Montag, 16. April 2012

Buchreview "Die Sprache des Feuers"

Don Winslow. Russische Erpresser und abtrünnige KGB-Agenten, Antiquitätenhändler und Versicherungsbetrüger, vietnamesische Gangs und abgelegte Liebschaften - Jack Wade verstrickt sich in einem Dickicht aus Verschwörung, Korruption und Betrug, so sehr, dass er am Ende beschließt, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.

Hausbrand in einer Villa. Eine Tote aus gutem Hause und mit reichem Gatten. Der Hauskläffer im Handtaschenformat überlebt, weil er im Garten war, die Kinder, weil sie beim getrennt lebenden Ehemann gewesen sind. Eine Tischlerei brennt samt Inhaber ab. Zwei Vietnamesen mit einer undurchsichtigen Lieferung werden vom Empfänger abgeknallt und dann heiß entsorgt. Das alles passiert, bevor Jack Wade überhaupt aus dem Bett kriecht. Er wird von seinem Arbeitgeber, California Fire and Life, zum Brand der Villa geschickt und vermutet erst einmal schlampige Arbeit des Polizisten vor Ort, den er aus seiner früheren Beschäftigung bei den Hütern des Gesetzes nur zu gut kennt. Er macht seine Bestandsaufnahme und begibt sich zum wenig trauernden Ehemann, der sich mehr für die Versicherungssumme interessiert als für seine mehr als nur gut durchgebratene Ehefrau. Schon während der Befragung wird ihm der jüdische Russe nicht nur äußerst unsympathisch sondern direkt suspekt. Aber er hat noch keine Beweise, wie er die Zahlung verhindern kann. Doch dafür ist er ja Ermittler der Versicherung. Und tatsächlich findet er bald erste Belege dafür, dass etwas faul ist an der Geschichte und Mord mit Brandstiftung hier überzeugender klingt als nur ein simpler Unfall. Währenddessen muss seine Ex-Geliebte, die bei den Cops ihren Lebensunterhalt verdient, sich mit dem Fall der beiden Vietnamesen rumschlagen, die bis dato noch als verschollen gelten. Und stößt in der Gemeinde der Vermissten wie gewohnt auf allgemeines Schweigen. Nebenbei entwickelt sich ein geplanter Versicherungsbetrug zu einem wahrhaft brenzligen Fiasko, das acht Tote Mexikaner fordert. Und Jack stößt bei seinen Ermittlungen immer tiefer in die Auswirkungen der Immobilienkrise (Ja, die gab es auch damals schon und ist keine Erfindung des neuen Jahrtausends. Nur haben sich die kalifornischen Amerikaner mit Feuer saniert und ein Erdbeben hat ja dann auch noch gütlich mitgeholfen und einen Krieg im eigenen Land konnten sie denn doch nicht anzetteln, um died Wirtschaft anzukurbeln. Für das konnte man aber keinen Schuldigen ausmachen. Jedenfalls mussten die Versicherungen zahlen statt bloß zu kassieren und der Wiederaufbau hat neuen Schwung in die Wirtschaft gebracht.), Vericherungsbetrug inklusive sowie mafiöse Vereinigungen aus Russland und Vietnam. Und der arme gebeutelte Nicky Vale muss nicht nur den Tod seiner Gattin verkraften, sondern sich mit alten Freunden, alten Feinden und neuen "Freunden" rumschlagen. Dass dazu eine Gruppe Armenier gehört, ist nicht gerade von Vorteil, wie jeder weiß, der sich die Serie "The Shield" angeschaut hat. Dann kommt noch das FBI ins Spiel und Jack Wade erlebt sein blaues Wunder. Je weiter er die Strukturen offenlegt, die Fäden zusammenführt, umso größer ist die Gefahr für sein Leben. Und er weiß wirklich nicht immer, woher die Gefahr gerade kommt.

"Die Sprache des Feuers" ist kein neuer Roman von Don Winslow, sondern schon 1999 verfasst, aber erst jetzt hierzulande unters Volk gebracht. Laut dem veröffentlichenden Verlag Suhrkamp werden noch weitere, frühere Werke des Autors folgen, was durchaus in meinem Sinne ist und die sicher von mir erworben werden. Zudem ist gerade ein Prequel zu "Savages" ("Zeit des Zorns") mit dem Titel "Kings of cool" in der Mache. Der hier besprochene "Die Sprache des Feuers" ist nicht ganz so auf minimalistische Sätze und Dialoge ausgelegt wie die neueren Werke Winslows. Trotzdem ist sein Stil unverkennbar und auch einige Spritzer seines trockenen Humors sind schon vorhanden. Natürlich beschreibt der gebürtige New Yorker gewohnt sicher das kalifornische Lebensgefühl des unabhängigen Lebens, bei dem weniger auf Bildung und Sicherheit Wert gelegt wird, denn auf Sonne, Strand, Spaß, Surfen, Wellen und fast grenzenlose Freiheit. Und es gibt einen längeren, außerordentlich informativen Vortrag über die Arbeit der Versicherungen und die Eigenschaften des Feuers sowie über Brandherd und Brandursache (derart realistisch, dass ich sehr geneigt war, meine gesamte Elektroinstallation mal überprüfen zu lassen). Hier bekommt das Buch dann aber aufgrund der Detailgetreue und Akribie die eine oder andere Länge, die aber später wieder wettgemacht werden. Ganz sicher, das Tempo wird wieder ordentlich anziehen. In Rückblenden wird der Protagonist als scheuer Surfertyp, der in seinem Polizistenleben zwar Fehler gemacht hatte, aber auch reingelegt wurde, charakterisiert. Seitdem geht er treu seinem Job bei der Versicherung nach, erweist sich als clever und durchaus mitfühlend, aber konsequent den Klienten gegenüber, die möglicherweise seinen Arbeitgeber um einige Dollars erleichtern wollen. Und im letzten Drittel wird dann richtig aufgeräumt. Zudem wird der Spannungsanteil durch einige nicht ganz erwartete Wendungen erhöht und das Versicherungsgewerbe bekommt dann auch sein Fett weg. Eigentlich kommt keiner ungeschoren davon, jeder hat letzten Endes ein Päckchen zu tragen. Auch der Protagonist muss sich den Gesetzen seines Handelns beugen. So ist "Die Sprache des Feuers" kein epochales Meisterwerk (Jaja, ich weiß, ich überteibe da etwas.) wie "Tage der Toten", aber immer noch ein spannender Thriller weit über dem Durchschnitt anderer Veröffentlichungen. Für gelungene Lesestunden taugt es allemal. Nur sollte der Verlag vielleicht etwas mehr Sorgfalt an den Tag legen. Eine der Figuren heißt mal Tillinan, dann wieder Tillanin. Kein großes Drama, aber nervig. Sonst gibt es nix zu meckern.

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