Mats Strandberg. Die Passagiere an Bord der schwedischen Ostseefähre Baltic Charisma
wollen vor allem eins: sich amüsieren, und zwar um jeden Preis. Ob sie nach der Liebe ihres Lebens suchen oder vor den Dämonen des
Alltags fliehen - die Nacht ist lang, und der Alkohol fließt reichlich. In dem ganzen Trubel bleiben die beiden dunklen Gestalten unbemerkt, die sich übers
Autodeck an Bord schleichen: eine Mutter und ihr Kind. Mit ihnen betritt
ein uraltes Grauen das riesige Schiff, und es wird zur tödlichen Falle.
Die unterschiedlichsten Passagiere bevölkern die Baltic Charisma auf ihrer Fahrt über die Ostsee, wo es dann bei einem kurzen Stop vor Finnland bei einer kleinen Insel zollfreie Einkäufe gibt. Bis dahin wollen die Reisenden ihren Spaß. Da wäre Marianne, so um die Siebzig, die schon bald auf Göran stößt und auf eine beschwingte Zeit hofft. Da ist der adoptierte Junge Albin, der mit seinen Eltern, die Mutter sitzt depressiv im Rollstuhl und sein Vater ist ein Trinker, eher missmutig an Bord, weil seine Eltern ihm peinlich vorkommen. Seine Cousine Lo ist mit ihrer alleinerziehenden Mutter Linda ebenfalls unter den Reisenden. Sie alle sind fleissig am Feiern und wollen ihre Probleme vergessen, doch so nach und nach schleicht sich das Grauen unter das bunte Volk und als die es endlich wirklich registrieren, ist es bereits zu spät. Ihr Überlebenskampf beendet abrupt die feucht-fröhliche Stimmung unter den Passagieren sowie den dienstbaren Geistern an Bord der Baltic Charisma.
Das Buch ist mit knapp 500 Seiten nicht gerade eine Kurzgeschichte und einige der Seiten werden eingangs denn auch mit den Eigenschaften der Hauptcharaktere durchaus ansprechend ausgefüllt. Alle wesentlichen Figuren erhalten einen lebhaften Hintergrund, der mich als Leser aber schon fast ebenso depressiv werden lässt, wie es viele auf der Baltic Charisma schon sind. Fast sämtliche Protagonisten haben an irgendwelchen größeren oder kleineren Problemen zu knabbern und so ziemlich alle scheinen die Fahrt zur exzessiven und ultimativen Herausforderung für Geist und Leber zu empfinden, so wird hier der Alkohol runtergestürzt. Wer noch nicht als Loser des Lebens an Bord kam, erlebt dann eben hier noch sein Fiasko. Zu der Zeit konnte ich eigentlich nur den adoptierten Albin als Sympathiefigur empfinden, der Rest etwas mehr oder weniger erträglich. Dan, der eine Art abgehalfterte Version eines abgehalfterten Hasselhoff darstellt, vertritt mit Vehemenz und gemeinsam mit ein paar grün angehauchten Heuchel-Aktivisten die Seite der Unsympathen, während andere wie Marianne, Madde oder deren Freundin Zandra einfach nur High Life machen wollen - mit allem drum und dran. So dauert es auch seine Zeit, bis die ersten Anzeichen, dass sich hier bald etwas Grauenvolles abspielen wird, unter Deck auftauchen. Und so nach und nach kommt auch der Leser, der sich nicht vorher durch irgendwelche Rezensionen gewühlt hat, darauf, was hier vor sich gehen wird. Sobald dann ca. die Hälfte des Buches am geistigen Auge vorübergezogen ist, schwappt dem Leser schier das Blut ins Gesicht. Klar, es ist jetzt kein knüppelharter Horror aus dem Festa-Verlag, aber für den Mainstream wird hier verdammt wenig mit Blümchen geworfen. Brustkörbe werden aufgerissen, Herzen einer unfreiwilligen Operation unterzogen, Köpfe abgetrennt - und das alles in Strömen von Blut. Rot ist in der dunklen Nacht auf der Ostseefähre die vorherrschende Farbe. Und in dieser größten Not, dem Chaos, dem Morden zeigt sich dann, dass nicht alle sich mit ihrer Situation und ihrer Stellung im Leben abgefunden haben und beweisen, dass eine erste oberflächliche Einschätzung ihrer Charaktere fehlerhaft war. Mut und Opferbereitschaft gibt es noch. Ein echtes Happy End jedoch nicht. Nur wenige der Besatzung und der Passagiere überleben das Massaker an Bord einer Fähre, die wie viele der Personen an Bord ihre beste Zeit schon lange hinter sich hat. Ob die Überlebenden aber wirklich die Gewinner sind, das zu entscheiden überlässt der Autor dann seinen Lesern. Eine gute bisweilen sogar sehr gute Unterhaltung, die sich im Horrorbereich vor niemandem verstecken muss, auch wenn der Vergleich mit Stephen King möglicherweise etwas zu forsch angestellt wurde. Andererseits ist es auch nicht so versabbelt, wie Herr King das manchmal gerne tut.
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