Jean-Patrick Manchette. Mit der Miete für sein armseliges Pariser Appartement im Rückstand und
keine Aufträge in Aussicht beschließt Eugène Tarpon, Privatdetektiv und
ehemaliger Gendarm, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, als er mitten
in der Nacht aus seinem alkoholisierten Schlaf gerissen wird. Eine
hübsche junge Frau bittet um Hilfe, da ihre Zimmergenossin, ein
Filmsternchen, brutal ermordet wurde. Seinen Rat, die Polizei
einzuschalten, schlägt sie aus und ihn k.o.! Tarpon beginnt zu
ermitteln. Dabei gerät er zwischen die Fronten der örtlichen Polizei,
amerikanischer Mafiosi sowie politischer Fanatiker und befindet sich
plötzlich in Lebensgefahr, als er erkennt, wer der Mörder ist.
Eugene Tarpon ist ein alternder Ex-Bulle, der einst im Dienst einen Menschen getötet hat. Was ihn aber noch mehr derart ankotzt als dieser Tod, ist die Tatsache, dass es im Dienst einer ungerechten Sache geschehen ist. Die mit den Oberen kungelnden Ausbeuter sind es, welche die Arbeiter auf die Straßen trieben und er und seine Kollegen müssen eine Ungerechtigkeit begehen, um eine andere zu schützen. Menschen und Meinungen werden unterdrückt (heute geschieht das mit Worthülsen willfähriger Medien und den asozialen Internetgemeinden), ausgebeutet und weggeworfen. Menschenhandel gibt es in vielerlei Formen, die sich bis in die heutige Zeit sogar noch verbessert haben und nur andere Bezeichnungen bekamen. Und immer noch beschützt durch Politik und ihre Diener. Also eine irgendwie sinnlose Tat von Tarpon, denn verändert hat sich nichts durch seine Flucht aus dem Polizeidienst, auch damals nicht. Er ist desillusioniert, trinkt ständig zuviel und bekommt nur kleine Aufträge, mit denen er gerade so seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Mit dem Fall, in den er hineingezogen wird, ist er nicht nur überfordert, er will ihn gar nicht bearbeiten. Sich in sein Wohnbüro zurückziehen und saufen ist eindeutig die zu bevorzugende Variante. Tarpon ist im Folgenden also nur die Figur, die Manchettes Kritik am sozialen Gefüge, die geduldete Ungerechtigkeit durch die Besitzenden und die Gierigen, die Machthaber, die diese um jeden Preis erhalten wollen und sich daher mit der Klientel aus der elitären Oberschicht verbünden. "Volles Leichenhaus" bietet auch eine gewisse Thrillerunterhaltung, aber die ist ziemlich absurd (im posotiven Sinne) und ist mit feinem Humor durchsetzt, sodass der politische Exkurs nicht zum trockenen Langweiler mutiert und man die rund 200 Seiten flott weglesen kann. Hard boiled Europa kann man das getrost nennen, was der 1995 verstorbene Autor in seinen Romanen verfasst hat. Dabei nimmt er auch keine Rücksicht auf die politischen Gegebenheiten der 70er Jahre in Frankreich. Und was er da so kritisiert ist modernisiert und mit neuen Begriffen versehen auch heutzutage in Europa und der globalisierten Welt gltig. Mehr denn je.
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