Freitag, 4. April 2014

Buchreview "Kindertotenlied" B. Minier

Bernard Minier. Hochsommerliche Hitze und heftige Gewitter belasten die Menschen im Süden Frankreichs, als ein brutaler Mord geschieht. Eine Professorin der Elite-Universität Marsac liegt ertrunken und grausam gefesselt in der Badewanne. In ihrem Rachen steckt eine Taschenlampe. Ohrenbetäubende Musik von Gustav Mahler schallt durch die Nacht. Kindertotenlieder. Beklemmung macht sich in Kommissar Martin Servaz breit. Ist Mahler doch der Lieblingskomponist des hochintelligenten und seit Monaten flüchtigen Serienmörders Julian Hirtmann. Hauptverdächtig ist jedoch ein Student: ausgerechnet der Sohn von Kommissar Servaz` Jugendliebe. Die Ermittlungen führen den Kommissar zu einem mysteriösen Studentenzirkel und zwingen ihn zu einer Reise in die eigene Vergangenheit. Amicus mihi Plato, sed magis amica veritas – Platon ist mir lieb, aber noch lieber ist mir die Wahrheit, lautet sein Motto. Doch die Wahrheit wird ihn in diesem Fall schmerzhaft an die Grenzen des Vorstellbaren bringen. 

Martin Servaz wird eines Nachts angerufen. Es ist seine Jugendliebe Marianne und ihr Sohn ist in Schwierigkeiten. Er wird am Pool eines Hauses gefunden. Der Pool ist voller Puppen, im Hause liegt die Besitzerin tot in der Wanne. Sie war eine Lehrerin des Studenten. Also eilt Servaz zu Hilfe. Und wird mit seiner Vergangenheit und Gegenwart konfrontiert. Nicht nur, dass er selbst dort studiert hat, auch seine Tochter ist derzeit hier Studentin. Er kennt einen der Lehrer/Professoren sehr gut. Es ist sein ehemaliger bester Freund Francis. Wegen ihm hatten sich damals Servaz und Marianne entzweit. Statt Schriftsteller wurde Servaz nun Polizist. Nach und nach tun sich mehrere Wege zu verschiedenen Verdächtigen mit den unterschiedlichsten Motiven auf. Zum einen wären da ein Studentenkreis, über den kaum jemand Kenntnis hat, ein Politiker, der sich in Lügen verstrickt, der junge Hugo und diverse vermeintliche Hinweise, welche die Tote hinterlassen hat. Und zu allem Übel mischt sich auch noch seine Tochter in die Ermittlungen ein. Womit er aber wirklich überhaupt nicht gerechnet hat, war die Tatsache, dass der flüchtige schweizer Serienkiller Hirtmann möglicherweise nun hier herumspukt. Mit der Unterstützung seines Teams versucht Martin Servaz den Fall aufzuklären, bringt sich aber selbst in Schwierigkeiten, als er einen Unschuldigen, den er für Hirtmann hält, erst zusammenschlägt und dann befragt bzw. aus Scham abhaut, bevor er Fragen stellen kann. Sofort wird er zum Chef nach Toulouse zurück zitiert und erhält einen fetten Rüffel. Dennoch darf er weiter ermitteln, da hinter den Kulissen jemand zu seinen Gunsten interveniert hat.

Aus dem Telefonat nach dem Mord entwickelt sich ein düsterer, unheimlicher Thriller, der "Schwarzer Schmetterling" in nichts nachsteht. Zudem werden das Privatleben und die Vergangenheit des Martin Servaz seziert, erfährt der Leser, warum der Polizist oft so distanziert erscheint, wie es ihn zur Polizei verschlagen hat. Der Protagonist sowie die Hauptfiguren erfahren eine ausführliche Charakterzeichnung und Bernard Minier entwickelt aus dem anfänglich recht simplen Fall von Mord - vermutlich aus Eifersucht -, der sich zu einem komplexen Geflecht aus Lug und Trug, Politik und Hass zusammenfügt und richtet dabei auch sein Augenmerk auf die französische Gesellschaft , die sich mehr für die Fußball WM 2010 und den Rumpelfußballern der Nationalmannschaft interessiert, denn für die Geschehnisse um sie herum, er kritisiert das Gesundheitswesen ebenso wie die Verschwendungssucht von Politikern, die finanzielle Vorteilnahme aus Steuergeldern für ihr verbrieftes Recht halten (geht ja hierzulande nicht anders zu) und macht sich Gedanken zur Bildungspolitik ("Wo der Fernseher leuchtet, wacht jemand, der nicht liest"), die man auch gut auf Deutschland übertragen könnte und da unsere Länder von Schreihälsen geradezu überschwemmt sind, tut Blödheit wohl doch weh. Was er sich aber trotz vorhandener Möglichkeiten verkneift, ist die Produktplatzierung. Wirkt einfach positiv nach den werbeverseuchten Romanen der Massenschreiber wie Brown, Grisham und Co. Im letzten Drittel gönnt Bernard Minier seinem vielschichtigen und beklemmenden Thriller neuen Schwung, sodass sich eine spannende und tiefgründige Lektüre entwickelt, die beweist, dass sein "Schwarzer Schmetterling" kein "One-Book-Wonder" war und dass er durchaus mit Jean Christophe Grange mithalten kann. Und auch hier ist nicht jede Lösung oder jedes Ende die perfekte Welt, die man sonst so vorgesetzt bekommt. Ach ja, das Korrektorat sollte sich vielleicht mal hinterfragen, ob es Berufsbezeichnung und Gehalt wirklich wert ist. Im Gegensatz zu dem wirklich gelungenen und starken Roman sehr verbesserungswürdig, da man nicht einmal merkt, wenn aus David plötzlich Daniel wird usw. Martin Servaz wird übrigens im dritten Roman von Bernard Minier ebenfalls wiederkehren.

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