Greg Iles. Penn Cage, Bürgermeister von Natchez, Mississippi, hat eigentlich
vor, endlich zu heiraten. Da kommt ein Konflikt wieder ans Tageslicht,
der seine Stadt seit Jahrzehnten in Atem hält. In den sechziger Jahren
hat eine Geheimorganisation von weißen, scheinbar ehrbaren Bürgern
Schwarze ermordet oder aus der Stadt vertrieben. Nun ist mit Viola
Turner, eine farbige Krankenschwester, die damals floh, zurückgekehrt –
und stirbt wenig später. Die Polizei verhaftet ausgerechnet Penns Vater –
er soll sie ermordet haben. Zusammen mit einem Journalisten macht Penn
sich auf, das Rätsel dieses Mordes und vieler anderer zu lösen.
In den sechziger Jahren ist der Rassismus im Süden der USA noch groß in Mode. Da werden unliebsame Begegnungen zwischen dunkelhäutigen Männern und weißen Frauen noch derbe bestraft. In dieser vergifteten Atmosphäre bildet sich eine Gruppe, die sich nach dem geprägten Golddollar "Die Doppeladler" nennt. Ihnen ist das Vorgehen des Ku Klux Klans nicht hart genug und man spaltet sich ab. Und bald geschehen die ersten Morde und auch Menschen verschwinden. Jene Schwarze, die diese Art der Säuberung überleben, werden aus der Stadt vertrieben und dürfen nicht zurückkehren. Doch vierzig Jahre später kehrt Viola Turner, einst Krankenschwester in Natchez und in der Praxis von Tom Cage angestellt, nach Hause zurück. Sie ist an Krebs erkrankt und hat nichts mehr zu verlieren. Doch dann wird sie ermordet. Und plötzlich taucht ein Sohn auf. Er heißt Lionel und fordert Gerechtigkeit für seine Mutter. Tom Cage gerät unter Verdacht, sie getötet zu haben. Und hüllt sich in Schweigen. Sein Sohn Penn Cage ist davon überzeugt, dass sein Vater so etwas niemals getan haben kann und will ihm helfen. Doch der mauert und verschwindet bald von der Bildfläche. Dafür tauchen die alten Seilschaften der Doppeladler wieder auf. Niemand konnte sie jemals für irgendeine Tat belangen, vielleicht wollte es auch niemand. Bald mischt sich auch die Staatsmacht mit ein, selbst das FBI schaut mal in Natchez vorbei. Und Caitlin, die Verlobte von Penn, wird immer interessierter an dem Fall, da der einen riesigen Sprung für ihre Karriere werden könnte. Als Reporterin für eine Zeitung schon eine gewisse Pflicht zur Berichterstattung. Immer mehr Familien werden in den Sog gerissen, den die Rückkehr von Viola Turner und ihr Tod ausgelöst haben. Und immer gefährlicher wird es für Penn, seinem Vater zur Seite zu stehen.
Ein Südstaatenepos, das eintausend Seiten an Umfang aufzuweisen hat und nur der erste Teil einer Trilogie ist. Teil zwei erscheint im April unter dem Titel "Die Toten von Natchez" und hat wieviele Seiten? Ja, wieder mehr als eintausend. Und der Protagonist Penn Cage wurde ja schon zuvor in drei Büchern des Autors mit den Erlebnissen in seiner Heimatstadt Natchez gewürdigt. auf seinem Weg zum Bürgermeister konnte der Leser dann auch erfahren, dass Penn Cage nicht wirklich eine blütenweiße Weste hat, ein bisschen Erpressung hilft immer. Das muss auch der Bezirksstaatsanwalt erfahren, der Penn seitdem hasst. Dieses Aufeinandertreffen in dem Fall gegen Tom Cage zeigt, mit welchen Bandagen hier gekämpft wird. Lug und Trug, Erpressung und Korruption, alles vorhanden. Und der Egoismus von Caitlin in ihrer Eigenschaft als Pressefrau macht sie in mehreren Sequenzen nicht wirklich sympathisch. Irgendwie scheint die Presse immer zu erwarten, dass sie ein Recht auf jede Information hat und zudem sämtliche Mittel - legal oder illegal - anwenden darf, um diese zu erhalten. Und natürlich zu entscheiden, in welcher Form ihre Art der Wahrheit präsentiert wird. Passt ja irgendwie