Donnerstag, 19. Juni 2014

Buchreview "Ein Mann sieht rot" B. Garfield

Brian Garfield. Paul R. Kersey, Angestellter eines Steuerberatungsbüros in New York. Unbekannte Einbrecher haben seine Frau und sein Kind brutal zusammengeschlagen. Seine Frau stirbt, das Leben seiner Tochter ist nur noch ein Dahinvegetieren ohne Erinnerung und Gefühl. Die Polizei kommt nicht weiter. Kersey wird zum Richter auf eigene Faust. Hilft gegen Gangsterterror nur noch Do-it-yourself-Justiz?

Nachdem der Überfall auf die beiden Frauen geschehen ist, wird Paul von seinem Schwiegersohn Jack, der als Verteidiger von Jugendlichen Straftätern sein Geld verdient, angerufen und ins Hospital bestellt. Dort muss er nach langer Wartezeit erfahren, dass seine Frau die Attacke nicht überlebt  hat und seine Tochter zunehmend katatonisch wirkt. Jack erzählt ihm, dass die drei Verbrecher wohl gesehen hatten, wie die beiden Fauen einkaufen gewesen sind und sich ihre Ware nach Hause liefern lassen wollten. Mit einem simplen Trick haben sich die Mörder Zugang zur Wohnung verschafft und als kein Geld mehr zu holen war, die Opfer brutal misshandelt. Ob der hohen Verbrechensrate in New York und dem Mangel an Zeugen an Zeugen tappt die Polizei im Dunkeln und die Chancen auf Gerechtigkeit sind gering. Kersey kommt mit der Situation nicht wirklich zurecht. Er macht sich Gedanken, wie so etwas passieren kann und oihne Strafe bleibt. Doch er überlegt auch, was er tun kann und antwortet scih erst einmal selbst - eine Waffe zur Verteidigung seines Lebens besorgen. Das Gespräch mit seinem Schwiegersohn zeigt ihm auf, dass es für einen unbescholtenen Bürger weitaus schwerer ist sich zu bewaffnen, als für einen Verbrecher. Immer mehr fällt ihm der Niedergang der einst stabilen Wohngegenden in New York auf. Die stetig steigende Gefahr von Übergriffen. Da kommt es ihm und seinen eigenen Sorgen gerade zuguten, dass er einen Auftrag für seinen Arbeitgeber in Tucson, Arizona, erhält. Während er seine Arbeit erledigt, nutzt er die Chance, sich hier aufgrund der leichteren Möglichkeiten, Waffen zu erwerben, sich einen eigenen Revolver zu kaufen, den er mit nach NY nimmt (damals war das recht leicht, im Gegensatz zu heute). Jetzt sieht er sich gewappnet, endlich die Gangster, die die Stadt beherrschen und von der Polizei nicht aufgehalten werden können, mit seinen eigenen Mittlen in die Schranken zu weisen.

Ein Thema, das heute noch so aktuell ist wie damals und auch die Verfilmung hat nicht nur vier Sequels nach sich gezogen, sondern ganze Generationen von Filmemachern zu derartigen Rachestreifen animiert. hin und wieder gibt es auch mal ein neues Buch zur Thematik wie zuletzt "Todesengel" von Andreas Eschbach. Auch wenn der Eschbach seine Qualitäten hatte, wird er von "Ein Mann sieht rot" in den Schatten gestellt. Entgegen des ganzen Ballyhoos, das um Buch und Film gemacht wurde, beschäftigt sich der Autor, der auch die Vorlage für Filmen wie "Der letzte der harten Männer" mit Charlton Heston und James Coburn ablieferte, lange mit dem Charakter und dem inneren Kampf seines Protagonisten. Realitätsnah beschreibt er die langsam ansteigende Angst vor Übergriffen oder Einbrüchen, der Panik, vor die Tür gehen zu müssen, dem ständigen Verdacht, dass unangepasst gekleidete Jugendliche Rowdies oder Schlimmeres sein könnten (mehrfach kommen später solche Personen  nur mit Glück an Kersey vorbei, weil der gezögert hatte, die Waffe zu ziehen). Er schildert die Ohnmacht der Polizei gegen das Verbrechen in der Stadt vorzugehen, weil es derart überhand nimmt, dass sie ihm einfach nicht Herr werden können (Heutzutage im Rahmen der ständigen Budgetkürzungen und des Personalmangels aufgrund zu hoher Kosten ja noch viel schlimmer). Es kostet ihn Überwindung, sich zu beherrschen, er diskutiert lange mit sich selbst, ob und wie weit er gehen will. Doch seine Beobachtungen in der Stadt, sein Schwiegersohn, der einfach aufgeben und wegziehen will, um das Terrain den Gangstern zu überlassen, machen ihm die Entscheidung dann doch leicht. Er muss es tun - für seine Tote Frau und für seine Tochter, die vielleicht ein Leben lang krank bleibt, ohne ihre Umgebung jemals wieder wahrzunehmen, während die Täter sich ihres überflüssigen Daseins weiter erfreuen. Hat er anfangs noch Angst vor Konsequenzen, legt sich dies bald und er beginnt den Typen Fallen zu stellen und sie hinzurichten. Bald wird sein Vorgehen in den Medien diskutiert. Er erhält Zustimmung wie Ablehnung. Eine endgültige Lösung des Dilemmas wird im Buch nicht angeboten, ebenso wie es sie im richtigen Leben nicht gibt. Was tun, wenn einen die Gesetzteshüter nicht schützen können, wenn der Staat, der dafür zuständig ist, keine Mittel dazu hat, weil sie für Diätenerhöhungen oder anderen Blödsinn rausgeworfen werden, wenn man lieber Konzerne mit finanziellen Mitteln fördert, statt den Bürgern zu dienen - und wenn die Strafen für Serientäter oder Gewaltverbrecher und Mörder geringer ausfallen, als für einen Steuersünder (wobei die staatlichen Steuersünder/-verschwender ja straffrei bleiben). Wenn schon in kleinen Käffern Bürgerwehren aufgebaut werden, weil die Polizei Stunden braucht, um überhaupt einmal vor Ort zu kommen? Packt sie, packt sie - packt sie und zerhackt sie?  In solchen Fällen werden dann die eigentlichen Opfer zu Täten gestempelt und mit höheren Strafen bedacht als ihre Peiniger. Kann nicht sein. Und dass die Polizei ihre Sicherheitsaufgaben darin sehen, Beratungsstellen einzurichten, um den Bürgern Tipps zu geben, wie man sich zu Hause verbarrikadiert? Lächerlich. Wie die Figuren im Buch, kann auch der Leser im Laufe der Zeit, die das Buch lange nutzt, um die Qual des Protagonisten vorzustellen und in der es auch keine Action oder großartige Spannungselemente gibt, ein gewisses Verständnis für den Mann aufbringen, der sich von seinem Land, der Polizei, den Menschen enttäuscht sieht und sich selbst zur Wehr setzt. Und dabei feststellt, dass er in sämtlichen Bevölkerungsschichten zumindest Sympathisanten hat. "Ein Mann sieht rot" ist kein geistig flachen Werk, das auf andauerndes Actiongeballer mit unheimlicher Rasanz zielt, sondern ein Werk, das vielleicht etwas vordergründig und plakativ dargestellt einen Finger in die Wunde der damaligen und noch viel mehr heutigen Gesellschaft legt.

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