Sonntag, 28. November 2010

Buchreview "Golem"

Matthew Delaney. Du glaubst, dein Leben wäre normal. Du glaubst, du könntest deiner Familie trauen. Du glaubst, der Tod sei die schlimmste Strafe auf Erden. Du irrst Dich. Jemand, der dir sehr nahe steht, wird dein Leben zerstören. Er wird deine Identität auslöschen. Er wird all jenen Leid zufügen, die du liebst . Und er wird dir ein Geheimnis verraten, das deine gesamte Existenz infrage stellt: Was wäre, wenn du überhaupt kein Mensch bist?
Eine Feier bei einem gutsituierten Firmenboss in der schönen, nur für wenige heilen Welt im Jahr 2049. Ein Ehepaar undein Bodyguard werden auf grausamste Weise ermordet, ja in Einzelteile zerlegt. Szenenwechsel zur Firma Genome, Inc. Vater Saxton führt die Geschäfte, sein leiblicher Sohn Phillip und sein Stiefsohn Thomas Roosevelt arbeiten in gehobenen Postionen für ihn. Durch Entschlüsselung des Gen-Codes sind fast alle krankheitenwie AIDS oder Krebs heilbar, doch die Mittel werden wie früher Aktien an einer Börse gehandelt. Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten hat daher nur noch, wer sich das auch leisten kann. Die Brüder stehen in direkter Konkurrenz zueinander, doch nur einer kann die Firma nach dem Rückzug des Vaters leiten. Hinzu kommt, dass genetisch erzeugte, aber menschliche Wesen, Transkrpitoren genannt, mit Anschlägen und Aufständen drohen. sie wurden nur dazu geschaffen, den Menschen als Sklaven, Soldaten oder Gladiatoren zu dienen. Ihnen wurden per Gericht jegliche Menschenrechte abgesprochen, sie sind nur Werkzeuge. Zwar menschlich, aber austauschbar, wertlos. Jeder, dem gerade danach ist, kann einen Transkriptoren töten, ohne Strafe fürchten zu müssen. Wird eben ein neuer geschaffen. Dies führt auch dazu, dass sportliche Wettkämpfe jetzt nicht mehr Fußball oder Baseball heißen, jetzt sind es Schlachten. Sie werden genau wie die früheren Sportereignisse in Ligen ausgetragen und über eine Saison "gespielt". Der Unterschied ist nur, dass jetzt Kämpfe aus der Vergangenheit nachgestellt werden wie z.B. Bürgerkriegsschlachten bei Antietam oder Gettysburg - und zwar mit echten Waffen und Transkriptoren, die um ihre Leben kämpfen. Und die Trainer müssen taktisch vorgehen, ihre Truppen umsichtig einsetzen, da sie nur eine bestimmte Anzahl Fighter für die gesamte Saison haben. Und während der Vater seine Entscheidung bekannt gibt, wer denn nun die Firma künftig hauptverantwortlich leiten soll, die Massen bei den Schlachten nach Blut schreien, stellt Phillip seinem Bruder eine miese Falle. Und ehe er sich's versieht, muss er sich gnadenloser Angriffe erwehren und sein Leben verteidigen. Er wird gefangen gesetzt. Doch es kommen noch weitere Überraschungen auf ihn zu. Er wird befreit, traut den Rebellen aber nicht und verzupft sich schnell aus den Händen seiner Helfer. Prompt gerät er wieder in die Fänge der Mächtigen. Und diesmal schaffen sie ihn zu den Gladiatoren. Er wird im Kampf ausgebildet, findet neue Freunde und eine Aufgabe, die am Ende sein Schicksal wird: Herauszufinden, wer er wirklich ist. Eine düstere Zukunftschronik um Rache, Schuld und Sühne folgt nun, gepaart mit Sozialkritik an Gier, Egoismus, Unterdrückung und Größenwahn.
Eine Kapitelüberschrift von Delaney lautet "Gier ist gut" als wolle er die marktschreierische, ähnlich lautende Werbung diverser Handelsketten als das entlarven, was sie wirklich ist. Nach dem einleitenden Kapitel mit den Morden folgt die Vorstellung der einzelnen Charaktere, die sich durch eine klare Trennung von Gut und Böse hervortut. Zwischentöne gibt es nicht. Die Brüder können unterschiedlicher nicht sein. Der sozial eingestellte Thomas ist das genaue Gegenteil des koksenden, intrigierenden Profitgeiers Phillip, der sich als menschenverachtender Kapitalist übelster Sorte erweist. An seinem Beispiel nimmt Delaney den Gewinnmaximierungswahn der Broker und Firmen aufs Korn, die ihre lebensrettenden Medikamente - Samps genannt - nur zu überteuerten Preisen an die Reichen abgeben. Spekulanten unter den noch existierenden Pharma-Firmen, die noch mit herkömmlicher Medizin arbeiten, halten künstlich den Preis für die Samps hoch, um ihre billigen, wirkungslosen Mittel unter der armen Bevölkerung zu verhökern, die sich die so überhöhten Preise für die heilungsfähigen Samps nicht leisten können. Was sind schon ein paar tausend Menschenleben gegen Profite? Ganz nebenbei bekommt auch die Gesellschaft ihr Fett weg, die der Versklavung und Ausbeutung vermeintlich minderwertiger Geschöpfe oder einfach Andersartiger beschuldigt wird, die sich mit Blut und Spielen ruhig stellen lässt. Irgendwie hat mich das Gesamtkonstrukt an Auszüge aus einigen Büchern von Richard Morgan erinnert, nur dass die Sprache nicht so drastisch ist, die Aktionen nicht so brutal. Bis die Story denn so richtig Fahrt aufnimmt, dauert auch bis zum Ende des ersten Buchdrittels. Vielleicht waren meine Erwartungen nach dem sehr starken "Dämon" einfach zu hoch, aber richtig begeistern konnte mich "Golem" nicht. Zu viele Sequenzen kamen mir bekannt vor, wie Versatzstücke aus schon gesehenene Filmen oder gelesenen Büchern. Wirklich neu war da nichts. Der Handlungsstrang mit der unerfüllbaren Liebe zwischen einem Menschen und der Anführerin der Transkriptoren war auch zu flach aufgetragen und schlicht. Alles einfach zu konventionell und lasch. Immer verglichen mit seinem Erstling. Wer "Golem" als erstes Buch von Matthew Delaney liest, wird vielleicht zufriedener sein als ich. Von mir gibt es nur ein gutes Mittelmaß. Hatte mir mehr erhofft.

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