Dienstag, 9. Mai 2017

Musik "4-15-13" Dropkick Murphys

Eine Band, die allen zeigt, wie man sich kümmert.

Wer Blut will, soll Blut haben. Davon handelt „Blood“, endlich wieder ein neues Lied der Dropkick Murphys nach vier leisen Jahren ihrerseits. „If you want blood, we give you some“, erklärt Al Barr, ihr Sänger, im Refrain. „Blood! Blood!“, ruft seine Band im Chor.

Es ist ihr eigenes Geburtstagsständchen, um sich daran zu erinnern, wie vor 20 Jahren alles angefangen hatte – mit Randale und Krawall im „Rathskeller“ am Kenmore Square in Boston. Wie sich das gehört für stolze Iren in Amerika, waren die Dropkick Murphys am St. Patrick’s Day im „Rat“, so hieß der Klub unter den Punks und Skinheads, aufgetreten. Es hatte gekracht zwischen den Gästen und den Saalordnern. Dann war die Polizei gekommen und die Rauferei zur Straßenschlacht geworden. Schuld an allem war danach die Band gewesen. Diese Horde musizierender Hooligans mit ihren tätowierten Keltenkreuzen auf den Unterarmen, Lorbeerkränzen auf den Polohemden und Proletenmützen auf den Schädeln.

Heute ist die Band der Stolz der Stadt. Als sie 2004 den Boston Red Socks eine neue Stadionhymne spielten, wurde die Mannschaft nach 86 Jahren wieder Baseballmeister. Ein Jahr später sangen sie auf einer Trauerfeier für einen gefallenen Soldaten „Fields of Athenry“, ein altes Klagelied über die Hungersnot in Irland in den 1840er-Jahren, vor der auch die Vorväter der Dropkick Murphys nach Amerika geflohen waren, ins Gelobte Land. Und wieder ein Jahr später sangen sie in „The Departed – Unter Feinden“ von Martin Scorsese, einem Film über die irische Mafia, „I’m Shipping Up To Boston“ von Woody Guthrie. Auch in „Blood“ klingt ihre tiefe Heimatliebe an, wenn Al Barr singt: „We’re taking over this town“. Aus bösen Buben wurden Bostoner, wie sie in alten Büchern stehen.
Wer tut etwas dagegen?

Immer geht es ihnen um Identität und Herkunft, Heimat und Kultur. Die Dropkick Murphys stammen aus jenem Milieu und spielen ideellerweise auch für das Milieu, dem heute zugeschrieben wird, nicht nur Amerika in eine Wagenburg für weiße Männer zu verwandeln. Ihre erste Single hieß „Boys On The Docks“, das war vor 20 Jahren. Kurz darauf verabschiedete sich der erste Sänger Mike McColgan, weil er lieber Feuerwehrmann werden wollte als irgendein freischaffender Künstler.

Aber auch unter Al Barr blieben die Dropkick Murphys bei sich. Weil sie immer wussten, wo sie herkommen und hingehören, und weil alles, woraus ihre Kunst sich speist, der alte Punk und der noch ältere Folk, beharrliche Bewegungen wie Oi! und Hardcore eher etwas für wertkonservative Geister sind. Sie nennen ihren Stil selbst „Fightin’ Irish“. Und es ist kein Zufall, dass der Dudelsack in „Blood“ eine Fanfare bläst, wie die Posaunen und Trompeten sie für Johnny Cash in „Ring Of Fire“ schmettern. Würde Johnny Cash, wäre er noch am Leben, seinen Song für Donald Trump zur Amtseinführung anstimmen? Wer weiß.

Die Dropkick Murphys fanden schon die neue Tea-Party-Bewegung albern und reaktionär. Als Bostoner und Anarchisten. „Ich bin Punkrocker und gegen alle Ideologien“, sagt Al Barr. Aber er war, weil er gegen Hillary Clinton war, für Bernie Sanders. Donald Trump hält er für eine Katastrophe, eine schwere Krankheit, die Amerika, wie man es kennt, nicht überstehen wird, wenn niemand etwas tut.

Das ist die Botschaft der „11 Short Stories of Pain & Glory“, ihres achten Albums: Alles dreht sich um den Claddagh Fund, den sie 2009 gegründet haben, eine Stiftung für das Wohl der Ärmsten. Nach dem Terroranschlag auf den Boston-Marathon 2013 half der Claddagh Fund den Opfern. Es waren die Dropkick Murphys, die anstelle der Politiker die Überlebenden am Krankenbett besuchten. Davon singen sie im Lied „4-15-13“. Heute widmet sich die Stiftung der grassierenden Drogenseuche in der Unterschicht Amerikas. Der Staat stellt die Substitutionsmittel der Pharmaindustrie bereit, die Dropkick Murphys sammeln für Entzugskliniken, für die Abgehängten und die Abhängigen. Sie singen „You’ll Never Walk Alone“, als stünden sie mit Tausenden im Stadion.

Alles, sagt Al Barr, werde noch sehr viel härter werden unter Trump. In „First Class Loser“ und in „Rebels With A Cause“ bellt er all die an, die sich aufgegeben und im White Trash eingerichtet haben. Niemand kann ihnen versprechen, ihr Land und ihr Leben wieder großartig zu machen. Gute Menschen haben solche Lieder, weil sie wissen, was sie singen und weil man die wirklich Bösen manchmal überbrüllen muss.

Copyright: Von Michael Pilz | Veröffentlicht am 11.01.2017bei www.welt.de

2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Wow. Kommt auf die Spotify-Mal-Näher-Anhören-Liste. Thnx!

Anonym hat gesagt…

Na, dann kannst du dich mit weiteren Titeln der Burschen ganz schön austoben. Dieses hier ist das neueste Album. Hab noch drei weitere inklusive einem Combo CD/DVD eines Live-Concerts und gerade ein weiteres Album von denen geordert.

Gruß
Harry