Freitag, 30. Juni 2017

Buchreview "Der letzte Befehl" L. Child

Lee Child. Der Einsatzbefehl für den Militärpolizisten Jack Reacher ist eindeutig: Er soll verdeckt und ohne offizielle Unterstützung den Mord an einer jungen Frau aufklären - und anschließend, falls nötig, seine Ergebnisse vertuschen! Denn der Hauptverdächtige ist ein hoch dekorierter Offizier, der gerade von einer geheimen Mission zurückgekehrt ist, und - schlimmer noch - der Sohn eines Senators. Reacher soll niemanden auf die Zehen treten und verhindern, dass die Presse den Fall aufbauscht. Doch was er entdeckt, lässt ihn an der Rechtmäßigkeit seines Auftrags zweifeln – und macht aus Reacher einen Mann, den man fürchten muss. 

1997. Jack Reacher wird ins Pentagon beordert, um einen Auftrag zu erhalten, der unschöne Auswirkungen haben könnte. Er soll undercover in einem kleinen Kaff namens Carter Crossing ermitteln, während ein Kollege namens Munroe direkt im nahegelegenen Fort Kelham ganz offen, seine Arbeit macht. Es geht darum, jedwede Interessenskonflikte zu vermeiden und mögliche Löcher, durh die informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten sofort zu stopfen. Das ist Reachers Job. Die nicht den Militärrichtlinien gestaltete Frisur hat er schon, muss er sich nur noch einkleiden. Er tut dies in einem Shop der Army, legt aber Wert darauf, dass die Sachen privat und gebraucht aussehen. Noch ne klappbare Zahnbürste eingesteckt und fertig ist der Undercover-Reacher. Koffer braucht er nicht. Dann macht er sich per Bus oder per Anhalter auf den Weg. In Carter Crossing angekommen, sieht er sich in einem Ort des Niedergangs wieder. Früher hat das Städtchen von der Eisenbahn gelebt, aber jetzt fährt hier nur ein Güterzug um Mitternacht durch, das war es schon. Glücklicherweise hat man ihnen ein Fort etwas abseits hingestellt, sodass man nun den Sold der stationierten Soldaten einsacken kann, die zu den wenigen Vergnügungen, die es hier gibt, ion die Stadt kommen, wenn sie frei haben. Doch nach dem Tod der weißen Frau müssen die Jungs im Fort bleiben, so richtig mit Ausgangssperre und allem drum und dran. Und wieder laufen die Geschäfte in Carter Crossing mies. Keine Soldaten, kein Geld. Und Reacher? Kommt an und schon ist seine Tarnung vorbei. Lady Sheriff erkennt in ihm sofort den Soldaten und da sie nicht auf den Kopf gefallen ist, auch das Motiv seiner Anwesenheit. Vertrauen ist erst einmal dahin. Dann erfährt Reacher, dass zuvor schon zwei hübsche Frauen aus der Siedlung der "anderen" Bewohner, der dunkelhäutigen Bürger, ermordet wurden, sich aber keiner richtig darum gekümmert hat oder keinen Zusammenhang herstellte. Jetzt kommen die Ermittlungen zwar in Gang, werden aber auch immer wieder torpediert und es tauchen Figuren auf, die hier eigentlich absolut gar nichts zu suchen hätten. Reacher macht ihnen das sehr begreiflich.

