Montag, 24. Oktober 2011
Buchreview "Infektion"
Ben Tripp. Forest Peak. Eine kleine Stadt, beschaulich und gemütlich, in der Nähe von los Angeles. An sich hat Sheriff Danielle Adelman mit dem Nationalfeiertag und dem Verschwinden ihrer jüngeren Schwester mehr als genug zu tun. Doch dann wird ihre Heimatstadt von zahllosen Flüchtlingen überrant, die alle an einer mysteriösen Krankheit leiden. Danielle ahnt, dass die Seuche eine Bedrohung nicht nur für die Bevölkerung von Forest Peak darstellt, aber als sie das gesamte Ausmaß der Gefahr begreift, ist es zu spät.
Danielle "Danny" Adelman hasst den Unabhängigkeitstag, da er ihr in ihrer Funktion als Sheriff der kleinen Gemeinde nur mehr Arbeit einbringt. Der Massentourismus aus den Großstädten bringt so einige Nachteile mit sich: besuchermassen, Paraden, Suffköppe, Schlägereien und als wäre das noch nicht genug, schnappt sich ihre 10 Jahre jüngere Schwester Dannys heißgeliebten Mustang und macht sich mit unbekanntem Ziel aus dem Staub. Ein kleineres Problem, wie sich bald herausstellt. Aus Los Angeles dringen erste mysteriöse Nachrichten über Unruhen zu ihnen durch. Ein von dort ausgeliehener Officer berichtet über ähnliche Vorfälle - alle unbestätigt - in Asien. China, Korea und Japan seien betroffen. Völlig unerwartet wird die kleine Stadt von einer immensen Horde Flüchtlinge aus den Städten förmlich überrant. Sie rennen, bis sie tot umfallen. Wieso? Ein Virus? Und dann stehen die Toten wieder auf und bringen Tod und Zerstörung über den Ort, der aufgrund der schieren Masse nicht mehr zu halten ist. Eine kleine Gruppe Überlebender macht sich auf, eine sichere Zuflucht zu suchen. Doch die Seuche breitet sich aus, das gesamte Land ist betroffen. Die Armee schreitet ein, private Söldnerfirmen haben Hochkonjunktur. In San Francisco finden etliche Scharmützel statt - Danny mittendrin. Da immer mehr Menschen infiziert werden,müssen sich die Überlebenden zu Konvois zusammenschließen und durch das Land ziehen, um überleben zu können und sich Lebensmittel aus verlassenen Orten und Geschäften zu beschaffen. Immer der Gefahr eines Angriffs durch marodierende Banden oder abtrünnige Söldner ausgesetzt.
Ben Tripp hat sich bei seinem 620 Seiten langen Debütroman zu Beginn die Zeit genommen, seine Protagonistin Danielle Adelman mit einem Posttraumatischen Stresssyndrom als Überbleibsel aus dem Irak, wohin sie für vier Jahre eingezogen wurde, sowie einem hohen Tabletten- und Alkoholmissbrauch zu versehen. Sie steht den Tag nur mit ordentlich Promille durch, ist unleidlich und abweisend sowie kontaktscheu, wird aber von der Bevölkerung akzeptiert. Im Privatleben hat sie nur ihre zehn Jahre jüngere Schwester, die mit der Vernachlässigung durch Danielle aufgrund ihrer Armeezeit und des Jobs nach dem Tod der Eltern nicht zurechtkommt. In Nebensätzen ein bisschen Kritik am Zustand des Landes. Da werden doch glatt die vielen bunten Fähnchen, mit denen am Nationalfeiertag in den Landesfarben munter gewedelt wird, aufgrund von Outsourcing billig beim größten Gläubiger der einstmals so stolzen Nation China hergestellt. Da liefern doch glatt die ehemaligen Feinde die Utensilien für die großen Feierlichkeiten - ein Hohn für die Weltpolizei von eigenen Gnaden. Doch allzu lange hält sich Tripp nicht mit der Charakterisierung auf, denn schon ab Seite 50 kommen die ersten Vorboten und ab Seite 80 ist die Kacke schon am Dampfen - und es wird noch schlimmer. Tripp zieht den Leser förmlich in die Handlung, lässt Kopfkino entstehen, wenn die Bürger die erste Nacht verbarrikadiert in ihren Wohnungen verbringen. Wenn sie dann mit den Aufräumarbeiten beginnen und sich die ersten Toten wieder erheben, das blanke Entsetzen. Die Fragen, die sich auftun, was das nun ist. Und hier ist mal wohltuend hervorzuheben, dass der Autor mal seine Hauptfiguren nicht ewig rumrätseln lässt, was die Auferstandenen denn nun sein könnten. In einem Roman aus dem Jahre 2011 sollte doch jeder schon mal von Zombies gehört haben. Es kann einem echt auf den Senkel gehen, wenn in Filmen oder Büchern neueren Datums alle deppert rumrennen als hätten sie noch nie von Zombies gehört. Hallo? Aufgewacht! Nachdem also die Zombies nach dem Motto "Steht auf und fresst den Rest" auf die Jagd machen, sinniert doch tatsächlich einer, wie sich die katholische Kirche, die ja schon ein Riesenproblem mit der gleichgeschlechtlichen Ehe hat, wohl zu der Tatsache verhalten würde, dass es künftig vielleicht mal Ehen zwischen Lebenden und Toten geben könnte. Doch der Überlebenskampf lässt solche Spielereien schnell vergessen. Das Tempo zieht immer mehr an und hat zum Ende des ersten Drittels höchsten Unterhaltungswert garantiert. Der Mittelteil ist etwas gediegener und ruhiger, aber immer noch so mit Actioneinlagen gesprenkelt, dass niemals Langeweile aufkommt. Im letzten Teil wird dann wieder die Handbremse gelöst und die Story nimmt wieder Fahrt bis zum bitteren Ende (?) auf. Die Heldin muss sich von ihrem geistigen Vater aber mit der Tatsache abfertigen lassen, dass es in der ganzen Story keinen Loveinterest gibt, er Amore völlig außen vor lässt, keine Schmachtereien abliefert und sie selbst mit einer ordentlichen Portion Egoismus bei der Suche nach ihrer Schwester versieht, die durchaus darin gipfeln könnte, dass sie ihre Gruppe für die Schwester opfern würde.
Als der veröffentlichende Verlag vor einiger Zeit "Patient Null" von Jonathan Maberry trotz großer Ankündigung nicht fortsetzte, gab es fürwahr einige enttäuschte Gesichter - meines inklusive. Mit "Infektion" von Ben Tripp hat man einen fast würdigen Nachfolger gefunden - und wäre aus dem einen oder anderen Scharmützel eine richtige Schlacht geworden, könnte man das "fast" auch weglassen. Da erhält man richtigen Zombie-Horror mit klug eingebauten Actioneinlagen, teilweise recht heftigen Szenen und äußerst unterhaltsam. Auf Klischees wird mit Ausnahme einer weltfremden Politilkerin erfreulicherweise verzichtet. Vielleicht ruft das eine oder andere Bild Erinnerungen an diverse Filme hervor, doch hilft das nur bei der Vorstellung der Geschehnisse und wirkt nicht abgekupfert. Tripp erfindet das Genre nicht neu, haucht ihm aber Leben ein. Und da noch Fragen offen bleiben, kommt vielleicht bald Nachschub - so der Verlag diesmal nicht wieder den Spielverderber gibt. Übrigens hatte ich das Dingen in zwei Tagen durch.
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