Freitag, 3. Dezember 2010
Buchreview "Tage der Toten"
Don Winslow. Mit vollem Risiko ist der US-Drogenfahnder Art Keller in die Strukturen der mexikanischen Drogenmafia eingedrungen - mit so viel Erfolg, dass die Drogendepots reihenweise auffliegen und die Kartellbosse die Jagd auf ihn eröffnen.
Es beginnt im Jahr 1975 mit der Operation Condor. Art Keller vernichtet im Auftrag der US-Regierung gemeinsam mit mexikanischen Behörden Drogenanbaufelder im Land. Unterstützt wird er dabei von Tio Barrera, dessen Vertrauen er sich über Adan Barrera und dessen Bruder Raul erschlichen hat. Besonderes Augenmerk der US-Staatsmacht liegt dabei auf dem Boss Don Pedro, den sie unbedingt dingfest gemacht haben will. Er wird von Tios Leuten gestellt und dann heißt es "Ley del Fuego" - auf der Flucht erschossen, wie es offiziell heißt. Eigentlich war es eine Hinrichtung. Für die Amis ist der Fall nun erledigt. Nach ihrer Sprachregelung gibt es nun keine Drogen mehr im Nachbarstaat. Szenenwechsel ins Jahr 1977 und den Hexenkessel New York. Hell's Kitchen ist die Ecke, in der sich die Iren und Italiener die Macht teilen und ihre mafiösen Strukturen aufbauen. Mittendrin der junge Callen mit seinem Kumpel O'Bop. Und die legen sich mit beiden Seiten an. Ein kleines Buch verschafft ihnen aber die Macht über diverse dunkle Gestalten und sie lassen den irischen Boss durch einen italienischen Killer beseitigen. Jetzt haben sie den in der Hand und er führt sie in seine Gang ein, sein Capo bestätigt die beiden Jungs als Mitgleider seiner Familie. Bedingung - keine Drogengeschäfte. Doch gerade ihr Mitspieler auf italienischer Seite - Jimmy Peaches - will gegen diese Order verstoßen. Der Drogenfluss nach New York beginnt. Später im Jahr 1984 hat sichdie Haltung der USA gegenüber Mexiko noch nicht geändert. Man behauptet weiterhin, dass in diesem Land keine Drogen mehr wären. Art Keller weiß, dass das ein Scheiß wert ist. Er ermittelt weiter und muss denn auch bald feststellen, dass er vor Jahren von Tio Barrera ordentlich geleimt wurde. Der hat ihn nämlich dazu benutzt, die Konkurrenz auszuschalten und das Gebiet unter seinen Leuten neu aufzuteilen. Auch wenn er selbst nicht attackiert wird, nimmt man sich einen seiner Leute vor und dieser überlebt die Aktion nicht. Jetzt will Keller auch noch Rache. Um jeden Preis. Obwohl er Belege hat, dass die Mexikaner für die Kolumbianer den Transport der Drogen in die USA übernehmen und dafür Prozente kassieren, wird er von seinen Vorgesetzten ausgebremst. Mexiko IST drogenfrei, sagt man ihm. Hintergrund: der Handel wird von den Amis nicht nur geduldet, sondern auch noch finanziert, um über den gleichen Weg, nur in die andere Richtung, Waffen geheim für den Kampf gegen die Kommunisten in Mittelamerika zu liefern, die anfangen sich dort breit zu machen. Die CIA sitzt in El Salvador (Der Erlöser) und nimmt von hier aus mit Hilfe von Rebellen das von kommunistischen Handlangern durchsetzte Nicaragua aufs Korn. Man hat die große Befürchtung, dass sich die Seuche des Kommunismus bis an die Grenzen der USA - also Mexiko - ausbreitet. Kommies direkt an den Landesgrenzen, das darf nicht sein. Kuba ist schon schlimm genug. Und in den Urwäldern Südamerikas lässt die USA Truppen ausbilden, die im Guerillakampf gegen die Kommunisten und sonstige unliebsame Zeitgenossen vorgehen sollen. Leiter dieser Aktion ist Sal Scachi, ein Bekannter von Keller aus dem Vietnamkrieg und ein Angehöriger der New Yorker Cosa Nostra. Dieser bringt den Iren Callen mit ins Land, um dort zu kämpfen und Attentate auszuführen. Irgendwann werden sich ihre Wege kreuzen.
Wer anhand des Titels einen Horrorroman erwartet hat, wird enttäuscht sein, aber jeder, der sich auf einen absolut gelungenen Thriller eingestellt hat, wird höchst erfreut sein. Don Winslow hat ja mit "Frankie Machine" schon ein Klassebuch abgeliefert und auch mit der Vorlage zu dem Film "Kill Bobby Z." (Originaltitel "The Death and life of Bobby Z.") mit Paul Walker sein Können unter Beweis gestellt. Hier lässt er seine Protagonisten, die samt und sonders weit jenseits des Begriffes "Gutmenschen" oder strahlende Helden sind, durch extreme (US-)politische Widerwärtigkeiten und diverse Länder Mittel- und Südamerikas reisen, um offiziell den Drogenhandel zu unterbinden, aber auch Todesschwadronen auszubilden. Das Buch ist kein banaler Actionreißer, sondern orientiert sich an tatsächlichen Begebenheiten, die auch überall nachzulesen sind, so man sich die Mühe macht, etwas zu recherchieren. Drum herum hat er einen Roman mit fiktiver Handlung und fiktiven Figuren verfasst. Er hat die Iran-Contra-Affäre mit eingeflochten und auf weitere belegte, nie bestrafte kriminelle Machenschaften und Menschenrechtsverletzungen der USA in den damaligen Zeiten (ist ja heute kaum anders) verwiesen. Schörkellose Handlung und blendende Rhetorik machen den Roman - und mehr ist es trotz aller eingebauten Tatsachen nicht - um die Verwicklungen der CIA, DEA und Mafia in den Drogenhandel aus Kolumbien über Mexiko und die Schicksale des irischen Mobsters Callen, des Vietnamveteranen Art Keller und des mexikanischen Drogenbosses Tio Barrera zu einem absoluten Genuss. Gegenüber "Frankie Machine" hat sich Winslow noch einmal gesteigert (und daran werde ich ihn sicher messen bei den nächsten Romanen, die ich noch vorliegen habe) und bietet auf knapp 700 Seiten beste Thrillerunterhaltung sowie einen weiteren Abgesang auf Amerikas Anspruch eine heile Nation zu sein, welche die Demokratie und ihre Menschen in Ehren hält. Das Buch "Tage der Toten" ist ein echter Hochkaräter. Eigentlich ein Pflichtkauf.
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