Sonntag, 14. Juni 2015

Buchreview "Shaft und das Drogenkartell" E. Tidyman

Ernest Tidyman. In seinem ersten Fall begibt sich Shaft auf die suche nach der verschwundenen Tochter eines Gangsterbosses. Ist sie untergetaucht oder haben Entführer die Hände im Spiel? Ein Machtkampf in der Unterwelt entbrennt. Zwischen Dorgenhandel, Rassenkonflikt und Revierkämpfen der Mafia gerät Shaft immer tiefer in einen gefährlichen Strudel.

Als Shaft am frühen Morgen aus dem Bett einer Schnepfe sich zu Fuss Richtung eigenes Büro aufmacht, spürt er ein gewisses Kribbeln im Genick. Wird er verfolgt? Er geht weiter zu einem Cafe und wartet dort. Bald er fährt er über einen Informanten, dass Typen nach ihm gefragt haben.  Keiner weiß, was das Figuren sind, aber so wie die auftraten wohl keine Bullen. Das Spielchen geht also weiter und als Shaft zu dem Gebäude kommt, in dem er sein Büro hat, bemerkt er schnell die beiden Dilettanten, die ihm auflauern. Ratzfatz hat er beide Kerle überwältigt und schleift sie an den Haaren in sein Büro. Während einer noch groggy ist, klimpert der andere schon mit den Augendeckeln. Also wird der zuerst befragt. Antworten gibt es keine. Da muss man als Detektiv dann schon mal zu besonderen Maßnahmen greifen und wirft den Bewusstlosen halt mal aus dem Fenster im zwanzigsten Stockwerk. Funktioniert - die Antworten kommen zügig. Später wird Shaft Lieutenant Anderozzi doch noch überrascht - es waren auch Bullen, die nach ihm gesucht haben. Aber nur, weil die herausbekamen, dass jemand nach Shaft sucht und nun wissen wollen, was los ist. Erfahren sie von ihm natürlich nicht. Dafür schafft es der Boss der beiden Trottel aus seinem Büro endlich über seinen breiten Schatten zu springen und selbst ins Büro des Detektivs zu kommen. Shaft soll dessen Tochter suchen, die, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Daddy ein Gangster ist, mal so richtig auf Tour ging, um es ihm zu zeigen, dass sie ebenso daneben sein kann wie er. Und das trieb sie vier Jahre lang. Dann ist sie einfach verschwunden. Shaft fragt sich durch die Kette an Verdächtigen, findet den militanten Aktivisten Ben Buford und seine Truppe und fragt sich, ob der mit der Sache zu tun hat. Doch lange dauert die Unterhaltung nicht, denn sie werden angegriffen und einige von Bufords Männern überleben die Sache nicht. Shaft kann den Typen aber retten und schleift ihn zu seinem Auftraggeber. Gangsterboss und Aktivist kommen nicht gerade gut miteinander aus, sehen aber die Notwendigkeit, in diesem Fall zusammenzustehen. Kurze Zeit später meldet sich einer der Entführer und will sich mit Shaft treffen, um die Bedingungen für die Rückgabe der Kleinen auszuhandeln. Leider funktioniert das so überhaupt nicht und die ganze Angelegenheit stellt sich als verzwickter dar als erwartet.

"Shaft" aus dem Jahre 1970 atmet noch die Atmosphäre der damaligen Zeit. Das Lebensgefühl mit all seinen Vorteilen und Nachteilen. Der Times Square ist noch versifft, aber nicht dem großen Geld des Kommerz preisgegeben. Political Correctness mit ihren hohlen Worthülsen noch weit entfernt, man sagt noch, was man denkt. Vietnam, Rassenunruhen und Misstrauen beherrschen noch das Denken der Menschen. Und in diesem heimeligen Ambiente ermittelt der schwarze Detektiv John Shaft, der es durch seinen Einsatz in Vietnam und seine eigene unrühmliche Vergangenheit als Pflegekind und Kleinganove dann doch zu einem respektablen Kerl geschafft hat. Shaft ist ein Frauenverwerter und knallharter Hund. Babes können ihm nicht widerstehen und Typen, die ihm quer kommen, macht er platt. Er steht im Rassenkonflikt auf keiner Seite - Shaft jagt nur die Bösen, egal ob schwarz oder weiß. In der Wahl seiner Mittel ist er nicht zimperlich, wie der Flug durchs Fenster oder der Headshot für einen Mafiso beweisen. Ernest Tidyman hat als weißer Schriftsteller die (kurzlebige) Blaxpoitation-Welle ausgelöst, die mit dem Film "Shaft" 1971 begann und 1975 nach rund 200 schon wieder (bis auf wenige spätere Ausnahmen) zu Ende war. Melvin van Peebles wollte diesen Ruhm zwar durch eigene Theorien für sich beanspruchen, wurde aber widerlegt. Zudem hat er mit seiner Kritik gewartet, bis der Schriftsteller im Jahr 1986 verstorben war. Nicht die nette Art. Ein Remake des Films mit Samuel L. Jackson aus dem Jahre 2000 scheiterte meines Erachtens auch daran, dass sich die Zeiten (nicht unbedingt immer zum Besseren) gewandelt haben und der Darsteller auch nie an die Klasse eines Richard Roundtree, der hier einen Kurzauftritt hatte, herankam.  Die vorliegende Ausgabe ist eine ungekürzte Neuübersetzung (wie auch die folgendenweiteren sechs Romane) und nicht glattgebügelt durch eine Zensur (heute auch Political Correctness genannt), die glaubt, am Besten zu wissen, was für das Volk und den Konsumenten gut ist (haben schon andere gemacht und sich damit den Weg zur Diktatur geebnet), sodass auch die "Feinheiten" von Tidymans Stil so richtig zum Tragen kommen. Perlen wie "Sein Körper wurde von Kugeln nur so perforiert, dass es aussah wie ein Unfall im Papierwerk" sind da kein Einzelfall. Sein "Shaft" ist eine Art schwarzer James Bond, der noch völlig frei von solch hehren Idealen wie Feminismus oder sonstigen "Errungenschaften" der heutigen Gesellschaft ist. Frauen fürs Bett, Kugeln für die Typen, coole Machosprüche und harte Auseinandersetzungen prägen das Bild des Detektivs in den Romanen von Ernest Tidyman. Sein Protagonist ist nicht ohne Fehler, pflegt seine Vorurteile, steht aber auch zu ihnen. Ein kompromissloser, kalter Hundesohn, mit einer großen Portion (un-)gesunder Härte und durchs Leben geprägte Aggressivität. Trotz einer relativ kleinen Durststrecke, die sich mittig einschleicht, ein flotter, gut zu lesender Thriller aus einer anderen Zeit, der ordentlich Drive hat und perfekt unterhält.Knallharte Testosteronlektüre mit trockenem Humor. Hardboiled Black.

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