Montag, 6. April 2015

Buchreview "Perfidia" J. Ellroy

James Ellroy. 6. Dezember 1941: Es ist der Vorabend des Angriffs der Japaner auf Pearl Harbor. Amerika steht kurz vor dem Kriegseintritt. In Los Angeles wird eine japanische Familie tot aufgefunden. Handelt es sich um Mord oder rituellen Selbstmord? Die Ermittlungen bringen vier Menschen zusammen: Einen brillanten Forensiker, japanisch-amerikanischer Abstammung, eine junge Frau, von einer unbändigen Abenteuerlust getrieben, einen Polizisten, den es wirklich gab: William H. "Whiskey Bill" Parker, später Chef des LAPD, und einen, der ein Produkt von Ellroys unnachahmlicher Phantasie ist: Dudley Smith, die perfide Verkörperung des Bösen. 

Es ist während des 2. Weltkrieges. Während Hitler seine bombigen Freundschaftsbekundungen zu Großbritannien en  masse über London abgeworfen hat, bekommt er nun in Russland vom selbsternannten "Stählernen" (Josef Stalin) mit seinen Truppen der Arsch versohlt. Noch dikutiert man in Amerika, in Hollywood, mehr über die Furcht vor den Plänen der Kommies, doch auch die sture Haltung der Japaner hinischtlich Gesprächen mit der US-Regierung um Roosevelt bringt die Volksseele immer mehr zum Kochen. Ein "Schlitzi" zu sein, ist zu dieser Zeit in Amerika nicht sonderlich populär - und große Unterschiede zwischen Japanern und Chinesen macht die weiße Bevölkerung nicht aus. Als dann am Vorabend von Pearl Harbor eine japanische Familie ermordet aufgefunden wird, gedenkt die Polizei das als simplen Ritualmord, als Seppuku abzutun und den Fall zu den Erledigten zu packen. Doch sie haben nicht mit ihrem japansichen Forensiker Hideo Ashida und den politischen Spielarten ihres Chefs gerechnet. Der Forensiker widerlegt die Theorie der Selbsttötung und der Chef meint, dass er mit Hideo und seinen Ermittlungen hinsichtlich einiger Klagen durchs FBI wegen offenen Fehlverhaltens mit dem sogenannten "Japsen-Pfund" und unvoreingenommenen und ernsthafter Arbeit ohne Rücksicht auf Ansehen der jeweiligen Personen wuchern könnte. So sieht es kurz vor dem Angriff durch die Japaner auf Hawaii aus. Danach erzählt Kay via Tagebuch ihre Geschichte und Eindrücke von Dasein in der Stadt der Filmmogule. Sie wohnt in einer seltsamen Verbindung zum Polizisten Lee Blanchard mit dem in einem Haus, lernt aber auch Hideo und später Scotty Bennett kennen. Überall sieht sie, wie sich die Polizei selbstgerecht verhält, Japaner von den US-Bürgern attackiert werden, erfährt aus erster Hand von den Internierungsplänen der USA was ihre japanischen Mitbürger betrifft. 

