Samstag, 9. August 2014

Buchreview "Der dunkle Schlaf" C. Russell

Craig Russell. Der tiefe, dunkle Schlaf. Die meisten halten ihn auf dem Grund eines Flusses. Erst gestern ist wieder ein Gauner hochgeholt worden - er lag 18 Jahre im Wasser. Jetzt haben mich seine Töchter engagiert. Denn sie erhalten seit 18 Jahren Geld, angeblich von ihrem Vater. Ich soll herausfinden, wer das Geld wirklich schickt. Dazu muss ich bei den Gangsterbossen ein bisschen Staub aufwirbeln. Mein Instinkt schlägt Alarm. Ich mach's trotzdem.

Da kommen Zwillingsschwestern ins Büro von Lennox. Sie bitten ihn, den Absender von Postsendungen zu suchen, die sie seit 18 Jahren erhalten - jede von ihnen. Jeweils sind 1000 Pfund beigelegt. Sie vermuten, das Geld könnte von ihrem Vater stammen, der angeblich seit 18 Jahren tot sein soll. Nun wollen sie Gewissheit. Zeitlich passt das wunderbar damit zusammen, dass gerade eine ziemlich verknöcherte Leiche aus dem Clyde geborgen wurde, die man anhand eines Zigarettenetuis als die von Joe Strachan, dem Vater der Girls und Gentleman-Verbrecher ohne Skrupel, identifizierte. Strachan war vor seinem Verschwinden an drei spektakulären Raubüberfällen mit perfekter Planung als Mastermind beteiligt und ist wie seine vier Kumpane nach den Hits verschwunden, was sicher auch damit zusammenhing, dass dabei ein Polizist getötet wurde. Und so etwas nehmen seine Kollegen übel und vergessen es nicht. Prompt wird Lennox auch von seinem Bullenintimfeind McNab aufgesucht. Doch statt der erwarteten Bullenpeitsche bekommt er ein Angebot, dass McNab ihn engagieren will. Dieser war an den Ermittlungen damals beteiligt und es nagt noch immer an ihm, dass man den Polizistenmörder nicht finden konnte. McNab hat von den Ermittlungen um die Geldsendungen von Jock Ferguson erfahren, einem Gewährsmann von Lennox bei der Polizei. Jetzt sieht er seine Chance, den Fall zum Abschluss zu bringen - selbst wenn er dabei die Hilfe von Lennox in Anspruch nehmen muss. Zu dieser Aufgabe gesellt sich für Lennox ein weiterer Auftrag - so gut bezahlt, dass  man das Geld tatsächlich am Finanzamt vorbeischleusen muss. Reguläre Einnahmen für die Bücher sind sein Engagement für die Zwillinge sowie sein Job als Geldtransportfahrer. Die gutbezahlte Arbeit dreht sich um einen populären US-Schauspieler, der gerade in Glasgow weilt, um einen Film zu drehen. Er wrid mit Fotos erpresst, die ihn beim Sex mit einem anderen Mann zeigen. Das Problem dabei ist vor allem, dass der andere ein Mitglied der Upper Class ist und nicht in Verlegenheit gebracht werden darf. Wobei er eigentlich nur der Sprößling eines Blaublütigen ist. Doch der Skandal wäre perfekt. Klingt nach leichter Arbeit - Bilder und Negative einsammeln, dem Erpresser auf die Finger hauen und fertig. Aber warum wird das so gut bezahlt? Auf was er sich da eingelassen hat, wird Lennox erst viel später klar.

Ich weiß nicht, was sich Bastei-Lübbe bei den Klappentexten denkt. Verkaufsfördernd mag ja ganz okay sein, aber immer wieder falsche Infos fällt den Lesern doch auf und irgendwann lässt man Bücher des Verlages halt liegen, weil man ja vermuten muss, dass mehr versprochen als gehalten wird bzw. eine völlig andere Handlung einen erwartet als beworben. Auch hier ist wieder Blödsinn geschrieben worden. Die Töchter wissen nicht, von wem das Geld kommt. Sie wollen es erfahren. Das ist der Auftrag. Sie VERMUTEN bloß, dass er es sein könnte und wollen wissen, ob er vielleicht doch noch lebt. Aber von dem Verlag ist eh nicht viel zu erwarten. Zu sehr schon einer der großen Verlage, etabliert und wenig kundenorientiert. Wieso auch, die Bücher werden auch so verkauft. Daher ist deren Kontaktformular auf der Homnepage wohl auch nur eher eine Zierde, denn wirklich von Nutzen. Antworten erhält man von denen auf Anfragen nämlich  nicht. Das Buch selbst ist meines Erachtens eine Steigerung gegenüber den beiden Vorgängern. Zwar sind auch die üblichen Verdächtigen und die Drei Könige wieder am Start, doch der verzwickte Fall, der tief in die Vergangenheit reicht, Lennox auch mit seinen eigenen dunklen Seiten konfrontiert und der Figur wieder etwas mehr Tiefe verleiht, bleibt spannend bis zum Schluss, auch wenn man sich den einen oder anderen Kniff schon selbst ausmalen kann. Natürlich wird auch die Zeit Mitte der Fünfziger Jahre unter die Lupe genommen, als man immer noch mit den Auswirkungen des Krieges haderte, Standesdünkel vorherrschte, die Bullerei rücksichtslos bis brutal vorging und Homosexualität noch unter Strafe stand. Glasgow ist ein düsteres, verdrecktes, von der Industrie verseuchtes Pflaster, in dem Ausbeutung und Kriminalität Hand in Hand gehen, aber nur die offene Kriminalität bestraft wird (Erinnert irgendwie auch an heutige Zeiten, wenn Politik und Wirtschaft sich gegenseitig den Rücken decken). In dieser Umgebung, von der man beim Lesen wirklich bildlich vor sich hat, wie der Smog und der Schmutz in Glasgow die Welt des Lennox beherrschen und nur Düsternis über die Stadt bringen, versucht der Protagonist, sich von seiner Vergangenheit und den Verbindungen zum organisierten Verbrechen zu lösen, was sich als schwerer herausstellt als geglaubt. Zudem ist Lennox in seinem dritten Auftritt diversen Abenteuern mit unterschiedlichen Aktricen nicht abgeneigt. Erheblich mehr als in den ersten beiden Auftritten zusammen. Die Fälle sind verzwickt bis hin zu etwas verworren, aber auch interessant und flüssig zu lesen, die Gegner rau. Lennox ist wieder cool wie eine Hundeschnauze, hart und auch berechnend, lässt nix anbrennen und Craig Russells Humor kommt diesmal besser zur Geltung als zuvor. Band vier wird ebenfalls eingekauft, sollte er eine deutsche Übersetzung erfahren dürfen. Rund 365 Seiten.

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