auch zu heute, wenn eine Pressefrau bei einer Auszeichnung weinerlich verkündet, dass die Presse nicht lügt, um damit dem Pauschalurteil der Lügenpresse entgegenzutreten und dabei aber ebenso pauschal davon ausgeht, dass die Presse frei von Lügen ist. Heuchelei allerorten. Presse halt. Auch für die Presse gilt in Leben und in Roman, dass man es immer mit den Mächtigen hält und auch sonst gerne die Hand aufhält. Ebenfalls negativ aufgefallen ist, dass Penn Cage sich als jemand sieht, der keine Rassenunterschiede macht, aber eine dunkelhäutige Frau dann fragt, was ihre Leute davon halten, was geschehen ist. Er fragt nicht, ob sie weiß, was die Leute davon halten, sondern was IHRE Leute davon halten. So ganz ist der Rassismus aus seinem Denken nicht verschwunden, so modern und aufgeschlossen er sich auch gibt. Und der Standesdünkel im Süden? Existiert nach wie vor. Lässt man sich nun auch nicht vom üblichen US-Pathos irritieren, den ganzen Helden diverser Kriege und davon, dass es einfach nicht geht, einen Roman über Rassismus in den USA zu schreiben, ohne dabei zu erwähnen, dass die Nazis doch so viel schlimmer waren (Wobei die Amis sehr gerne vergessen, dass in Sachen Völkermord sie einen ziemlichen Vorsprung haben, wie die Indianer sicher bestätigen können, zumindest die wenigen, die noch leben. Folter und forschnasse Verhöre kennt man ja auch aus diversen Berichterstattungen und ihr Verständnis der Demokratie ebenso. Also wird immer ein Opfer gesucht, das herhalten muss, um eigene Fehler zu kaschieren. Die Erwähnung der Nazis in diesem Buch war ungefähr so nötig als hätte Leo DiCaprio in "Titanic" ne Traumsequenz wie der leckende Kutter von al Kaida überfallen wird.), nicht vergrätzen, entwickelt sich das Buch trotz der einen oder anderen Länge und Atempause zu einem Sittenbild der USA bzw. deren Süden damals und heute. Und man stellt fest - so viel hat sich nicht wirklich geändert, man bezeichnet es nur anders. Politisch korrekte Begriffe und weitere Verbalsaltos verhindern noch keine Denke, sie machen die Vertreter dieser Erfindungen eher nur lächerlich, zu Witzfiguren, die keiner ernst nimmt. Greg Iles packt seiner Gruppierung Doppeladler aber auch wirklich ein schweres Päckchen auf. Sie müssen für politische Attentate und Morde, Kriege und so ziemlich alle Verbrechen seit den frühen sechziger Jahren herhalten. Aber gleichzeitig kann er damit aber auch einige Spannungsbögen entwickeln, die einen guten Thriller ausmachen. Die arme Viola Turner ist bald nur noch eine Nebenfigur, die für Familientragödien, Prozesse und Vaterschaftsklagen herhalten muss. Und abgesehen von ihr bewegen sich alle Personen in einer Grauzone, sind längst nicht die strahlenden Helden, die sie gerne wären oder als die sie zu Beginn gesehen wurden. Nur eben die Doppeladler und ihre Sympathisanten sind noch schlimmer. Mit Fortgang der Handlung kommt auch mehr Tempo in die Geschichte, bald ist es auch soweit, dass Action in die Story kommt, die zwar irgendwie nicht ganz passt, aber flott präsentiert wird, obwohl man oft den Gedanken nicht los wird, dass das hier ein Krieg der alten Männer ist. So ist "Natchez Burning" zu Beginn ein Buch voller historischer Bezüge, die breit gefächert dargeboten werden und zum Ende hin ein temporeicher Actionthriller und bietet so mit einigen Figuren zusammen diverse Klischees. Dennoch ist "Natchez Burning" ein ernst zunehmender Roman, ein dramatischer Start einer Trilogie, die den Finger in die Wunden der amerikanischen Geschichte legt. Und am Ende sind sie längst nicht alle besiegt.
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