Don Winslow. Am Strand ist das Paradies. Am Strand ist die Hölle. Hier verlor Kalifornien seine Unschuld.
Das Trio Ben, Chon und O lebt 2005 eher müßiggängerisch an den Stränden von Laguna Beach und ist vom Arbeiten so weit entfernt, wie dieser Blogger davon, ernst genommen zu werden. Der Ort im Orange County, Kalifornien, ist ein echtes Surferparadies, das Chon - man höre und staune - nur für Einsätze für die Spezialeinheiten der Army in Sandland verlässt. Eines Tages bringt er von drüben ein zartes Pflänzchen mit, das die drei hegen und pflegen wie ein Baby ermöglicht sie ihnen doch den Einstieg ins Geschäft mit sanften Drogen. Ben kreiert eine exzellente neue Mischung, die sie dann auf den heimischen Markt bringen. Als die Nachfrage und somit das Geschäftsumfeld sich ausweitet, meldet sich die Konkurrenz, die keine Neulinge auf ihrem Territorium duldet außer sie zahlen eine Abgabe. Eine wenig subtile Warnung wird von Chon mit einigen gebrochenen Knochen beantwortet, bevor er zum nächsten Einsatz für sein Land aufbricht. Kaum ist Chon aus dem Weg, starten ihre Gegner einen neuen Versuch mit einem Vorschlag, den Ben vordergründig akzeptiert, während er längst an einem Plan für einen Konter bastelt. Ben ist stur und lässt sich nicht gerne zu etwas drängen. Als Chon dann aus Afghanistan zurückkommt, gedenken sie diesen Plan in die Tat umzusetzen. 1967, 1976, 1981. Aus der Happy-Hippie-Zeit in Laguna Beach entwickelt sich unter Anleitung von Doc, John, Stan und Diane sowie der jungen Kim nach und nach die kalifornische Drogenszene. Da wird dann aus Gras bald das lukrativere Gechäft mit Heroin, die Einnahmen steigen. Und Jahre später, eben 2005, kreuzen sich die Wege von Jung und Alt, finden Kinder ihre Eltern, lernen Verleugnung, Wahrheit und sogar Fürsorge kennen. Alles im Strudel um den War on drugs, der ja eigentlich war against drugs heißen müsste, aber nicht umbenannt wurde, weil womöglich sämtliche damit befassten staatlichen Stellen und Politiker eben on drugs sind.
Don Winslow wie man ihn kennt und schätzt. Erstes Kapitel, vier Worte, eine Seite. Kurz, knapp, prägnant. Glücklicherweise geht es nicht ganz so sparsam und minimalistisch weiter, aber seine knackigen Sätze kommen dennoch mit wenigen Worten aus und erläutern dabei mehr als manche Autoren auf Seiten zustande bringen. Und der Schriftsteller hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Ob er nun den Liberalen eine Breitseite mitgibt oder sich darüber mokiert, dass mehr Geld in Kriege, Gefängnisse oder diverse kommunale Stellen gebuttert wird, statt in die Bildung. Vielleicht schützt ja Dummheit die Kinder vor Drogen. Mit "Kings of cool" schildert Winslow die Vorgeschichte zu "Zeit des Zorns" (unter dem Originaltitel "Savages" von Oliver Stone verfilmt) und gibt seinen Protagonisten dadurch mehr Tiefe, erhellt ihre Vergangenheit, befasst sich mit ihren Problemen, die sich durch die desinteressierten Ex-Hippie-Eltern mit zuviel Kohle und zu wenig Fürsorge ergeben. Jeder hat seinen eigenen Kopf, O tritt trotz vorhandener Intelligenz als nutzlose Schlampe mit oberflächlichem Gedankengut auf, Chon liebt den Kampf und Ben versteckt sich hinter einer Maske der Ruhe und lässt außer seinen Freunden niemand an sich heran. Mit vielen Verweisen auf seine bisherigen Romane - die man aber jetzt nicht unbedingt gelesen haben muss, um der Handlung folgen zu können - wie Bobby Z. oder Frankie Machine und mehr oder weniger dezenten Erwähnungen aus Literatur, Film und Musik führt Winslow die Wege der handelnden Personen zusammen und auch wenn dem Leser klar ist, dass das Trio zum Ende hin kleinen größeren körperlichen Schaden nehmen wird aufgrund dessen, dass es ja die Vorgeschichte zu "Zeit des Zorns" ist, kann der Autor trotz der einen oder anderen kleinen Verschnaufpause mit seiner einzigartigen Prosa eine gewisse Spannung und selbstverständlich den Lesefluss mit trockenem Humor und Sarkasmus gewürzt immer aufrecht erhalten. Und man ertappt sich als Konsument dabei, dass man trotz ihrer kriminellen Geschäfte mit den Dreien fiebert. Also wieder ein starker Roman aus der Feder von Don Winslow und man kann sich schon auf nächstes Jahr freuen, wenn bei Suhrkamp dann "Glamour" erscheinen soll. Dieser ist einige Jahre früher geschrieben worden als das vorliegende Werk und man kann gespannt sein, ob der Stil damals schon so prägnant war.
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