Montag, 27. Oktober 2014

Buchreview "London Underground" O. Harris

Oliver Harris. Bei einer Verfolgungsjagd durch die Londoner City entdeckt Detective Nick Belsey einen Bunker und ein mysteriöses Tunnellabyrinth unter den Straßen der Stadt. Der Verdächtige verschwindet darin spurlos, aber der ungewöhnnliche Ort bringt Belsey auf eine Idee: Am Abmed verabredet er sich dort mit einer jungen Frau zu einem ganz besonderen Rendezvous. Als er seine Begleiterin in der Dunkelheit des Tunnels verliert, ist ihm bald klar, dass sie entführt worden ist. Weil niemand erfahren darf, dass er in den Fall verwickelt ist, ermittelt Belsey fieberhaft und muss seinen Kollegen immer einen Schritt voraus sein. Er liefert sich ein Katrz- und Mausspiel mit dem Entführer, gerät immer tiefer in die Londoner Unterwelt hinein und stößt dabei auf eine eiskalte Rachegeschichte, die bis in die Zeiten des Kalten Krieges zurückreicht. 

Belsey wurde nach seinen letzten Eskapaden suspendiert und dann für den Innendienst eingeteilt. Schreibtischarbeit, Papier sortieren. Die wahre Pracht für jemanden, der draußen seine Geschäfte zu erledigen hat. Dennoch hat er einen Dienstwagen, den er manchmal für Ausflüge in die Freiheit nutzt. Und derzeit sitzt er gerade gemütlich darin herum und tarnt seine Wodkaration mit einem Eiscafe und versucht die Stunde bis Feierabend zu vertrödeln. Funktioniert prächtig - bis ein BMW ihn beinahe rammt. Da nimmt Belsey die Verfolgung auf und muss sich eingestehen, dass der Fahrer vor ihm einiges drauf hat. Umso verwunderlicher, als der plötzlich am Kreisverkehr scharf bremst, aus dem Auto hetzt und wegsprintet. Belsey hinterher und bald glaubt er den Typen gestellt zu haben, da der in eine Sackgasse rennt. Tja, falsch gedacht. Der Kerl ist verschwunden und Belsey streunt um das Gelände wie ein lästiger Köter auf Futtersuche. Tatsächöich findet er einen Zugang und auch spuren des Geflohenen. Doch allzu tief kann er in der Finsternis nicht in das Gebäude und die dunklen Gänge eindringen. Aber seine Fundsachen stellen ihn schon fast vollauf zufrieden. Verschreibungspflichtige Medikamente aus den 80-ern, mittlerweile aus dem Verkehr gezogen, aber dereinst bei den Kunden überaus beliebt. Eine wahre Schatzkammer. Und ihm kommt die Idee, hier einen fröhlichen Abend mit der Studentin Jemma zu verbringen, die er bei einer Razzia kennengelernt hatte. Doch beim Erkunden der vielen Tunnelabzweigungen verwschindet das Mädchen plötzlich und trotz intensiver Bemühungen kann er sie nicht finden. Dafür löst er aber den Fall mit den Einbrüchen in eine Bücherei, der ihm von seiner neuen Chefin - und alten Bekannten - aufs auge gedrückt wurde. Nachdem er sich verlaufen hatte, war ihm die Suche nach einem Ausgang vorrangig erschienen und tatsächlich findet er eine alte Tür, die zu dne Kellergeschossen der Bücherei führt und von der Kellerseite aus von einem Schrank verdeckt  wird. So ist der Einbrecher also reingekommen. Vermutlich handelt es sich um denselben Typen, der Jemma entführt hat. Jetzt geht die Suche erst richtig los. Über dieses alte Tunnelsystem, das ganz den Eindruck macht, als wäre es nicht nur ein Schutzbunker, sondern für eine längere, sichere Verweildauer im Falle eines Atomkrieges gedacht, wissen niocht mehr viele Personen Bescheid und etliche davon reden nicht bzw. berufen sich auf Geheimhaltung und Nationale Sicherheit. Man geht davon aus, dass dieser Fremde in den Tunneln noch ein alter Spion aus Sowjetzeiten ist.

Die von mir zum Abschluss von "London Killing" gestellte Frage, ob Belsey lernfähig genug ist, seine kleinen Nebengeschäfte einzustellen und sich zu einem vorbildlichen Polizisten mit entsprechendem Lebenswandel zu entwickeln, wird schnell beantwortet. Mit einem klaren Nein. Vom Außendienst suspendiert lässt er es erst recht locker angehen, gönnt sich seine diversen Schlückchen und hat eine mehr als mangelhafte Dienstauffassung. Kurz Belsey bleibt der Mann für Fettnäpfchen mit Hang zu krummen Geschäften. Der Titel der deutschen Ausgabe "London Underground" passt fast genausogut wie der Originaltitel "Deep Shelter" und ist nicht einfach nur wild zusammengeschustert, bloß um einen englischen Titel durch einen anderen ersetzen zu können. Die Story ist jederzeit spannend und mit einem flotten Tempo versehen, was sich auch bei dem Rätsel um die verborgenen Tunnelsysteme unter London zeigt, wo der Leser von einer Frage zur nächsten geschickt wird und wenn ein Rätsel gelöst scheint, taucht auch schon das nächste auf. Und gerade dabei tauchen dann hin und wieder kleinere Logiklöcher auf, wird es zeitweise etwas unglaubwürdig, doch das hat mich aufgrund der sehr gelungenen Verpackung aus pointiert gesetzten Actionsequenzen und der recht cleveren Art der Ermittlung plus Vertuschung eigenen Fehlverhaltens durch Belsey nicht sonderlich gestört. Der Lesefluss wird durch diesen Thriller ständig hochgehalten und auch nicht durch allzu viele Klischees belastet, die der Story hätten schaden können. Man folgt gespannt dem sympahtischen Mistkerl Belsey, wie er sich durch die Labyrinthe der eigenen Fehlerhaftigkeit und Unmoral sowie der Tunnel unter London und den perfiden Plänen des "Ferryman", wie der Kerl sich nennt, nimmt Teil an seiner Sorge um sich und sogar die entführte Jemma. Nirgends ein Fünkchen Langeweile, dafür aber Hochspannung im gespenstischen Nebel von Londons Untergrund. Wem "London Killing" schon gefallen hat, der wird vermutlich über "London underground" begeistert sein. 

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