Dienstag, 4. April 2017

Buchreview "Libreville" J. Otsiemi

Janis Otsiemi: Ein Jahr vor den Wahlen wird Roger Missang, Journalist der Èchos du sud, am Strand von Libreville nahe dem Palast des Präsidenten der Republik mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden. Mit den Ermittlungen im Mordfall werden Herve Louis Boukinda und Pierre Koumba Owoula beauftragt, zwei Polizisten, die ohne die DNA-Analyse und Forensik auskommen müssen. 

Libreville, Hauptstadt des Gabun, im Jahr 2008. Zwei Typen werfen ein schweres Paket irgendwo in der Nähe der Stadt ins Wasser. Unterdessen sind die Polizisten damit beschäftigt, ihren Boss damit zu besänftigen, dass sie Fälle aufklären. Da wäre der Selbstmord von zwei Mädchen. Sie stellen fest, dass von beiden Teenies Nacktvideos ins Internet gestellt wurden und beginnen ihre Ermittlungen. Ein anderer ist Fahrerflucht nach einem tödlichen Unfall. Dann wird am Strand eine Leiche gefunden, schon ausgebleicht, aufgedunsen und die Kehle durchgeschnitten. Eine Identifizierung ist schwierig unter diesen Umständen, aber es gelingt dann doch. Es ist ein Journalist, der dafür bekannt war, dass er kritisch Artikel über Gabuns Regierung und auch das Wirtschaftsgebaren geschrieben hat. Zu Zeiten des Ölbooms ist viel Geld ins Land geflossen, das aber nie bei der Bevölkerung ankam. Zudem ging er auch dem Verdacht nach, dass die Korruption weitere Kreise ziehen würde als bisher angenommen. 

"Libreville" ist  mehr als ein "gewöhnlicher" Kriminalfall um die Ermordung eines Journalisten. Es ist vielmehr ein Blick in die Geschichte Gabuns seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960. Die Möglichkeit des Wohlstandes für alle wurde verschenkt, indem man wirtschaftliche Gewinne lieber auf die Taschen von Wenigen verteilte (Geschieht heutzutage ja auch in den reichen Ländern wie USA oder den Europäern, nur wird es da geschickter kaschiert), statt sie in die Infratruktur zu investieren, die Bildung zu verbessern oder der überbordenden Kriminalität mit modernen Mitteln und genug Personal Herr zu werden (wieder eine Parallele zu mindestens einem europäischen Land, das vorgibt, eine Demokratie zu sein). Nur wird hier nicht von nötigen Sparmaßnahmen geheuchelt, um die Zahl der Ermittlungsbehördenmitarbeiter zu verringern. Das Geld versickerte einfach und tut es jetzt noch. Das fördert Korruption und nötigt die Polizisten nahezu, ihr mageres Gehalt auf diese Weise aufzubessern. Und im Buch scheint sich jeder damit schon abgefunden zu haben, keine Proteste, wenn mal wieder ein Beamter sich mit einem erfundenen Vergehen Geld besorgen will. Aber die Männer haben auch die üblichen Probleme, die man halt so hat. Eifersüchtige Gattinnen, die eine oder andere Geliebte und uneheliche Kinder, die es zu versorgen gilt. Und in all dem Trubel machen sie auch unter widrigsten Umständen ihre Arbeit, ermitteln und klären Fälle. Ein fröhliches Buch, ein Spaßmacher ist dieser Thriller aus Afrika nicht. Irgendwie deutet man sich schon seinen Sympathieträger heraus, aber im Prinzip sind sie alle Gauner, wobei die Politiker wie selbstverständlich den größten Anteil einsacken. Doch den meisten Raum nimmt in dem Buch die Beschreibung eines afrikanischen Landes ein, das eine Hauptstadt hat, die hinter einer Fassade des Glanzes doch nur ein völlig überbevölkerter Slum ist, in dem die Menschen sich nur durch viele kleinere kriminelle Machenschaften ernähren können, in dem Straßen nur ein kaputter Feldweg sind, Bauten einsturzgefährdet und die Staatsmänner Vetternwirtschaft betreiben. Ein Glossar sowie ein Interview mit dem Autor runden diese Story ab und zeigen, wie sich Gabun von Frankreich abgrenzt und welchen mit täglichen Hindernissen sich die Bevölkerung auseinandersetzen muss.

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