Dienstag, 21. Juli 2015

Buchreview "Letzte Schicht" D. Manotti

Dominique Manotti. Ein Städtchen in Lothringen, ein Tal voller stillgelegter Eisenhütten. Hier arbeitet Rolande Lepetit am Fließband einer Daewoo-Fabrik, die sich mit EU-Zuschüssen knapp über Wasser hält. Doch die Unfälle häufen sich, die Stimmung ist explosiv. Nach einem weiteren Zwischenfall geht die Belegschaft auf die Barrikaden. Plötzlich steht das Werk in Flammen. In Paris wird über die Privatisierung des Elektronik- und Rüstungskonzerns Thomson entschieden. Als Matra-Daewoo grünes Licht für die Übernahme erhält, holt die Konkurrenz zum Gegenschlag aus. Ein Krisenstab soll kompromittierendes Material ausgraben, die jüngsten Ereignisse in der Daewoo-Fabrik könnten sich eignen. Also schickt man Charles Montoya nach Lothringen, einen Privatdetektiv, der mit allen Wassern gewaschen ist.

In einer kleinen Fabrik in Lothringen arbeiten zumeist ungelernte Arbeiter, oft arabischer Herkunft, in einer Fabrikhalle, die schlecht gesichert ist. Unfälle gehören zum Tagesprogramm, werden üblicherweise einfach abgehakt und übergangen - selbst Todesfälle. So wollen es die koreanischen Besitzer, die jene Franzosen für sich in den Vorstandsetagen für sich arbeiten lassen, die ihnen den Weg nach Frankreich bereitet haben, damit man dort Gelder in Form von Subventionen abschöpfen kann. Logisch, dass auch die immer schön wegschauen. Doch irgendwann hat die gebeutelte Belegschaft mal die Faxen dicke und ruft einen Streik aus. Während der Großteil der Arbeiter den LKW den Weg nach drinnen versperrt und auch nicht zulässt, dass etwas nach draußen kommt, entdecken eher zufällig Kollegen auf einem PC, dass hier Gelder verschoben wurden. Betrug im großen Stil. Und dann brennt es. Die Firma fackelt it den Beweisen ab. Zeugen werden beseitigt oder geraten in Lebensgefahr. Und alle, die damit zu tun haben, gegen die Firma zu ermitteln, handeln im Sinne der Eigentümer. Das hat seinen Grund: in Paris wird gerade an einer Privatisierung des Medien- und Rüstungskonzerns Thomson gearbeitet. Bieter sind Alcatel und Matra-Daewoo. Jene Koreaner, die in Lothringen die marode Firma auf Kosten der Gesundheit ihrer Arbeiter betreiben. Die Politik gibt Matra-Daewoo den Zuschlag, was sich Alcatel nicht so einfach bieten lassen will und zum Gegenschlag ausholt. Sie schicken den Detektiv Montoya in die Region, wo er früher zu Hause war, um Dreck aufzustöbern, den man gegen die Koreaner verwenden kann. Bevor er tatsächlich auf verwertbare Beweise stoßen kann, muss er sich einer Keilerei in einer Bar stellen. Und die geht währenddessen in die Luft. Er kann verletzt aus den Trümmern geborgen werden yund gibt jetzt erst recht nicht auf.

Kapitalistische Wirtschaftspraxis. Amerikanische Heuschrecken haben diese "Werte" weltweit verbreitet und man darf sich nicht wundern, wenn sich nun asiatische oder europäische Gierhälse den Schlund auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung stopfen. "Letzte Schicht" ist Fiktion aufgebaut auf der Realität des Privatisierungsprozesses der Firma Thomson durch die französische Regierung, der letzten Endes gestoppt werden musste. Die Story bietet Liebe und Tod, Explosionen und Gewalt, Lug und Trug und eine klare Kritik an den Machenschaften zwischen Politik und Wirtschaft. Wie eng die verknüpft sein können, hat man in Deutschland, Italien, Griechenland, USA und etlichen anderen Nationen über Dekaden hinweg verfolgen können. Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit allerorten. All die lokalen, regionalen, nationalen und EU-weiten Subventionen, die dann doch in die Taschen von gierigen Managern fließen, die hier im Roman eindeutig eine negative Charakterisierung erfahren. Ebenso ergeht es den Politikern. Glaubwürdig? Ja. Erlebt man ja ständig. Auf der einen Seite Lohndumping und Ausbeutung in riesigem Umfang und auf der anderen Seite Steuergeschenke und Zuschüsse. Moral und Fairness gehen verloren (falls die überhaupt einer kennt), Söldner und zwielichtige Detektive übernehmen für die miesen Bosse die Drecksarbeit in "Letzte Schicht". Packend, realistisch, halbdokumentarisch und ein weiteres Beispiel wie Konzerne und geschmierte Politiker oder Lobbyisten ihre Mauscheleien auf Kosten der Existenzen in der Fabrikation (Oder anderswo - je nach Firma). Dies könnte das Buch eines Wutbürgers sein, der von dem ganzen Gemauschel, den Umstrukturierungen auf Kosten von Arbeitsdplätzen, den schlecht bezahlten Vollzeitjobs als Gegenpart zu üppigsten Managergehältern, die ihre Verantwortung dann wieder den Mitarbeitern zuschieben, wenn es an Sparmaßnahmen geht, die durch Missmanagement ausgelöst wurden. Ziemlich klischeebefreite Kunst wird da von Dominique Manotti geboten - und dazu ein gesellschaftskritisches Plädoyer für mehr Gerechtigkeit (das in den Vorstandsetagen und politischen Parteien sicher ungehört verhallen wird). Doch der Zug ist längst abgefahren. Die Welt wird mittlerweile doch schon von den Konzernen geführt - unter amerikanischem Diktat. Manipulation allerorten. Und ihr neustes Buch handelt vom liebsten Kind des Sports - dem miesen Geschäft mit dem Fußball. Werde ich mir sicher demnächst zulegen.

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