Freitag, 14. September 2018

Buchreview "Wie Schatten über totem Land aka Catacumbas" S. C. Zahler

S. Craig Zahler. Bei ihrem verzweifelten Versuch, zwei entführte Schwestern zu befreien, die man in die Prostitution gezwungen hat, stürmt eine Gruppe wild zusammengewürfelter Charaktere durch das Mexiko des Jahres 1899. Ihre Reise ist dabei nicht nur ein Ritt in die Hölle, sondern auch in die tiefsten Abgründe menschlicher Existenzen. 

Ein Western von S. Craig Zahler hat nichts mit jenen der alten Meister wie Zane Grey oder Louis L'Amour zu tun, die ich früher verschlungen hab (deren Bücher gelesen) und auch den späteren Erneuerern des Genres mit härterer und gefühlskälterer Kost wie George G. Gilman (dem wurde in Deutschland bald mittels Zensur der Zahn gezogen), Matt Chisholm (McAllister-Reihe) oder Gordon D. Shirreffs (Lee Kershaw-Reihe) kann man bis zur Mitte des Buches nur noch gewisse Nähe attestieren. Danach überbietet Zahler deren Werke ohne große Schwierigkeiten.
"Wie Schatten über totem Land" ist einer dieser trockenen Staubwestern, die im Grenzgebiet von Texas und Mexiko spielen. Im Jahr 1902 sind die Kriege von 1836-1838 zwischen den beiden Nationen und 1847/48 zwischen USA und Mexiko WEGEN Texas längst nicht vergessen. Im ersten verschafften sich die Texaner die Unabhängigkeit, vor dem zweiten flüchteten sie sich unter die Unionsflagge der USA (von der sie sich ironischerweise 1861/65 im Bürgerkrieg wider befreien wollten) und nach der Niederlage kassierten die USA etliche Landstriche von den Mexikanern ein (und haben sie auch heute noch). Also wurden Amerikaner grundsätzlich nicht freundlich beim südlichen Nachbarn empfangen. Dazu noch ständige Revolutionswirren im Mexiko dieser Zeit, bei denen neben den Amis auch immer wieder andere Nationen die Finger drin hatten. Grundsätzlich keine gute Zeit für ein Mexiko-Abenteuer. Also kommt ein Hotelier in finanziellen Schwierigkeiten und den Attitüden eines affigen Dandys (keine Waffen) aus dem Osten zu dem Schluss, dass er sich der Gruppe rauer Männer, die alle mit einem gewissen Killerinstinkt ausgestattet sind, zu einer Befreiungsaktion beim Nachbarn anzuschließen hat, um seine Existenz zu retten. Was folgt, sind nicht nur Einblicke in eine Welt, in der es von unheimlichem Vorteil ist, eine tiefschwarze Mörderseele zu haben, sondern in der die Männer sich mit der Zeit verändern, was man am besten am Dandy festmachen kann. Alle haben sie ihr Päckchen zu tragen, die Vergangenheit schimmert nicht nur durch. 

Als sie dann die Frauen finden, die entsetzliche Torturen durchmachen mussten, an denen der Autor den geneigten Leser deutlich teilhaben lässt, beginnt eine Hetzjagd, die absolut keine Grenzen in ihrer Brutalität kennt - Kollateralschäden inbegriffen. Wen scheren schon die Mitmenschen, wenn man ein Ziel hat? Doch jede Seite hat ihren Psycho, der sich absolut ohne Regung ans Geschäft des Tötens macht. Ist es auf der Seite der "Retter" Long Clay, hat die andere Seite den Boss Gris, der zu exzessiver Gewalt neigt und sich als durchgeknallter Despot mit den absurdesten Folterideen erweist und dabei seinen Spaß hat. Spaß hat Long Clay im Gegensatz zu ihm nicht, aber dem sind einfach keine Gemütsregungen zu entlocken. Eiseskälte im heißen Mexiko. 

Absolut schonungsloser Western, der dem Leser mit splatteriger Gewalt an die Gurgel geht und dennoch nicht platt extrem daherkommt, sondern die Elemente des Westerns in einer tödlichen, unwirtlichen Umgebung mit Racheelementen und menschlichen Abgründen skizziert und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt. Ein alter Patriarch, der hart über seine Familie herrscht und unbedingt aus Gefühlsduselei loszieht - einem Plugford nimmt man nichts ungestraft weg. Während der ganzen Reise durchleben die Figuren Veränderungen und von den (wenigen) Überlebenden erscheint keiner mehr so in der Heimat wie er gegangen ist. Brutal, blutrünstig, voller Folter und eingeschlagenen Schädeln, explodierten Körpern und hingemetzelten Menschen in einer Zeit als Menschenleben noch weniger zählten als heute und das Land die Bewohner hart undgnadenlos machte. Nur nur der Härteste überlebt. Wer den Film "Bone Tomahawk" gesehen hat, kann schon einmal erahnen, was hier auf ihn zukommt. Auf jeden Fall keiner der Western, in denen man John Wayne, Randolph Scott oder Joel McCrea und Audie Murphy für das Gute kämpfen sah. Eher schmutziger Italo plus einer Riesenportion Zahler. Klare Kauf-Empfehlung. Und wer kein Genrefan ist, sollte sich nicht abschrecken lassen.

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