So begann Reachers Wanderschaft durch seine Nation: Mit einem Auftrag. Und schon beim Einkleiden im PX erkennt der Leser das Muster, das ihm über die Jahre hinweg immer wieder begegnete. Unscheinbare Klamotten, einigermaßen robust, einigermaßen haltbar und leicht zu waschen (später erfährt er, dass es sogar Waschsalons gibt, die er als Soldat (Major) ja nie brauchte, da ihm alles abgenommen wurde), ne Zahnbürste und Ende. Ebenso wird er auf die Methode aufmerksam gemacht, wie er seinen Sold erhalten kann und wo er ihn dann abholt. Heutzutage nicht mehr so einfach, da die gierigen Bänker, die mit Steuergeldern in Höhe von Abermilliarden Dollar und Euro gerettet wurden, nachdem sie die Krise verursacht hatten, gerettet wurden. Mit dem Geld der Bürger, von deren Spareinlagen sie weiterhin gewaltig profitierten. Als die Zinspolitik begann und die Einnahmen schrumpften, kam die Brut auf eine neue Idee. Warum bestraft man die Steuerzahler, die mit ihrem Geld erst den Sauhaufen gerettet hatten, nicht mit Strafzinsen? Ja, so läuft das in der gerechten Welt des Geldes, der Macht, des Lobbyismus und der Politik. Fürs Sparen bestraft. Und da man ein Konto haben muss (fürs eigene Geld, mit dem aber die Banken dann arbeiten und verdienen) und es darauf auch Bewegung gibt, greift man nun noch einmal mit Gebühren für jeden Handschlag zu, den diese Gierhälse machen müssen. Ja, man wird sogar so unverschämt, dass Gebühren genommen werden, wenn man sein eigenes Geld wiederhaben will. Womit wir wieder bei Reacher wären. Er lässt sich die Kohle ja an jeden Standort übermitteln, wo er gerade ist und holt es dann ab. Nicht bei diesem und auch noch nicht bei den vorherigen Büchern war diese fiese Abzocke schon aktiviert, aber bald wird Jack Reacher wohl an einem Schalter stehen und feststellen, dass sein Geld auch ohne sein Zutun in den Griffeln der Krawattniks immer weniger wird. Ansonsten agiert er ja unabhängig und nach seinem eigenen Rechtsempfinden. Dies tritt im Laufe der Seiten auch hier zutage. Lange Zeit passiert nicht wirklich viel, es wird ermittelt und Spuren zusammengelegt, lose Fäden verknüpft, alles irgendwie passend zu einem schlichten Krimi. Wirklich passieren tut jedenfalls nicht viel. Reacher gibt einige coole Bonmots von sich, haut zweimal einigen renitenten Einheimischen vor die Nuss und hat dann im Hinterland von Mississippi seinen Ruf gestärkt. Und wo wir bei Hinterland und Mississippi sind: Die damals noch als nur leicht erstarkendes zartes Pflänzchen auftauchende "political correctness" hat es bis hierhin nicht geschafft. Da wird konsequent zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung getrennt. Auch ein grund, warum die Ermittlungen bei den beiden Frauen aus diesem Teil der Stadt stockten. Man traut einander nicht, also erzählt man auch nichts. Erst mittig des Buches geht es nach und nach auch zur Sache. Und das ist dann Reacher-time. Große Actionsequenzen gibt es nicht, aber wenn Reacher dann völlig gerechtfertigt einen umnietet, geschieht das eiskalt und wirkt fast beiläufig, keine Hitze des Gefechts. Durch diverse Aktivitäten, die lange unklar sind, bleibt auch die Spannung recht hoch, aber die Klärung ist dann doch fast schon banal, wo wir wieder bei einem simplen Krimi wären. Und daher ist "Der letzte Befehl" zwar gut, auch weil man nun weiß, wie Reachers Reise begann, aber er ist eben nicht richtig stark. Wer die Reacher-Bücher mag, nacht wohl nichts falsch, wenn er sich den zulegt.
Ein verlagsübergreifendes Ärgernis sind für ich weiterhin diese Zitate aus diversen Magazinen, von Kritikern oder Kollegen des Autors. Nicht nur, weil man da schon Zeitungen oder Autoren zitiert hat, die gar nicht wussten, dass sie dieses (das jeweils angeblich besprochene, nicht jetzt diesen Reacher) Buch überhaupt mal in Händen hielten, sondern die Marotte, wenn das Zitat, das das erste Buch eines Autors ziert und für dieses auch bestimmt war, dann für sämtliche Nachfolgeromane auch genutzt wird. War das erste Buch ein "fulminanter Reißer, wie ihn noch kein Autor zuvor zustande brachte", steht der gleiche Scheiß auch bei allen folgenden Werken drauf, selbst wenn sie Schlafmittel sind. Für mich ist das Etikettenschwindel, weil ja auch niemand darauf hinweist, dass das Zitat nur für das erste Buch galt. Kunden abzocken ist mittlerweile nicht nur salonfähig geworden, sondern ausdrücklich erlaubt (siehe Banken).

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