Eyre Price. Du hast gerade eine Million Dollar in den Sand gesetzt. Du fühlst dich nicht gut. Du hängst von einem Balkon vierzehn Stockwerke über den Neonlichtern von Las Vegas. Ein riesiger Russe hält dich an einem Bein fest und droht, dir die Finger abzuschneiden. Zum Glück hast du in deiner Villa noch eine eiserne Reserve. Doch als du dann später in den Safe schaust, findest du nichts außer einer CD mit seltsamen Blues-Songs. Bald merkst du, dass die Songs eine Botschaft sind: Sie weisen dir den Weg quer durch die USA zu deinem geld. Aber du musst schnell sein. Verflucht schnell.
Daniel hatte einen so schönen Plan. eine abgehalfterte Rockband bei einem Comeback-Versuch durch kleine Klitschen und bei ihrem Alkoholentzug per Reality-Show begleiten. Nur das nötige Kleingeld fehlte. Da bot sich ihm der Russe an. Klar war Daniel sofort Feuer und Flamme. Doch leider nur er. Das Projekt ging den Bach runter, die Russenkohle war verloren. Und der will sein Geld wieder. Also lässt er Daniel von seinem Bodyguard Moog mal kurz übers Geländer seiner Penthousesuite im oberen Stock eines Hotels in Vegas hängen. Ruckzuck fällt Daniel ein, dass er zu Hause im Safe ja noch einen Notgroschen hat, der den gleichen Betrag ausmacht, wie den, den er dem Russen schuldet. Russki ist erfreut und lässt Daniel ziehen. Doch mit einer bleibenden Erinnerung. Er schneidet ihm den kleinen Finger ab, den er dann in seinen Drink drapiert und genüsslich schlürft. Damit Daniel nicht unterwegs zu flügge wird, darf er sich der Gesellschaft des Riesen Moog und des durchgeknallten Mexen-Psychos Rabidosos erfreuen. Alles kein Problem - bis er zu Hause den Safe ausmacht und nur eine CD darin findet. Alle sind wie erstarrt, aber Daniel ist am ehesten wieder munter und haut ab. Bevor Rabidoso sich der wilden Hatz anschließt, macht er erst noch die Haushaltshilfe von Daniel kalt - man hat ja sonst keine kleinen Freuden im Leben. Irgendwann hört sich Daniel die CD an und stellt fest, dass sie ihm einen Hinweis auf einen Ort liefert, den er aufsuchen soll. Dort fällt ihm die nächste CD mit einem weiteren Hinweis in die Hände. Verfolgt von den Gangstern und mittlerweile auch der Polizei, die glaubt, er habe seine Haushälterin und zudem den neuen Stecher seiner Ex-Gattin abgeschlachtet. Die wilde Jagd führt nach Memphis, New Orleas - wo ihn die beiden Gangster einholen und liebevoll in ihre Obhut nehmen - nach Philly und Seattle. Immer wieder begegnen ihm skurrile Typen, wird er von völlig Fremden mit "mi key" angesprochen und entweder beschützt oder mit neuen Hinweisen versorgt, die ihn Richtung Geld führen.
Eyre Price nutzt die Handlung um eine verschwundene Million Dollar, um im Thrillergewand eine fetzige CD-Schnitzeljagd quer durch Amerika zu inszenieren, die eindeutig von der Bluesmusik inspiriert ist (Originaltitel: "Blues Highway Blues"). Der Leser taucht ein in das wahre Wesen dieser Musik, in das Wissen um die heiligen Orte und großen Legenden und Götter des Blues. Und wie die Sage um Robert Johnson, der seine Seele an einer Kreuzung dem Teufel verkaufte, um sein Gitarrenspiel zu veredeln (Verfilmt von Walter Hill mit Ralph Macchio in "Crossroads".) lässt auch Eyre Price seinen nicht allzu gesetzestreuen und ehrlichen Protagonisten einer mystischen Figur begegnen, die dann auch für einige plötzliche Wendunen und unerklärliche Vorkommnisse verantwortlich ist. Seine Antagonisten Moog und Rabidoso sorgen für den mörderischen und manchmal leicht brutalen "Unterhaltungsteil" in "Roadkill", das entgegen so mancher Erwartung kein Seriekillerschlachtfest quer durch die Staaten ist, und liefern mit diversen Wortgefechten auch einige humorvolle Episoden, die wie auch die bildhaften Beschreibungen des Autors für diverse Schmunzler sorgen können. Diese Ode an den Blues bieetet zwar keine ausgefeilte Chartakterdarstellung der handelnden Person, ist aber zu einer Ode an die Musik geworden (auch wenn Elvis-Fans ihm die eine oder andere Spitze nicht verzeihen werden), die sich temporeich lesen lässt, kaum Ruhepausen aufweist und sich bei mir eine Begeisterung verdient hat, die ich sonst nur für rasende Action von Matthew Reilly oder Martin Kay erübrigen kann. Und weit hergeholt, aber dennoch irgendwie passend, ist der Gedanke an eine abgewandelte Geschichte um die "Blues Brothers". Kauzig, wild, wirr, abstrus, mit leichten Tendenzen zu den knalligen Geschehnissen in "Das Buch ohne Namen", nur etwas anspruchsvoller, ist "Roadkill" meine Entdeckung das Jahres - bisher. Eine erfreulich frische und unverbrauchte Hommage an den Blues. Die (extra geschriebenen und eingespielten) Songs zum Buch kann man sich übrigens downloaden.
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