Anna Carey. Ein Mädchen erwacht auf den Gleisen einer U-Bahn-Station in Los Angeles.
Sie weiß nicht, wer sie ist, wo sie ist, wie sie dort hinkommt. Sie hat
ein Tattoo auf der Innenseite ihres rechten Handgelenks, das einen
kleinen Vogel in einem Viereck zeigt. Sie erinnert sich an nichts. Nur
bei einer Sache ist sie sich sicher: Jemand will sie töten. Also rennt
sie um ihr Leben, versucht die Wahrheit herauszufinden. Über sich und
über die Leute, die sie töten wollen. Nirgendwo ist sie sicher und
niemand ist, was er zu sein scheint. Auch Ben, der Einzige, dem sie
glaubte, vertrauen zu können, verbirgt etwas vor ihr. Und die Wahrheit
ist noch viel verstörender, als sie es jemals für möglich gehalten hat.
Da
wacht ein Mädchen in einer U-Bahn-Station auf den Gleisen auf und kann
sich an nichts erinnern. Nicht wie sie dahin kam noch wie sie heißt.
Absolut nichts. Ihr Gedächtnis ist wie eine weiße Leinwand - leer. Doch
ihr normaler Überlebensinstinkt funktioniert noch. So lässt sie sich
flach mit vor der Brust verschränkten Armen noch gerade rechtzeitig
zwischen die Gleise sinken, als eine U-Bahn einfährt während sie sich
gerade berappelt. Als die Bahn stoppt, liegt sie unverletzt darunter,
krabbelt dann hervor, greift sich einen neben ihr liegenden Rucksack und
will schnellstens aus der näheren Umgebung verschwinden. Irgendetwas
stimmt hier ganz und gar nicht. Den Sanitätern, die sie einsammeln
wollen, kann sie entwischen und ist nun allein in Los Angeles. Sie
entdeckt, dass sie eine Tätowierung auf dem Handgelenk hat, weiß aber
nicht, wie sie zu der kommt. Doch bald merkt sie, dass sie verfolgt
wird. In einem Markt lernt sie durch pure Ungeschicklichkeit den jungen
Ben kennen, der ihr später auch hilft. Sie erhält bei einer Rempelei
einen Zettel zugesteckt, auf dem eine Telefonnummer steht, die sie
anrufen soll. Tut sie und wird zu einer Adresse beordert. Sie geht hin
und das Büro, das zu dieser Adresse gehört ist verwüstet, ein Tresor
steht offen. Auf dem Stockwerk sind weitere Büros und die ersten
Angestellten kommen heraus um nachzusehen, was da los ist. Sunny, wie
sie sich dann später einfach nennt, flüchtet, wird aber auch von einer
Überwachungskamera aufgenommen und schon bald gibt es eine Suchmeldung
nach ihr. Die Polizei fahndet mit Bild via TV nach einer Einbrecherin,
die angeblich zehntausend Dollar gestohlen haben soll. Es wird sogar
eine Belohnung versprochen. Doch damit nicht genug. Bald gewinnt sie den
Eindruck, dass sie nicht nur verfolgt wird, sondern dass man sie auch
töten will. Einen Grund dafür kann sie sich nicht vorstellen. Sie kiecht
wieder bei Ben unter. Der ist zwar momentan nicht zu Hause, aber eine
Freundin von ihm sonnt sich neben dem Pool. Sunny kommt mit ihr ins
Gespräch, erzählt ihr aber nicht die Wahrheit.
Das Buch ist mit
einem Cover ausgestattet, das mich als Actionfreund natürlich mit seinem
Fadenkreuz sofort zumindest in dieser Hinsicht für sich eingenommen
hatte. Eine Inhaltsangabe hatte ich glücklicherweise (Dazu später noch
mehr) schon von der Tippgeberin Nici von Nici & Books erhalten und
die hat dann auch mein Interesse geweckt. Obwohl mir bekannt war, dass
es sich um ein Jugendbuch handelte, hat mich der pink gefärbte
Seitenschnitt doch erschreckt. Was ist denn das? Ein Mädelsbuch? Ein
Geschenk für Geistersgröße Paris H.? Buch aufgeschlagen und erst einmal
erleichtert aufgeatmet: Buchstaben, die sogar zu zwar kurzen, aber
dennoch vollständigen Wörtern und diese zu ebenso kurzen, aber
vollständigen Sätzen zusammengefügt waren. Für die übliche Klientel der im
niederen IQ-Bereich der vermuteten Verdächtigen war es wohl nicht
gedacht. Puh, Glück gehabt. Sorry, Nici, dass ich dir das zugetraut hab.
