Adrian McKinty. Belfast in den frühen Achtzigern. 38 IRA-Terroristen brechen aus einem Hochsicherheitstrakt aus - höchste Alarmbereitschaft für die Polizei. Mittendrin Insepctor Sergeant Sean Duffy, der den Kopf der Terrorzelle aufspüren soll. Zwar hat er eine Informantin, doch im Gegenzug für den Tipp muss er ein vertracktes Rätsel lösen: In einem Mordfall ohne Mörder soll Duffy ihr den Täter liefern.
Duffy ist wegen einer Sache suspendiert, die ausnahmsweise mal nicht auf seinem Mist gewachsen ist. Sie waren zu dritt unterwegs und Duffy hatte sich selbst nicht so ganz nüchten, mit dem betrunkensten Kollegen auf den Rücksitz des Wagens begeben und überwachte seine Lebensfunktionen, als es ein Rumpeln am Wagen gab. Jimmy, auch leicht bedüdelt und dennoch der Fahrer, meinte, es wäre alles okay. Sie schafften den Kollegen heim und gut wars. Nach einer der vielen gefährlichen Patrouillen in der Gegend wird Duffy zum Chef gerufen und der eröffnet ihm dann, dass er diesmal nicht aus der Sache rauskommt. Sie hatten während ihrer Alkoholtour einen Mann angefahren und Jimmy behauptet, dass Duffy am Steuer war - gefickt eingeschädelt, endlich können sie den aneckenden Duffy loswerden. Für den der Todesstoss. Ab jetzt nur noch zu Hause. Und die Zeit verbringt er mit Musik, saufen und kiffen oder anderen Betäubungsmitteln (Eigentlich ist er meist so hackedicht, dass Zombies, würden sie in dem Buch vorkommen, an einer Überdosis eingehen würden, hätten sie ihn gebissen oder gar mehrere Happen gekostet.). Dennoch dringt irgendwann zu ihm durch, dass man doch wieder mit ihm rechnet. Sein ehemaliger Schulkamerad Dermot McCann ist aus dem Knast abgehauen, war dazu auch in Libyen inhaftiert, bis die gemerkt haben, dass er doch eher zu ihresgleichen gehört und in Europa viel mehr Schaden anrichten kann. Und Duffy soll ihn finden. MI6 hatte keinen Erfolg, man vermnutet McCann in Deutschland. MI5 hatte ebensowenig zu bieten, will aber alle Möglichkeiten ausschöpfen. So muss Duffy wieder halbwegs nüchtern werden und als Bullen-Katholik bei seinen Leuten ermitteln. Klar, war der Schachzug des MI5 jemanden zu betrauen, der in der Gegend bekannt und nicht völlig unbeliebt ist, einigermaßen clever, aber Duffy arbeitet ziemlich schnell auf eigene Faust, sobald er seine Kontaktperson zum Dienst, Kate, sich selbst überlassen hat. Er klappert zuerst sämtliche Verwandten des ehemaigen Kumpels ab, wird mal erkannt, oft auch nicht und erhält erwartungsgemäß keine Informationen. Bis dann die Schwiegermutter von McCann einen Vorschlag macht: Er klärt den Tod einer ihrer Töchter auf und sie erzählt ihm den Aufenthaltsort von McCann. Also macht er sich an die Arbeit. Verzwickte Sache: Die Frau lag tot in einem Raum, der rundum perfekt abgeschlossen war. Man fand sie am Boden mit einer zerbrochenen Glühbirne in der Hand. Anscheindend wollte sie im diffusen Licht der Straßenlaterne eine kaputte Birne auswechelsn und ist dazu auf den Tisch gestiegen, gestrauchelt und hat sich beim Sturz das Genick gebrochen. Sofort hieß es Unfall, nur der Gerichtsmediziner äußerte Zweifel, aber die wurden verworfen. Duffy beginnt dennoch zu ermitteln, befragt die Personen, die die Tote zuletzt gesehen hatten, arbeitet sich durch die Unterlagen und wird dabei immer gerne vom MI5 dran erinnert, dass er jetzt gefälligst McCann zu suchen habe. Und im Irland während der Achtziger geht es auch nicht ohne Anschläge ab. Die IRA startet eine Offensive, die viele Menschen in Polizeirevieren das Leben kostet, aber Duffy kommt relativ ungeschoren davon und kann weiter an seinen indirekt zusammenhängenden Fällen ermitteln.
