Montag, 24. Oktober 2011
Buchreview "Der Leichenkönig"
Tim Curran. Auf den Feldern der Toten wird die Ernte eingeholt. Bestellt von Erweckungswerkern mit schmutzigen Fingern, kalten Herzen und gierigen Gedanken werden die Felder mit Schaufel, Spaten und Schweiß bearbeitet. Unter einem dünnen Leichentucnh des fahlen Mondlichts werden die Früchte aus der feuchten, schwarzen Erde gepflückt, aus verschimmelten Särgen und wurmstichigen Totenhemden gerissen wie faulendes Korn aus zerfallenden Hülsen.
Clow und Mickey gehören zu diesen altertümlichen, kommerziellen Grabräubern, die ihre Sore meistbietend auf dem recht blühenden Markt an Autopsiesäle und Anatomielabore verscherbeln. Jede Nachgt ziehen sie los, um ihrem zumeist gefahrlosen Gewerbe nachzugehen. Die Konkurrenz ist groß, die Risiken steigen. Und sie haben nicht mit ihm gerechnet: Dem Leichenkönig. Und der ist ob ihrer Schandtaten regelrecht angepisst, bedienen sie sich doch unerlaubt aus seinem Reservoir. So wird ihre erste Begegnung mit ihm zu einer unfreiwilligen Allianz. Besonders Clow muss sich nun überlegen, wie er den Leichenkönig für seine Räuberei entschädigen kann, stellt dieser doch einen gewaltigen Anspruch: Feed me. Und so bleibt Clow mangels Nachschub in gewünschter Menge nur die Möglichkeit, mit dem "Burken" zu beginnen. Ganz schlecht. Wurde die Grabräuberei nicht ganz so drastisch verfolgt, ist bei Mord die Staatsmacht schnell auf seiner Fährte.
Die knapp 140 Seiten lange Novelle von Tim Curran weckt natürlich sofort Erinnerungen an den Film "Burke & Hare" von John Landis (der ich übrigens nicht so recht begeistern konnte), was aber der Vorstellungskraft hinsichtlich der Atmosphäre im Schottland des Jahres 1820 und der Gegend um Glasgow und Edinburgh nur entgegenkommt. Matschige, versiffte Slums, 90% der Bewohner leben unter der Armutsgrenze, gerechten Lohn für Arbeit gibt es schon mal gar nicht und Kinderarbeit ist natürlich an der Tagesordnung. Als Grundlage für seine Geschichte bedient sich Curran überlieferter, historischer Ereignisse, die er mit einer gruseligen Mär verdichtet. Trotz der geringen Seitenzahl schafft es der Autor, das Setting bildhaft zu vermitteln. Die Sprache ist derb wie der Humor, manchmal auch recht blumig in der Beschreibung und stilistisch bewegt sich Curran doch etwas über dem Durchschnitt und es gelingt ihm leicht, den Leser in den Bann der damaligen Zeit zu ziehen und ihm einen wohligen Schauer des Grusels über den Rücken zu jagen. Leider dauert es aber viel zu lange, bis der Leichenkönig seinen ersten wirklichen Auftritt hat, da sind schon zwei Drittel des Werkes vorüber. Bis dahin dominiert die wie der Buchumschlag deprimierend-finstere Kulisse das Geschehen. Gruslig, aber kein harter Horror. Insgesamt geradeso gelungen, aber auch wahrlich kein absolutes MUSS, da die Fütterung nur auf den letzten Seiten abgehandelt wird. Somit keine wirkliche Empfehlung für weitere Romane des Herrn Curran. Mal sehen, was der demnächst in traditioneller Länge von rund 400 Seiten erscheinende Roman "Zerfleischt" so zu bieten hat. Etwas mehr als in "Der Leichenkönig" darf es dann schon sein.
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