitet und hat eine Idee. Er mogelt sich als IT-Spezialist, der er vor seiner Entlassung auch war, bevor sein Job nach Indien ausgelagert wurde, und präpariert den Computer der Polizistin, lernt dabei auch deren Freundin Sarah kennen. Die ist für ihn das ideale Objekt, um Julie in eine Falle zu locken. Sarah entführt, Julie angerufen und instruiert, was sie zu tun hat und schon hat er beide Frauen in der Gewalt. doch Julie hält sich nicht an ihre Anweisungen und nimmt Ben  mit, der ihr Rückendeckung geben soll. Doch ihr Plan misslingt. Jetzt haben Eddie und seine Blagen drei Fleischlieferanten in ihrer Gewalt - und die ahnen nicht einmal, was da auf sie zukommt.

Tim Miller scheint den Bewohnern seines Lone Star States ja einige Schandtaten zuzutrauen. Nach "Willkommen in Hell, Texas" spielt auch "Familienmassaker" in der Heimat des Alamo und von Tim Miller. Viel Tiefgang oder Charakterzeichnung hat die Story nicht, aber etwas Politsche Korrektheit, die den Figuren aber nichts nutzt und eine Geschichte um Gewalt in der Ehe, die hier von der Frau ausgeht, lassen den Schluss zu, dass der Autor seinen Eddie so skizziert hat, dass er die langen Jahre der Unterdrückung durch seine Angetraute in Gewaltphantasien verarbeitet hat, die letztendlich zum Ausbruch kommen. Aber stark fühlt sich der kleine, eher schwächliche Mann mit Hang zur beginnenden Glatze nur, wenn er eine Maske trägt, nicht mehr als der wicht zu erkennen ist, den seine Frau in ihm sieht und ihm immer wieder vorwirft. Um so etwas wie ein "geregeltes" Familienleben zu haben, nimmt er seine Kinder mit auf die Pirsch und Menschenjagd. Und die Kinder, die natürlich in jungen Jahren durch die Erziehung durch ein Elternteil, das sich ständig um sie kümmert, leicht beeinflussbar sind, gehen den Weg des Vaters mit, sie werden wie er. Psychogramm eines kleinen Verlierers sozusagen. Kurz und knapp dargelegt, ohne ins Fabulieren zu geraten. Als Spannungseffekt hätte man vielleicht den Namen oder die Identität des Texas-Kannibalen noch etwas im Dunkeln lassen sollen. Aber das hätte vielleicht auch den Rahmen der Story bzw. der angedachten Seitenzahl gesprengt. In der Kürze liegt die Würze (Die meisten doofen Sprüche dazu hab ich im Laufe der langen Jahre sicher schon unbedacht rausgehauen, aber wenn jemand was Neues hat - her damit.). "Familienmassaker" ist wahnwitzig und hat tatsächlich als Humor den Autoaufkleber "Suche Nymphomanin mit Schnapsladen" aufzuweisen, ist aber sonst todernst und brutal mit einer kräftigen Portion Härte ausgestattet, während die sexuelle Komponente in diesem Buch keine Rolle spielt, aber dafür irre und verstörend ist sowie eine gewisse gruselige Atmosphäre zu verströmen weiß. Dass es einige unappetitliche Szenen gibt, dürfte man bei einer Kannibalengeschichte in der Festa Extrem-Reihe wohl fest angenommen haben, aber zum Veganer werden muss man deshalb nicht, die Armen haben unter blöden Sprüchen ob ihrer Ernährungsentscheidung eh schon genug zu leiden. Und für die Freunde des Vorzeigemexikaners heißt ein Gerichtsmediziner selbstverständlich mit Nachnamen Trejo. Vorname wurde nicht erwähnt. "Familienmassaker" gehört jetzt eindeutig zu den besseren aus der Extrem-Reihe. Fein.

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