Dienstag, 10. November 2015

Buchreview "Escape" D. Baldacci

David Baldacci. Noch nie ist es einem Gefangenen gelungen, aus Amerikas bestgesichertem Militärgefängnis auszubrechen. Bis jetzt. Der Flüchtling: Robert Puller, Hochverräter und nun meistgesuchter Verbrecher Amerikas. Sein Bruder John ist der beste Spezialagent der Militärpolizei – und wird auf den Fall angesetzt. Widerstrebend nimmt er die Fährte auf, noch immer kann er nicht an die Schuld seines Bruders glauben. Aber bald merkt er, dass er Robert finden muss – damit ihn nicht viel gefährlichere Gegner finden. Es macht die Sache nicht gerade leichter, dass ihm eine attraktive Agentin zugeteilt wird, die ihm helfen soll, aber offensichtlich ganz eigene Pläne verfolgt. Als sich immer dubiosere Gruppen an der landesweiten Suche nach Robert beteiligen, weiß Puller, dass nicht nur Roberts, sondern auch sein eigenes Leben auf dem Spiel steht.Quelle: Heyne.

Leavenworth. Ein schweres Gewitter zieht übers Land. Es stürmt und kracht zum Gotterbarmen. Und dann fällt der Strom im Army-Gefängnis aus. Keiner fühlt irgendeine Gefahr, denn der Notstrom springt sofort an, alles geht seinen gewohnten Gang. Bis der auch versagt. Dunkelheit senkt sich über die Gänge - und dann gehen die Türen zu den Zellen auf und die Knackis machen einen auf wild. Doch die Freiheit währt nur kurz. Ruckzuck ist ein Trupp der Army vor Ort, um für Ruhe zu sorgen. Doch zuvor fallen Schüsse, hört man eine Explosion. Als der Aufruhr beendet ist, kann sich keiner einen Reim darauf machen. Die Reihen sind durchgezählt, alle Gefangenen vollständig anwesend. Bis jemand merkt, dass in der Zelle von Robert Puller ein Toter liegt, Puller dagegen weg ist. Dies ist die Situation, die John Puller vorfindet, nachdem er direkt im Anschluss einer Gefangennahme eines flüchtigen Mörders zu Hause angerufen und zum Gefängnis beordert wurde. Da er mit dem Flüchtling verwandt ist, darf er offiziell nicht an den Ermittlungen teilnehmen, wird aber zwischen den Zeilen von zwei Generälen und einem NSA-Mann doch dazu animiert. Was ihm weniger passt, ist seine Anstandsdame, die von der Geheimdienstabteilung der Army (Inscom) kommt und ihm an die Seite gezwungen wird. Sie kommen bei den Ermittlungen kaum voran, als plötzlich einer der Offiziere, die mit Puller sprachen, tot in dessen Hotelzimmer aufgefunden wird. Glücklicherweise ist die Anstandsdame diesmal sogar nützlich, da sie Pullers Alibi ist. Doch damit nicht genug. Ein Mordanschlag auf Puller wird nur durch einen Schützen vereitelt, der einen der Angreifer tötet und dabei selbst nicht in Erscheinung tritt. Das gesamte Szenario ist derart verwinkelt und verwirrend, dass Puller niemandem mehr trauen kann. 

Wer bei "Zero Day" noch einige Ähnlichkeiten zu Jack Reacher ausmachen konnte, wird hier feststellen, dass diese fast ganz ausgemerzt wurden. Und wer "Am Limit" gelesen hat, weiß auch schon, wie dieses Buch hier ausgehen wird. Interessant ist daher nur der Weg dahin. Und der ist spannend genug, da David Baldacci hier eine Verschwörung allererster Güte aufbaut, in die jeder verwickelt sein kann. In "Escape" lässt der Autor seine Protagonisten zumeist ermitteln, der Leser soll ihren Gedankengängen folgen und wird nicht mit Actionsequenzen überhäuft. Doch was in einem etwas weniger Seiten umfassenden Buch eine durchaus gute Variante des Erzähltempos gewesen wäre, sorgt bei 600 Seiten leider hin und wieder für gebremsten Schaum in dieser Atmosphäre dauernder Bedrohung durch wen auch immer. Denn eines versteht David Baldacci hier meisterhaft: Die eigentlichen Beweggründe für das Geschehen ebenso im Hintergrund zu halten, wie die Drahtzieher. Was mir aber gegen Ende dann doch etwas übertrieben schien, waren die vielen Haken, die geschlagen wurden, bis man endlich nicht nur den Übeltäter entlarven konnte, sondern auch wusste, wem man vertraut und wem nicht. Das war dann manchmal zuviel des Guten. Eingebettet in die Story noch eine kleine Liebesgeschichte unter Kollegen verschiedener Waffengattungen, ein ständig pennender Kater als Pullers Haustier, hin und wieder etwas schmallippiger Humor und viele Armykürzel und Patrioten. Heißt es doch, dass die Pullers schon unter George Washington Generationen zurück für ihr Land kämpften. Jaja, diese uramerikanischen Helden ohne Furcht und Tadel. Man könnte es aber auch so sehen, dass die Pullers eben keine Patrioten waren, da sie dereinst nicht für ihr Land sondern gegen ihren König kämpften. Heute werden sie als Freiheitskämpfer gefeiert, aber wenn man sich die jüngere Vergangenheit der USA anschaut, dann sieht man, dass Freiheitskämpfer für die Amerikaner Terroristen sind (ausser sie kämpfen für amerikanische Werte(-losigkeit)). Nach dieser Lesart wären die Leute unter Washington also auch nix anderes. Abgesehen davon ist das Buch eine recht ordentliche Thrillerlektüre mit ein paar kleinen Längen, vielleicht auch kleinen Mängeln, aber dennoch ein ganz guter Einkauf. Da ist entschieden schlechteres auf dem Markt.

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