Donnerstag, 14. Januar 2016

Buchreview "Zeit-Areal" J. Langer, K. Guske, B. Döblitz u. a.

Die Autoren von Arial-10 e. V. : Menschen und ihre Beziehungen zu sich selbst, zu ihren Vor- und Nachfahren, zu ihren Gedanken und Ideen und natürlich zum Ruhrgebiet, das uns begegnet zwischen Kohle und Kulturhauptstadt. Wir legen dafür eine EXTRASCHICHT ein - ARIAL-10 e.V.

Diverse Autoren haben für dieses Buch kurze Geschichten beigesteuert, die sich um einen Neandertaler, die Zeit des 1. Weltkrieges, dem nahen Ende des 2. Weltkrieges und die Zeit des Aufbaus danach drehen. Dann werfen sie einen Blick auf die 60-er, 70-er und 90-er Jahre, um dann den Jahrtausendwechsel zu begehen und in dessen Folge einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Ein Buch weitab von meinem sonstigen Leseprogramm, aber hey, muss ja nicht immer dasselbe sein. Eigentlich wollte ich ja mit den Geschichten eines Autoren beginnen, den die meisten hier als DIE Koryphäe unter den anerkannten Trash-Akademikern und dem Namen Doc Savage kennen, aber dann kamen mir die anderen Stories irgendwie dazwischen. Denn die sind humorvoll wie der Beginn mit dem Neandertaler Oog Ungur und der Kohle, was dann auch gleich den Bezug zum Pott herstellt. Mit der Geschichte um den Tod eines Försters, nach dem noch heute eine Straße benannt ist, wagt man sich etwas über die Stadtgrenzen hinaus und streift sogar England und die Hessen mit ihrer Uni-Stadt Darmstadt. Die Schrecken des nächsten Weltkrieges werden anhand eines Fliegerangriffs dokumentiert, während man sich danach in den 50-er Jahren den Kinos, damals noch Lichtspielhäuser und etwas wirklich Besonderes, mit einer leicht melancholischen, aber Erinnerungen (an Erzählungen der Eltern oder Großeltern und zumindest noch teilweise selbst erleben dürfend) hervorrufenden Stimmung, widmet. Ja, Zarah Leander ist mir dann schon noch ein Begriff. Über den Ruhrpott oder Bottrop selbst kann ich wenig sagen, da nicht meine Gegend und auch bisher kein Besuch dort stattfand. Aber diese Reise durch die Zeit kann dennoch viel Vergangenes wieder erwecken, das sich zumindest in Teilen auch andernorts abspielte. Seien es nun die Krisen der Industrie in den 60-ern, die bis heute anhalten und vieles, was man hätte erhalten können, aus reiner Gier kaputt gemacht hat oder die Geschichte um den "Schal" in den Revoluzzer-Zeiten der 70-er, als vor allen Dingen angesagt war, alles anders zu machen als die Eltern und früheren Generationen. Und die Sache mit dem Telefon - oder besser ohne das Ding. Als sich die Kommunikationsmöglichkeiten weiter entwickelten, als man sich endlich von nervenden Telefonwerbern mit nur einem kleinen Klick befreien konnte, aber auch mittlerweile einer ständigen Erreichbarkeit unterworfen war und immerwährend die neuesten Anrufe, SMS, Mails im Auge hatte und man das Geräusch eines eingehenden Anrufs oder einer anderen Nachricht ständig im Ohr hatte. Und plötzlich totale Stille, wie früher, bevor man sich all die neuen Spielereien zugelegt hatte. War das ein Segen? Ich kann die Ruhe zumindest nachfühlen, da ich - sobald ich das Haus ab früh am Morgen bis zum Abend und der Rückkehr meiner Frau für mich allein hab - zuerst meine dusseligen Texte wie den hier auf den Blog und die Leser loslasse und nur während dieser Zeit das Telefon auch eingeschaltet hab. Danach bin ich nicht erreichbar. Am Abend wird dann aufs Display geschaut und entschieden, wen ich vielleicht mit einem Rückruf kontaktiere oder eben nicht. Ähnliches gilt für Mails. Die Leute haben sich dran gewöhnt und mir geht es nicht, wie denen in der Geschichte, dass man sich sorgt, weil die ständige Erreichbarkeit nicht gewährleistet ist. Aber wie alle diese kleinen Anekdoten rund um Bottrop und den Ruhrpott ist auch diese sympathisch und nett zu lesen. Man kann sich etliche Dinge so richtig bildhaft vor Augen führen, ja selbst die vorletzte Story um die Enkel im Jahr 2100, die einen Blick in die Vergangenheit ihres Opas und das Leben zu dessen Jugendzeiten werfen dürfen, hat einen unheimliche Charme, wirkt herzerwärmend und mit einem Funken Wahrheit durchsetzt, der auch heutzutage eine gewisse Gültigkeit besitzt. Fragt mal bei euren um einige Jahre jüngeren Bekannten oder deren Kids (eure eigenen geben euch darauf möglicherweise eh keine gescheite Antwort) nach, was sie von einem Mohrenkopp halten - Ih, das ist ja rassistisch, lautet dann wohl der Spruch des Tages. Dann muss man denen auch schon erklären, dass die nun aus Gründen der politisch gewollt Correctness Schaumküsse heißen. Oder erkundigt euch mal nach Filmen, die vorm Jahrtausendwechsel die Videotheken (Was ist denn das?) bzw. deren Regale füllten. Die Antwort wäre Stille. So vieles geht über die Dekaden verloren. Schön, dass solche Buchbände die Vergangenheit am Leben erhalten. Und es war zumeist eine Reise in die Zeit meiner lange vergangenen Jugend, auch wenn die nicht in Bottrop stattfand. Mit Autorenporträts 119 Seiten.

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