Mittwoch, 20. Mai 2015

Buchreview "Einfach liegen lassen" J. Perry

John Perry. Wer kennt das nicht? Auf dem Schreibtisch türmen sich zwischen Notizen, Papierstapeln und leeren Kaffeetassen allerlei Projekte. Das E-Mail-Postfach quillt über, der Anrufbeantworter ist voll mit wahnsinnig wichtigen Nachrichten. Statt uns aber mit dem Arbeitsberg auseinander zu setzen, verbummeln wir lieber die Zeit.

Bevor ich auf den Inhalt eingehe, noch eine kurze Anmerkung zur Preisgestaltung. Die knapp über 120 Seiten wurden mit Rändern versehen, auf denen ein Rainer Calmund noch genug Platz hätte und die Zeilenabstände wecken Erinnerungen an den Grand Canyon. Bei normaler Seitennutzung hätte man es auch auf 50 Seiten darbieten können. Als Preis für die Taschenbuchdruckversion wurden 7,99 Euro ausgerufen, fürs Ebook 6,99 Euro. Recht happig. Hätte ich es nicht gebraucht und sehr günstig bekommen, wäre meine Kritik dazu vielleicht noch harscher.

In zehn Kapiteln plus Anhang wird der Leser mit Hang zum Liegenlassen von John Perry charmant und durchaus humorvoll eingewiesen, wie man dennoch produktiv sein und damit stolz auf die erbrachte Leistung. Er erläutert den Begriff des kreativen Wartens, bis sich das Eine oder Andere von selbst erledigt hat. Ratschläge und Selbsthilfe für den Trödler mit mildem Gemüt. Tipps für Organisation zum Verdrängen vermeintlich wichtiger Aufgaben, um anscheinend unwichtigere bevorzugt zu erledigen. Listenerstellung und Selbstbetrug kommen zur Sprache und kleine, lustige  Anekdoten lockern diesen "Selbsttest zum Blättern" (Stern) noch mehr auf, als der sowieso schon amüsante Stil des Autors. So lernt man wirklich viel über Perfektion und wie man sie für sich selbst definieren kann, ja, wie man sich selbst als Perfektionisten erziehen kann, ohne von der eigenen Linie abzuweichen. Das in der Arbeitswelt so verpönte Trödeln erfüllt laut John Perry durchaus seinen Zweck, werden doch neben den Pausen auch Ideen wach, wie man was vermeiden oder umschichten kann. Man muss lernen, mit seinen Defiziten auszukommen, die für sich zu nutzen und in den Arbeitsprozess einbinden. Oder einfach kleine Tricks anwenden! Zum Beispiel nur zum PC schleichen und surfen, wenn man feststellt, dass man eh jeden Moment wegen einer vollen Blase auf die Toilette muss. Das hält dann davon ab, durch stetiges Surfen wirklich Zeit zu verschwenden. Und man solle sich kein schlechtes Gewissen machen. Schließlich ist die "nicht verarbeitete" Zeit gewonnene Lebenszeit.

Der Schreibstil ist recht einfach und sehr leicht zu lesen. Kurze Kapitel, nette Geschichtchen aus seinem Erfahrungsschatz lassen fast den doch vorhandenen Ernst der Sache vergessen. Das Buch enthält trotz seiner Leichtigkeit einige nachdenkenswerte Ansätze, die ihre Wirkung nicht verfehlen (sollten). Vergnügliche Ernsthaftigkeit, die anregt.

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