Montag, 29. August 2016

Buchreview "Porträt der Psychopathin als junge Frau" E. Lee + E. Steffen

Edward Lee & Elizabeth Steffen. Sie fesselt ihre Opfer ans Bett, klebt ihnen die Augen zu, zersticht ihre Trommelfelle und näht die Lippen zusammen. Dann trennt sie ihnen die Glieder ab. Nun hören und sehen sie nichts mehr. Sie können nicht mehr schreien oder sich bewegen. Aber sie sind noch fähig zu fühlen. Und mit ihren Skalpellen, den Nadeln und der Knochensäge, gibt die junge Frau ihnen eine Menge zu fühlen .

Kathleen Shade fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut, bleibt lieber für sich. Daraus ergibt sich auch ihr Job, den sie von ihrem Zuhause aus erledigen kann. Sie ist eine Art Kummerkastentante für ein Frauenmagazin und gibt gute Ratschläge für ihre Leserinnen. Mit der Zeit schleicht sich ein gewisser Trott ein, es wird mittlerweile langweilig. Doch dann wird sie von einer Frau kontaktiert, die sie mit einem schönen kleinen Geschenk doch fast aus der Fassung bringen kann. In dem beigefügten Kästchen liegt ein abgetrennter Penis. Die Psychopathin wünscht sich, dass Kathleen ein Buch über sie schreibt. So will es das Schicksal, dass nach jedem neuerlichen Mord, Informationen und Beweise an Kathleen gehen. Und es bleibt selbstverständlich nicht aus, dass sogar die Polizei von der SAche Wind bekommt und sich näher mit Shade befasst als dieser lieb ist. Besonders auch, weil der angesetzte Detective Spence alles andere als eine liebenswerte Figur ist. Und zu allem Überfluss lernt sie dann auch noch den Dichter Platt kennen, der ihr mit Wort und Schrift - und hin und wieder auch Tat - seine Liebe gesteht und zeigt. Doch ihre Vergangenheit lässt sie nicht los und die Mörderin hat ihren Plan auch noch nicht geändert, womit alle Menschen in Shades Umfeld in Gefahr wären. 

Irgendwie gewann ich bei der Lektüre immer mehr den Eindruck, dass Edward Lees Part sich hier auf die Beschreibung von Sex und Gewalt reduziert hat, während Elizabeth Steffen den Rest der eigentlichen Story verfasste. Ziemliche Tiraden gegen die Männerwelt, dass man fast glauben mag eine vergessliche Alice (Warum muss ich jetzt an den Song "Living next door to Alice" denken? Kotz!) hätte ihren Vorurteilen hier freien Raum gelassen und gleich mal jeden Mann hier in diesem Buch als Drecksack hingestellt. Nur der dürre Dichter mit dem langen Hippie-Haar und Friedensgelaber und der sich leicht wandelnde Detective Spence werden nicht allzu negativ geschildert - aber Spence ist ja auch schwul und daher keine Gefahr. Alle anderen Kerle hier in dem Buch sind Mörder, Vergewaltiger, Erpresser, Egoisten und was weiß ich noch Schlimmes. Und die Kolumnenratschläge, die die an sich selbst zweifelnde Shade so abgibt, könnten durchaus auch aus ihrer eigenen Misere erwachsen sein und nicht gerade die vernünftigsten Tipps für die Frauen, die bei der Zeitung via Brief Rat suchen. Wie kann eine Person Ratschläge für andere Hilfesuchende erteilen, wenn sie ihren eigenen Mist nicht auf die Reihe kriegt? "Porträt der Psychopathin als junge Frau" ist zum Teil ein etwas zurückgenommener Edward Lee - seine wirklichen Exzesse erscheinen nicht umsonst bei "Festa Extrem" -, der aber immer noch für den Mainstreamkonsumenten viel zu heftig schreibt. Frau Steffen hat den Thrilleranteil mit Plädoyers für die Frau verfasst, schon fast eine Art Femegericht (mal frei von Feministin abgeleitet) zusammengerufen und sämtliche Männer, die hetero sind, auf den Anklagestuhl gesetzt. Einseitig wie nur was - und das ist dann auch mein Kritikpunkt an dem Buch. Sonst ist es nämlich flott und mit einem durchaus feinen Spannungsfaktor sowie einem zwar etwas reduzierten Lee-Gewaltpegel und auch wenig von seinem Humor, aber trotzdem eine Anschaffung wert, wenn man weiß, dass Edward Lee hier NICHT federführend ist und sich daher eine andere Erwartungshaltung zulegt.

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