Samstag, 22. August 2015

Buchreview "Kin" Kealan Patrick Burke

Kealan Patrick Burke. An einem glühend heißen Sommertag in Elkwood, Alabama taumelt Claire Lambert nackt, verletzt und halb blind von einem Ort des Grauens davon. Sie ist die einzige Überlebende eines Alptraums, der ihre Freunde das Leben gekostet hat. Und obwohl sie für Rettung betet, kommen die Killer – eine Familie kannibalischer Geistesgestörter – immer näher. Ein Soldat, der an posttraumatischer Belastungsstörung leidet, kehrt aus dem Irak zurück und erfährt, dass sein Bruder zu den Opfern in Elkwood zählt. Im eingeschneiten Detroit bekommt eine Kellnerin, die in einer von Missbrauch geprägten Beziehung gefangen ist, unerwarteten Besuch, der zu Blutvergießen führt und sie in eine Vergangenheit zurückversetzt, vor der sie jahrelang zu fliehen versucht hat. Claire, die alleinige Überlebende des Elkwood-Massakers, wird von ihren toten Freunden heimgesucht und träumt von Rache.  Ein Traum, der von Trauer und Wut real wird, der gute Menschen in kaltblütige Mörder verwandelt und Fremde gezwungenermaßen zu Verbündeten werden lässt. Es ist Zeit, nach Elkwood zurückzukehren.

Claire stolpert schwer verletzt, völlig derangiert und ohne wirkliche Kontrolle über ihre Gliedmaßen über ein Stück Weide davon. Sie flüchtet vor erbarmungslosen Killern, die sie und ihre Freunde gefangen hatten und folterten. Sie konnte einen der Typen niederstechen und fliehen, doch sie wird vom Famlienmitglied Luke verfolgt. Dennoch schafft sie es über einen Stacheldrahtzaun, der die Weide von der Straße abgrenzt, und bleibt dann auf dem Asphalt liegen. Der junge Pete kommt mit seinem Vater Jack in deren Wagen direkt auf sie zu. Jack will weiterfahren, aber Pete sieht die Frau und so stoppen sie und laden sie ein. Claire kann nach Hause kommen, aber sie wird das Trauma und die schweren Verletzungen, die ihr zugefügt wurden nicht mehr los. Inzwischen ist auch Finch, der Bruder von Claires Freund Danny, in der Stadt und als Kriegsveteran schon drauf und dran, direkt aufs Ziel loszumarschieren, wenn er es denn kennen würde. Also muss er sich die Informationen bei Claire holen und besucht auch die Angehörigen der anderen Opfer. Und dann findet sich jemand, der reich genug ist und irgendwie seelisch am Ende, sodass er jeden Betrag genehmigt, den Finch braucht, um mit seinem Kumpel Beau in die Höhle des Löwen zu marschieren. 

Klingt jetzt alles irgendwie sehr bekannt, doch schon der Vergleich mit Richard Laymon auf der Rückseite via Fearnet ist ziemlich weit daneben. Und auch die Handlung geht nicht nach einem erwarteten Schema vor. Da wird nicht einfach nach der Tortur und dem Entkommen eine Gruppe losgeschickt, die sich gnadenlos rächt. Burke geht behutsam mit seinen Figuren um, schildert in einer bildhaften, gewaltigen Sprache das Leid, das sie erfahren mussten und das sie nicht einfach verarbeiten können, wenn überhaupt jemals. Sei es nun Claire, die mit fürchterlichen Wundmalen dem Tod entkommen ist oder der traumatisierte Finch, der aus dem Krieg gegen den Terror kommt und das dortige Grauen in den Ländern der Feinde mit nach Hause gebracht hat. Er kann sich nicht mehr an ein sogenanntes normales Leben anpassen, er ist immer noch im Kampfmodus und hat Angst davor, sich auf andere Menschen einzulassen, weil er ihnen nur schaden würde - und daher ist er auch einsam. Nur sein Kumpel Beau ist an seiner Seite, weil er das Ganze ebenfalls mitmachen musste, aber anders damit umgeht. Wichtig ist für den Autor das Innenleben der Akteure. Auch in der Familie der Killer, den Merrills, spielt es eine große Rolle. Die Kinder von Eltern beeinflusst, die einfach nicht normal sein können und die die Macht über ein kleines Hinterwaldstädtchen haben. Normalerweise erwartet man hier eher einen Reichtum, der vorgezeigt wird, der den Bewohnern klar verdeutlicht, dass sie nichts gegen die Großgrundbesitzer sind und froh sein müssen, dass man sie in Ruhe leben lässt. Hier ist es anders, hier herrscht vor allem die Angst. Detailgenau schildert Kealan Patrick Burke, was diese Familie umtreibt, warum sich keiner gegen sie wehrt, was die Geschehnisse mit den Angehörigen machen und wie diese damit umgehen. Was ist mit Claire, verkraftet sie ihre Verstümmelungen und die sicher ewig währenden Erinnerungen? Die Charaktere sind unheimlich gut getroffen, nicht die übliche Trennung von Gut und Böse. Jeder hat seinen Rucksack zu tragen. Das alles ist eingebettet in eine Story, wie man sie zu kennen glaubte. Doch die Morde der Familie werden nicht zelebriert nur um der Gewaltdarstellung willen, die Rache des Finch nicht in ausufernder Action geschildert. Das ist nur Beiwerk für ein intensives Buch um die Psyche der Figuren, die durch Entscheidungen und Taten (seien sie nun falsch oder richtig) in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Qual der Gedanken an das Geschehene wird immer bleiben. Äußerst bemerkenswert, wie der Autor einen Stoff, der wie gemacht ist für einen Metzler a la "Wrong turn" oder das erwähnte "Texas chainsaw massacre" in eine psychologische Studie verwandelt, die sich ergreifend liest und beeindruckender daherkommt als es plakative Gewalt sein kann. Warum das Buch nicht bei einem großen Verlag erschienen ist? Tja, vielleicht, weil es in den derzeitigen Trend nicht passt, dem die Massenverwerter derzeit folgen. Wer also einmal Horror von jemandem lesen will, der schreiben kann (also nicht Laymon), dann greife er zu Kealan Patrick Burke, von dem bei Voodoo-Press auch die Timmy Quinn-Reihe veröffentlicht wird.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Klasse Review, trifft es auf den Punkt.
Chrissie

Shane Schofield hat gesagt…

Klingt fast zu anspruchsvoll für mich;)

Harry hat gesagt…

@Chrissie. DANKE!!
@Shane. Was heißt das fast?

Gruß
Harry