Wie schon in den vorigen Stories um Sean Duffy und das Irland in den 80-er Jahren, wirkt es irgendwie seltsam, in einem Land zu existieren, wo man tagtäglich der Gefahr ausgfesetzt ist, vor jedem Einsteigen in den Wagen dessen Unterboden überprüfen muss, ob da nicht eine Bombe angebracht ist. Ein Land, in dem Grenzen mitten durch Straßen (langswärts) gehen, sogar Gehöfte getrennt sind, Häuser mitten auf den neuen Grenzen stehen und die Menschen in ständiger Todesangst leben, sich aber ihren religiösen Vorurteilen und dem Hass immer wieder gerne hingeben. Junge Bengel ohne perspektive randalieren nur zu gerne und tarnen es mit dem Mäntelchen des Glaubens, der Kampfes gegen die britischen Besatzer. Und nach jenem unsäglichen Bloody Sunday 1972, als britische Soldaten auf unbewaffnete Demonstranten schossen und 14 davon töteten, ist keiner zu einem Frieden bereit. Die düstere Atmosphäre, die sich seit "Der katholische Bulle" ständig durch die bedrückenden Erlebnisse des Protaginisten zieht, wird auch hier wieder deutlich. Graue Wolken über einem zerrütteten Land, Misstrauen allerorten, und Geheimnisse, die man besser nicht lüften sollte. Dazu eine verschachtelte Story, die zum einen Teil das spannende und seit Edgar Allen Poe gerne genutzte "abgeschlossener Raum Mysterium" für einen relativ normalen, aber nichtsdestotrotz nahezu perfekten Krimirahmen benutzt und dazu einen Politthriller kreiert, wie er nur in Irland stattfinden konnte. Wer sich schon etwas mit den Zuständen im damaligen Irland befasst hat und zudem noch die ersten beiden Bücher um Sean Duffy ("Der katholische Bulle" und ""Die Sirenen von Belfast") gelesen hat, ist einem Neuleser gegenüber klar im Vorteil. Spannendes Highlight in der Krimilandschaft, die vor derartig guten Autoren ja nicht gerade wimmelt. Und ohne ein paar kleine Anspielungen auf "Dia de los Muertos" ("Tag der Toten" und erinnert selbstverständlich an Mexiko und seine Kartelle - zuvor erst gelesen in "Das Kartell" von Don Winslow oder "Tag des Zorns" von Willaim R. Forstchen in Verbindung mit der "Operation Fast and Furious"), die Princess of Wales und ihr Privatleben und auch Bezug zu den britischen Rückzügen aus den ehemaligen Kolonien ihres Weltreiches wie Indien, was in der Anmerkung von McCann zum dämlichen Ben Kingsley (spielte Gandhi kurz zuvor in dem gleichnamigen Film von Sir Richard Attenborough, der damals aber noch kein Sir war, ebensowenig wie Kingsley selbst) mündet. Ja, "Die verlorenen Schwestern" hat auch Humor zu bieten. Eher trocken und keine platten Brüller, nicht brachial. Insgesamt eine äußerst lesenwerte Lektüre, die perfekte Unterhaltung im Spannungsbereich bietet, klar, deutlich, hart und manchmal brutal. In Religionskriegen wird selten Rücksicht genommen. Und ein weiteres Abenteuer mit Sean Duffy ist zumindest für den englischsprachigen Markt schon fertiggestellt. Braucht es also nur noch zu uns zu gelangen und übersetzt zu werden.
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