Freitag, 15. Februar 2019

Buchreview "One second after" W. Forstchen

William Forstchen. Was wäre, wenn jemand vorhätte, die USA anzugreifen? Wäre es da nicht strategisch klug, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zunächst den Schutz durch die überlegene Technologie zu rauben? Was wäre, wenn wenn es eine Waffe gäbe, die alles Elektronische ausschalten könnte? Diese Waffe könnte bereits in den Händen des Feindes sein. John Matherson, Geschichtslehrer und Ex-Colonel, lebt mit seiner Familie in einer friedlichen Kleinstadt in den Bergen North Carolinas. Doch die Idylle findet ein jähes Ende, als ein EMP die kompletten Vereinigten Staaten lahmlevgt. Alle elektronischen Geräte - Autos, Computer, Radios, Flugzeuge - funktionieren von einer Sekunde auf die andere nicht mehr. Die Gesellschaft bricht erschreckend schnell zusammen und John muss sich eine entscheidende Frage stellen: Wie weit würdest du gehen, um deine Familie und deine Heimat zu schützen?

Es ist ein ganz normaler Tag. Doch plötzlich bleiben alle Autos stehen, auf dem Highway, der etwas entfernt rund um die Kleinstadt Black Mountain in North Carolina führt, ersterben jegliche Geräusche. Alle sind ganz verdattert, haben aber keine Zweifel, dass sich alles wieder regeln wird. John hat das Glück, dass seine Schwiegermutter eine uralte Schüssel fährt, die noch ohne Elektronik auskommt. So ist er wenigstens mobil und fährt mit ihr in die Stadt. Inzwischen sind die ersten Fremden vom Highway rübergekommen, um Hilfe zu finden. Schon werden einige misstrauisch, weil jemand ein funktionierendes Auto hat, während ihre liegenbleiben. Einige Rabatzbrüder wollen Streit mit John beginnen, was ihnen nicht gelingt. Er fährt weiter in die Stadt, die ebenfalls unter dem Stromausfall leidet. Der frühere Colonel ohne Kampferfahrung denkt sich bald seinen Teil. Das war ein EMP, ausgelöst durch eine Atombombe, die ÜBER der Atmosphäre gezündet wurde. Keine Fallout, aber auch keine Elektrizität - alles platt. Und so dauert es nur noch drei Tage, bis erste Maßnahmen ergriffen werden müssen, die nicht sonderlich populär sind. Rationierung der Lebensmittel, da keine Lieferungen mehr erfolgen werden, Abkommen mit dem Nachbarort, gemeinsam die Grenzen zu verteidigen, um nutzlose Fresser fernzuhalten und rigoroses Durchgreifen bei Diebstahl. Hätte früher bei Mundraub nur ordentlich Schellen gegeben, ist das Stehlen von Lebensmitteln oder für die Gemeinschaft wichtigen Gütern ein Grund für die Exekution. Doch auch andere Dinge fehlen - Medikamente für die Kranken, die darauf angewiesen sind. So sterben die nach und nach weg. Auch die jüngste Tochter von John benötigt dringend Insulin, da sie zuckerkrank mit Typ 1 ist. Noch haben sie Vorrat, aber wie sieht es in eingien Monaten aus? Und nach Wochen des Ausharrens machen auch noch marodierende Banden die Gegend unsicher, die die Chance nutzen, dass Recht und Gesetz außer Gefecht gesetzt sind. Die Bürger werden bewaffnet, die Rationierung von Lebensmitteln verschärft und nur die neue Bürgerwehr und körperlich hart arbeitende Menschen bekommen bessere Stücke auf den Tisch, der Rest muss sich mit kleinsten Portionen am Leben halten. Und niemand weiß, ob die Armee jemals Hilfe bringt, das Land jemals wieder so wird wie vor dem Anschlag, von dem eh keiner weiß, wer in verübt hat.
 
 Ich mag fetzige Action in Buch- wie in Filmform, aber etwas intensivere Beschäftigung mit dem Alltag oder Börsenreaktionen, Auswirkungen auf die Wirtschaft hätte ich in Fällen sie schon in anderen Büchern von den Autoren John Birmingham oder G. Michael Hopf auch gerne gelesen. Außerdem wird alles nur aus US-Sicht geschildert. Europa oder Asien werden kaum erwähnt, auch bei Forstchen nur selten und wenn, dann als Schutthafen, weil die Amis nach dem Vorkommnis nur wild um sich geballert haben und mit Atomraketen jeden ihrer vermeintlichen Feinde auslöschten, weil man so den Richtigen trifft. Dass es da massenhaft Unschuldige hingerafft hat, wird nicht thematisiert. William Forstchen baut daneben seine Handlung nach und nach auf, schildert die schleichenden Folgen der Krise, wenn auch nur auf kleinem Raum. Die immer verzweifelter werdenden Maßnahmen, die Menschen, denen Hunger und Durst zusetzen. Immer mehr kommen die sich vor, wie in einem Dritte-Welt-Land für das sie früher gespendet haben. Forstchen beschreibt Kapitel für Kapitel, wie sich die Wohlstandsgesellschaft langsam auflöst, dass die Westler heutzutage so verweichlicht sind, dass sie ohne die nötigen Hilfsmittel kaum noch existieren können. Die Zivilisation hat sie lebensunfähig gemacht. Auch Kritik an der Regierung lässt er nicht außen vor. Wie ehedem bei 9/11 haben sie nicht auf die vielen Mahner gehört, dass so etwas vorkommen könnte, keine Maßnahmen ergriffen, obwohl der Gedanke an einen EMP durchaus real ist. Und auch William Forstchen packt die Patriotismuskeule aus. Halbwegs erträglich, aber auch geschönt. Wenn er berichtet, dass die Schutzanzüge Uniformen seien und dass von denen immer der Tod ausging, wie er am Beispiel von den Begleitern für die Todeslager dereinst in Deutschland aufführt. Was er selbstverständlich vergisst zu erwähnen, ist, dass die Amerikaner mit uniformiertem Massenmord noch viel früher ihre Erfahrungen gemacht haben. Frag nach bei den Indianern. "Aber wir sind ja Amerikaner, bei uns gibt es sowas nicht". Abgesehen davon ist das Buch höchst emotional, trotz nur kleinerer Kampfeinlagen um den Schutz der Stadt und Verteidigung der Reserven schnell aufzunehmen und recht virtuos konstruiert. Dass es in dieser Art zugehen kann und das Geschehen daher nah an der Realität ist, kann durchaus sein. Aus diesem Grund wirkt es vielleicht noch packender, wozu auch die von Kapitel zu Kapitel steigende Dramatik ihren Teil beiträgt. Ein fesselndes Buch, bei dem man den Patriotismus (der aber nicht so aufdringlich präsentiert wird, wie in einigen anderen Büchern aus US-Land) links liegenlassen und sich dem Überlebenskampf der kleinen Stadt überlassen kann. Der ist packend und spannend, bietet starke Charaktere und es fehlt ihm nur ein bisschen mehr Action, die nur im letzten Fünftel des Buches für einige Seiten voll erblüht. Was die eingangs erwähnten Autorn im Überfluss hatten, ist dafür hier etwas zu wenig. Aber für sowas hab ich ja dann Eric L. Harry.
Ist schon einmal beim ehemaligen Festa-Imprint Deltus.de erschienen.

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