Bei meinem nächsten Kritikpunkt scheiden sich die berühmten Geister.
Ich halte Buchstabengrößen, die ich ohne Brille auf der anderen
Straßenseite noch lesen könnte und Zeilenabstände im Grand Canyon-Format
nicht für einen Service für Sehschwache, sondern für eine Verschwendung
von Ressourcen, um auf eine Seitenzahl zu kommen, die dann den mehr
oder weniger exorbitant hohen Preis rechtfertigen soll. Naja,
Ansichtssache eben. Zur Story selbst. Die Ausgangslage verspricht schon
einmal Spannung und für derartige Geschichten, wo jemand irgendwo
aufwacht und über seine Vergangenheit nichts weiß, anhand von einzelnen
Puzzleteilen diese wieder unter Gefahren zusammensetzen muss, hatte ich
schon seit lange vergangener Jugendzeit ein Faible. Und so hat diese
Jane Doe-Story schon von Beginn an einen gewissen Sog entwickelt, der
mich von Kapitel zu Kapitel zog. Kürzere Zwischeneinschübe teilweise aus
anderer Perspektive sind nicht immer ein wirklicher Anhaltspunkt, was
bisher geschehen sein mag, betreffen sie doch auch die Polizei oder mal
den neuen Kumpel Ben. Ebenfalls für etwas Abwechslung im Lesealltag
sorgte die Nutzung der zweiten Person im Stil von Anna Carey, der ihr
aber schon auf seite 26 kurz abhanden kommt und plötzlich aus heiterem
Himmel die Ich-Form, also Sunny als Erzählerin, im Text auftaucht.
Passte dann so gar nicht, kann aber auch an der Übersetzung oder dem
eigentlichen Satz des Buches selbst liegen, wer weiß? Kam auch nur
dieses eine Mal vor. Diese Form des Erzählens war etwas
gewöhnungsbedürftig, aber sicher nicht etwas, das man dem Buch anlasten
kann. Die Suche nach ihrer Vergangenheit und der langsame Aufbau der
Bedrohung, die für sie wie aus dem Nichts kommt, generiert Spannung und
der Stil der kurzen und knappen Sätze in Zusammenarbeit mit dem von mir
kritisierten "Seitenverschwendungsprinzip" des Verlages sorgt für eine
gewisse Rasanz. Mittig wird es einmal kurz etwas mau, schleicht sich das
Gefühl eines kleinen Hängers ein, das aber schnell bei den folgenden
Actionszenen schwindet. Bis auf diese kleine Phase der Ruhe weiß die
Geschichte zu fesseln, wird zum Page Turner wenn Sunny "Girlie-Bourne"
versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Ziemlich spannende Sache mit
einer sympathischen Protagonistin, einer sich möglicherweise anbahnenden
Liebesgeschichte und einem Thema, das selbst in Erwachsenenbücher viel
zu selten genutzt wird. Temporeiche Hatz durch Los Angeles, die man
durchaus als All Ager bezeichnen kann, weil man auch als erwachsener
Leser mit einigen kleinen Abstrichen hinsichtlich der Zielgruppe gut
unterhalten wird. Ein zweiter Teil wird auf jeden Fall noch folgen und
alles wird daher in "Blackbird" noch nicht aufgeklärt. Es bleiben viele
Fragen offen. Kleiner Tipp: Wer sich das Buch zulegen möchte oder auch
nur jemandem schenken will, bitte lest NICHT den Text auf der Rückseite -
oder versucht zu verhindern, dass er gelesen wird, denn dann braucht
man das Buch gar nicht mehr erst anrühren, da dort ein derart fetter
Spoiler vorhanden ist, gegen den ich mich richtiggehend schlank ausmache.
Rund 340 Seiten, die man auch auf knapp 220 hätte unterbringen können.
Als nächstes steht dann wieder richtige Erwachsenenlektüre von Scott Sigler an.
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