Ich fange mal mit der Meckerei auf sehr hohem Niveau an. Mister Ellroy beklaut sich hier eigentlich selbst. Nicht nur, dass ein Prequel (-Quartett) zu seinem ersten L.A.-Quartett und der Unterwelt-Trilogie anscheinend einfach her musste, sondern dass auch gewisse Stilmittel und Figurenzeichnungen sich schlicht wiederholten - wenn auch mit anderen Namen. Dennoch muss/will ich sagen: Lieber gut bei sich selbst geklaut als schlecht weiterentwickelt. "Perfidia" ist ein typischer Ellroy mit seinen kurzen Sätzen - hier nicht ganz so knapp gestaltet wie bei der Underworld-Trilogie - und seinen Charakterisierungen der Protagonisten. Klar, dass hier niemand ohne ordentlich schmutzige Wäsche vorkommt. Klebrige Bullenfinger, verkommene Promis, rassistische Vorurteile überall ("Hitler legt die Juden um. Naja, EINER muss es ja machen"). So oder ähnlich wird über alle geurteilt, die nicht "rein amerikanisch" sind. James Ellroy beginnt hier ein neues Epos um Gier und Grausamkeit, Korruption und Mord, das denselben Prinzipien folgt wie das erste L.A.-Quartett. Etliche bekannte Figuren kehren zurück (Smith, Blanchard, Littell und andere mehr), neue kommen hinzu. Und selbstverständlich flicht er wieder reale Figuren wie Bette Davis, Cary Grant, Clark Gable oder J. Edgar Hoover ein, deren Personenbild an einen Mix aus Gerüchten und Fiktion erinnert. Drogenmissbrauch, Bestechung, Schlitzaugenhatz und Kommunistenjagd konkurrieren mit politisch nicht korrekten und heutzutage unvorstellbaren Scherzen über die Rassen in der aufgeheizten Stadt. Selbst vor Eugenik wird nicht ausgespart (Wie macht man operativ aus einem Japsen einen Chink?). Es herrscht eine Hysterie, die sich dereinst Steven Spielberg für seinen Film "1941 - Wo bitte gehts nach Hollywood" zunutze machte. Selbstverständlich wurde im Film nur die Angst vor einem U-Boot-Angriff durch die Japaner thematisiert und nicht der offen ausbrechende Rassismus der ach so freien Nation der Welt. Und wenn man sich die anderen Filme des Regisseurs so ansieht, kommt man bei sehr vielen zu dem Schluss, was für Geistes Kind er ist, was aber mit dem Buch nichts weiter zu tun hat. Da werden im Bett geäußerte Wunschmorde nach einem gekillten Japs erfüllt, da wird überlegt, wie man die Japaner für ihre Internierung auch noch bezahlen lassen kann. Klingt alles irgendwie bekannt, nur dass ähnliche Vorkommnisse auf der anderen Seite des Atlantiks schwer verurteilt wurden. Ich will die damaligen Ereignisse in europa garantiert icht schönreden, aber mir geht die "Der Sieger schreibt die Geschichte"-Attitüde und die Selbstgerechtigkeit der Siegermächte und hier besonders der Amis und Russen auf den Sack. Die haben doch schon viel länger Dreck am Stecken und handeln auch weiterhin nach eigenem Gutdünken. Wer denen nicht passt, ist halt der Achse des Bösen angehörig. Ich werd mal schauen, ob ich mir nicht den Begriff "Präventivnotwehr" als Marke eintragen lassen kann, weil die Amis den sicher noch oft als Rechtfertigung für einen Angriff auf ein souveränes Land nutzen werden, um ihre Form und Meinung zur Demokratie völlig undemokratisch mit Gewalt und Blut aufzuzwingen. Da wird im Buch aber auch nicht halt vor den heute verhassten illegalen Arbitern gemacht, die dereinst schon als billige Arbeitskräfte auf amerikanischen und japanischen Farmen in den USA in Grenznähe eingesetzt wurden. James Ellroy zeichnet zum wiederholten Male ein düsteres Bild der Vereinigten Staaten, lässt ihre ach so verehrten und fast schon heiligen Kennedy erneut als Mafios (Joe) und geiler Lieutenant (Jack aka John F.) in Erscheinung treten. Rassenhass, Schwulenhass, illegale Geschäfte, Kriegsgewinnler. All das bevölkert ein über 950 (inklusive Personenverzeichnis) Seiten langes Buch, das den gewohnt knappen Stil von Ellroy mit seinen bekannten Themen vereint und trotz der Länge zumeist auch zu unterhalten weiß. Sicher kennt man das jetzt schon seit Jahren irgendwie, aber wer sich schon seit Dekaden jeden Seagal-Film ansieht, sollte über solche Wiedererkennungswerte (fast) erhaben sein. Es macht einfach Spaß zu lesen, wie Ellroy den Dreck, den Siff aufwühlt, sich drin wälzt und den Leser teilhaben lässt wie sich Unehrlichkeit lohnt, Redlichkeit und Loyalität schlicht in den Dreck gestoßen werden. Ein wildes Buch, böse und kritisch, völlig ohne einen Gutmenschen, dafür lauter gierig-geile Egoisten. Nur die Figur der Kay und ihr Tagebuch konnten ich absolut nicht faszinieren. Im Gegenteil - sie war mir eher egal. Wer die bisherigen Bücher aus der Underworld-Trilogie (meine Favoriten!) und dem ersten L.A.-Quartett mochte, wird hier auch wieder voll zufriedenstellend bedient.

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