Freitag, 18. Juli 2014

Buchreview "Bedrohung" S. Kernick

Simon Kernick. Die Drohung: London, acht Uhr morgens - eine Bombe verwüstet ein Cafe in der Innenstadt. Das Ultimatum: Unbekannte kündigen einen weitere Anschlag an, der ganz England erschüttern wird. Verbleibende Zeit: 12 Stunden. Der Gefangene: William Garrett erwartet die Verurteilung wegen Massenmordes. Er behauptet, die Namen der Terroristen zu kennen. Aber er verlangt einen hohen Preis. Der Countdown: Die Detectives Mike Bolt und Tina Boyd müssen sich auf eine erbarmungslose Hetzjagd durch London begeben, um die angekündigte Katastrophe zu verhindern - bevor es zu spät ist.

Tina Boyd, im Prinzip frisch nach ihrer Suspendierung wieder im Dienst, ist mir ihrem neuen Partner (Jung, Typ Korinthenkacker und Regelfetischist ohne Arsch in der Hose) in den Straßen Londons unterwegs, als in der Nähe anscheinend eine Bombe hochgeht. Sie rasen zum Tatort und stellen fest, dass ein Cafe in die Luft gejagt wurde und ein asiatisch aussehender Mann sich eiligst entfernt. Tina Boyd hetzt ihm hinterher und kommt langsam näher. Doch dann wird der Flüchtige beim Überqueren einer Straße von einem Laster geplättet. Einer ihrer Vorgesetzten und schärfsten Kritiker schiebt ihr die Schuld in die Schuhe, dass es in ihrer Umgebung immer wieder Leichen und Verstöße gegen die Vorschriften gibt. Doch bevor sie endgülitg aus dem Polizeidienst entfernt wird, kommt ihr das Schicksal in Gestalt des einsitzenden William Garrett zu Hilfe. Er weiß angeblich etwas über die Täter, will aber nur mit Boyd reden. Sie wird vorübergehend dem Team ihres bekannten Mike Bolt zugeteilt und fährt dann Richtung Knast, um die Informationen aus Garrett zu quetschen. Der will natürlich verhandeln und schafft es in einer zweiten Runde tatsächlich zumindest in ein sicheres Haus in der Nähe des Gerichts überstellt zuz werden, da er im Gefängnis in Todesgefahr zu sein scheint, wie zwei Anschläge auf ihn bewiesen haben. Seine erste Information führt die Polizei zu einem Albaner, der mit Waffen handelt. Doch in der Zwischenzeit wurden bei weiteren Explosionen mehrere Menschen getötet. Der oder die Attentäter hatten der Polizei eine Falle gestellt und der Anruf von einem Handy, in dem eine islamistische Terrorgruppe die Verantwortung für den Anschlag auf das Cafe übernahm, führte die Plozisten zu einer Wohnung, in der weitere Sprengsätze vorbereitet waren, die bei deren Eintreffen explodierten. Andernorts in London ist Richard Jones dabei, eine Gangsterbande zu infiltrieren und muss dabei einen Test in Form eines Überfalls auf einen Drogendealer bestehen, der gerade mit seiner Truppe das Geld aus den verschiedenen über die Stadt verteilten Crackhäusern abholt. Eigentlich sollte alles ohne Krawall vonstatten gehen, doch da sie den Fünf-Mann-Job nur zu zweit angehen, kommt es zu einer kritischen Situation, die dann auch den Dealer sein nutzloses Leben kostet. Der besagte Albaner aber, hinter dem Boyd und Bolt her sind, erweist sich als cleverer als erwartet, zumal ihm Boyd mit ihrer Eigensinnigkeit auch noch in die Hände spielt. sie verhaften ihn zwar, haben aber vorerst nicht viel in Händen, um ihn länger festhalten zu können.

Die große Kunst der Literatur sollte man von Simon Kernick jetzt nicht erwarte, dafür aber kann man sich wie gewohnt auf einen feinen Thriller voller Action freuen. "Bedrohung" hat unerwartet auch noch einen Bezug auf "Das Ultimatum", den Vorgänger. Es entfaltet sich ein perfider Plan, der so nach und nach in die Tat umgesetzt werden soll. Bis dem geneigten Leser aber diese Erkenntnis näher gebracht wird, lässt Simon Kernick erst einmal die Hunde los. In den meisten Romanen, die sich mit Terroranschlägen befassen, wird nach einem ersten Attentat das nächste dann durch akribische Arbeit und schlaue, beinharte Ermittler verhindert. Nicht so bei Kernick: Einem Anschlag folgen weitere. So ganz nebenbei wird die lasche Gesetzgebung im Königreich ebenso moniert wie die Tatsache, dass man seine Feinde ja selbst ins Land holt. Die eine oder andere rassistische Tendenz oder zumindest Einwandererphobie kann man bei manchen Aussagen durchaus vermuten. Als hätte sich der Autor an Hardlinern wie Clancy und Konsorten orientiert. "Bedrohung" ist schnell, spannend und führt mit Rick Jones einen Charakter ein, der bisher noch nicht aufgetreten ist, während Bolt und Boyd ja in bisher allen seinen Romanen zumindest kleinere Auftritte hatten, wenn er wie bei der Dennis Milne-Trilogie eine andere Figur in den Fokus stellte. Auch Jones ist keine fehlerfreie Heldenfigur, sondern ein enttäuschter Mann, der gebrochen vom Tod diverser Freunde und Kameraden aus dem Krieg gegen den Terror zurückkam und feststellen musste, dass es Regierung wie Bevölkerung völlig egal ist, was mit den Heimkehrern nach ihrem Dienst am Vaterland geschieht. Tina Boyd bleibt die scheinbar unbelehrbare Polizistin mit zuviel Eigensinn und dem Faible für jedes auffindbare Fettnäpfchen. Die Politik wird im Allgemeinen nicht sonderlich positiv dargestellt, wobei manche Vorwürfe auch auf hiesige Compadres und Amigos in den wenig besuchten Sitzungssälen passen würden, egal, wie volksnah sie tun. Dennoch hält sich Simon Kernick nicht übermäßig lange mit Charakterisierungen oder gar Gesellschaftskritik auf (Boyd und Bolt sind dem Kernick gewogenen Leser eh bekannt), sondern drückt bei der Handlung schwer aufs Tempo. Rasant geht es von einem Tatort zum anderen, wechseln die Perspektiven (Undercover-Rick erzählt in der Ich-Version) und die vermeintlichen Motive. Nichts ist im Voraus klar zu erkennen, auch nicht, wer wirklich die Fäden zieht, wer die ganze Aktion für welche Zwecke zu nutzen gedenkt und seine Aktivitäten unbeschadet übersteht. Bis zum Ende des Buches, da so gar nichts von den klischeehaften Friede, Freude, Eierkuchen-Werken des sonstigen Mainstreams hat, stapeln sich die Leichen. Sehr unterhaltsam, flott, packend und mit einem Ende, das nich kein Abschluss ist. Der fiese Plan ist noch nicht vollständig ausgeführt. Ob die Geschichte nun im nächsten Kernick "Treibjagd" weitergeführt wird oder erst in späteren Veröffentlichungen weiß ich nicht zu sagen. Ach ja, es ist NICHT zwingend notwendig "Das Ultimatum" vorher gelesen zu haben, aber aus zwei Gründen wäre es wohl angebracht: a) es ist ebenfalls ein richtiger Page turner und b) erfährt man dort so einige Details über den Insassen William Garrett.

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