Montag, 24. Dezember 2012

Buchreview "Zum Sterben schön"

Wayne Simmons. Ein Sonntagmorgen im Frühling: Gerade will Star ihren ersten Kunden tätowieren, als die Welt plötzlich in eine üble Schieflage gerät. Belfasts verkaterte Nachteulen fallen in einen noch tieferen Schlaf als gewöhnlich und Sekundentode verursachen ein heilloses Verkehrschaos, Brände und Flugzeugabstürze. In den Nachwehen des Chaos begibt sich eine Gruppe Überlebender auf Sinnsuche durch die postapokalyptische Stadt. Der alternde Radiomoderator Sean Magee findet sein Heil zusammen mit dem Jungfrauenkiller Barry Rogan in einer Hotelbar. Die ehemalige IRA-Aktivistin Mairead Burns und Soldat Roy Beggs verbünden sich zwangsläufig, Ordnung in eine Kommune zu bringen, während andernorts ein geheimnisvoller Prediger verstörte Überlebende aus den Schatten lockt, indem er ihnen Erlösung verspricht.

In der Folgezeit versuchen Tim und Caz, die ein Eisenbahnunglück überlebt haben, der recht trinkfreudige alternde DJ mit dem guten Musikgeschmack Sean, der zum Alki mutierte emeritierte Professor Herb und die Tätowoererin Star jeder auf seine jeweils ureigene Art mit der plötzlichen Katastrophe umzugehen. Barry, Student, Trunkenbold und aufreißer, wacht neben einer Leiche in seinem Bett auf und spannt erst gar nicht, was los ist. Roy ist in seinem Land-Rover unterwegs, im Gepäck die IRA-Aktivistin Mairead, die er unterwegs aufgelesen hat, Waffen und Proviant und am Heck einen kleinen Konvoi, dessen Anführer er ungewollt geworden ist. Die Leute hoffen auf die Hilfe der Army. Alle versuchen sie, einen sicheren Ort zu erreichen, Unterstützung, andere Menschen, Hilfe. Die Gruppe um Roy nistet sich in einer Schule ein und wo Menschen verschiedener Herkunft oder Glaubensrichtungen in einer Krisensituation zusammentreffen, gibt es auch Reibereien. Sean trifft indes auf Barry und die beiden Schluckspechte picheln sich erst einmal den Frust weg, bevor sie weiterziehen. Tim, Caz und Star richten sich im Busbahnhof ein und kommen einigermaßen zurecht, warten ab, was als nächstes passiert. Der halbblinde Prediger macht sich auf, verlorene Seelen zu sammeln. Die Kommune schafft es, einen Angriff von Marodeuren abzuwehren, bei dem sich Mairead und Roy trotz aller Unterschiede fast schon perfekt ergänzen. Leider kommt es danach ob gewisser Härten und Führungsansprüche von Roy zum Bruch und Mairead nimmt die kleine Clare und verschwindet von dort, verfolgt von ihrem ehemaligen Mitstreiter. In Belfast treffen sie auf die Gruppe um Star und es kommt zum Kampf. Auch die Kommune muss um ihr Bestehen fürchten - die Toten stehen wieder auf. Gleiches bekommen auch der Prediger und der Rest von Belfast zu spüren.

Die Iren und ihre Musik. Schon nach wenigen Seiten werden wie bei Bruen auch hier Thin Lizzy mit ihrem Song "Whiskey in the Jar" erwähnt. Irisches Kulturgut eben. Leider wird dieses Kulturgut nach den ersten Wehen der neuen Katastrophe nur geringen Wert haben und die Menschen kämpfen ums Überleben. Die eine oder andere Szene - Star vor ihrem Studio - erinnert tatsächlich ganz kurz an "Der Omega-Mann" mit Charlton Heston. Allein und einsam in einer verheerten Stadt. Doch dann finden sich die anderen Überlebenden nach und nach zusammen und Simmons lässt sie einen anderen Weg gehen. Er nimmt sich viel Zeit, die Personen zu charakterisieren, ihre Schwächen, Stärken und Probleme vorzustellen und so manch einer hat ein mehr oder weniger großes Geheimnis zu verbergen, das sich aber im Laufe der Zeit dann unter Stress doch offenbart. Lange ist das Buch auf die Figuren konzentriert, nur hin und wieder werden in der ersten Hälfte kleine Actionsprenkel eingeflochten oder auch die äußerst tragischen und bedauernswerten Schicksale eines Kranken, der im Ganzkörpergips auf ständige Betreuung angewiesen ist und elendig zugrunde geht oder die tapfere Flugbegleiterin, die in der Maschine als einzige Person überlebt hat und nun ausharrt, bis dem Flieger der Sprit ausgeht und sie in den Boden rammt. Kleine, traurige Schicksale im großen Chaos. Passend zum ganzen Szenario hatte der DJ Sean noch den Song "Don't fear the Reaper" von Blue Öyster Cult gespielt, ein Song der in solchen Situationen gerne als Referenz hergenommen wird und eh als zeitloser Klassiker gilt. Simmons hat sich auch wie bereits bei seinem gelungenen "Grippe" auch hier den Irland-Konflikt, Rassenthematik und eben die Religion auf die Fahnen geschrieben. Das gehört zu Irland wie Musik und Suff. Doch ebendas und Machtgier sind auch schuld am Zerbrechen der Kommune, gute Menschen werden zu Tyrannen, gar Mördern. Der Wandel vollzieht sich meist schleichend und die zuvor erwähnten Geheimnisse und Charakterschwächen treten offen zutage. Und als wäre dies nicht genug, taucht im letzten Drittel des Buches die eigentliche Katastrophe auf. Ab jetzt wird es blutig, Eingeweide werden herausgerissen, Körperteile verspeist und die wenigen Überlebenden müssen wieder kämpfen. Nach dem intensiven Blick ins irische Seelenleben ist die Kacke jetzt am Dampfen und da das Buch eine Fortsetzung erfahren wird, können wir Leser uns schon freuen, denn da dürfte es dann wirklich rund gehen. Und die Idee mit diesen ungewöhnlichen und wahrlich neuen Zombies hat was für sich, ist schlicht genial und hat mich trotz aller Tragik und brutaler Gewalt bei einem bestimmten Gedanken tatsächlich noch zum Schmunzeln gebracht. Einen kleinen Lapsus hat sich der Verlag geleistet, in dem er an das fünfte Kapitel das vierte noch einmal drangehängt hat. Kleiner Fehldruck, der aber zu verschmerzen ist und die Freude auf die kommende Fortsetzung ganz sicher nicht trübt. Jetzt heißt es nur geduldig warten.

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