Samstag, 29. November 2008

Buchreview "Brandenburg"

Henry Porter. Der Brief, den Rudolf Hasenharte in Händen hält, ist eine Fälschung. Dass die Absenderin, Annalise Schering, tot ist, kann er den Stasi-Offizieren jedoch nicht sagen, denn Rosenharte hatte geholfen, den Selbstmord seiner Geliebten vor fünfzehn Jahren zu vertuschen. Nun sieht sich der Exspion gezwungen, nach Triest zu reisen, um dort von der angeblichen Annalise Informationen zu erhalten. Tatsächlich entpuppt sich die Frau, die er dort trifft, als Agentin des britischen Geheimdienstes. Ihr Vorgesetzter Robert Harland versucht, rosenharte auf seine Seite zu ziehen. Er soll einen syrischen Terroristen finden, der von der Stasi gedeckt und für Anschläge im Westen finanziell unterstützt wird. Im Gegenzug bietet Harland Rosenharte die Befreiung seines schwerkranken Bruders an, der als Dissident im Gefängnis von Hohenschönhausen zugrunde gerichtet wird. Rosenharte lässt sich auf das riskante doppelspiel ein. Er muss nun seine verschütteten Kenntnisse im Tarnen, Täuschen und Improvisieren ausgraben und darf nicht den geringsten Fehler machen.





Nun also ein Roman, den wohl alle nach 1980 Geborenen für reine Erfindung halten dürften (besonders nach den Ergebnissen der PISA-Studie) über die Ereignisse zur Zeit des Mauerfalls, also der jüngeren deutschen Geschichte. Der ehemalige DDR-Agent Rosenharte wird in einen Fall verwickelt, der anfänglich als Aufbringung des syrischen Terroristen ausgegeben wird, doch bis dieser überhaupt erst in Erscheinung tritt, beschreibt Porter den Lesern die Unterdrückung im Staate durch die Machthaber und die Ohnmächtigkeit der Bevölkerung gegenüber der Spitzelmethoden innerhalb der eigenen Kreise. Erpressung zur Mitarbeit, Abhöraktionen und Folter gehören zu den Mitteln mit denen die Menschen gefügig gemacht werden. In diesem Umfeld beginnt der Protagonist seine "Arbeit".





Erinnerungen an einen John Le Carre werden automatisch wach, wenn in ausgedehnten Dialogen und dramatischen Ereignissen die Umstände der Anwerbung und der Ausführung des Auftrags umfangreich gezeichnet werden. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und Reflektionen des Lebens in der DDR zumeist zutreffend geschildert. Unwahrscheinlich wird die Geschichte durch ein wahrhaft wahnsinniges Ränkespiel des Helden, der es schafft, insgesamt fünf Geheimdienste (wobei der BND eher nur Erfüllungsgehilfe der Briten und Amis ist) gegeneinander auszuspielen oder für seine Zwecke einzuspannen. Dabei werden natürlich die Briten und Amerikaner größtenteils in positivem Licht dargestellt, die Russen in Form des KGB erscheinen hier als heimlicher Helfer zum Zwecke der Entmachtung der alten DDR-Führungsriege mit einer fiktiven Hauptrolle für Wladimir Putin als Unterstützer von Rosenharte und den Umsturzbemühungen, die hier mit den Versammlungen in den Kirchen und den Montagsdemos sowie der Machtlosigkeit der Befehlshaber ihren Anfang nehmen und dann auch gegen Ende des Buches zum Fall der Mauer führen. Bis dahin wird die Geschichte mit einigen geschickten Wendungen gewürzt, die so nicht unbedingt zu erwarten waren und zur Auflockerung erhält man auch eine Portion Action, aber nicht übermäßig viel. Leider hat Porter dann auch noch einen meines Erachtens überflüssigen Handlungsstrang einfließen lassen, in welchem der Protagonist, der glaubt, seine Eltern wären wahrhafte Nazis gewesen, die im 2. WK umgekommen seien, woraufhin er adoptiert wurde, dann seine richtigen Eltern bzw. nur die Mutter findet, die eigentlich Polen sind, denen er und sein Zwillingsbruder im Krieg geraubt wurde. Das war etwas zuviel des Guten und hatte mit der eigentlichen Handlung nix zu tun. Die übliche Lovestory mit Happy-End darf auch nicht fehlen. Und der syrische Terrorist wird so nebenbei erledigt und war auch nur eine Nebenfigur.


So hat der Roman denn auch seine Höhen und Tiefen, ist meines um 100 Seiten zu umfangreich und wird eigentlich kaum dauerhaft in Erinnerung bleiben, da er statt eines actionreichen Spionagethrillers eher den Kampf eines Mannes um die Existenz seiner Familie und seiner selbst zeigt, anstatt rasante Schilderungen von Verfolgung, toten Briefkästen, nächtlichen Einsätzen und Abwehr von Gegnern zeigt. Wer sich also einen Roman im Stile von Ludlums Bourne-Einsätzen erhofft hat, ist hier fehl am Platze, wer auf dialogreiche Kost spekuliert, die von Literaten bevorzugt wird, kann sich dagegen freuen. Zuletzt noch eine Bemerkung zum Titel. Das Buch spielt zwar in Berlin sowie in Dresden und Leipzig, doch wieso der Autor ihm den Titel "Brandenburg" (auch im Original) gab, bleibt wohl sein Geheimnis.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Da freut man sich auf ein Buch das nach der eigenen Heimatstadt benannt ist und dann spielt es nicht mal im gleichnamigen Bundesland :D