Andreas Eschbach. Ein
strahlend weißer Racheengel geht um in der Stadt, der überall dort
auftaucht, wo Unschuldige in Gefahr sind, und diejenigen, die ihnen
Gewalt antun, brutal bestraft: Ist das wirklich nur die Schutzbehauptung
eines alten Mannes, der Selbstjustiz geübt hat? Ein Journalist deckt
auf: Es gibt diese Gestalt tatsächlich - er kann es beweisen. Und damit
nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
Ein alter Mann sieht in der
U-Bahn-Station zwei junge Vollidioten, die mutwillig eine der Sitzbänke
zertrümmern. Nach kurzem Zögern spricht er sie darauf an. Fehler!!! Die
von den Politikern vielgepredigte Zivilcourage bringt ihn in
Lebensgefahr. Die beiden Vollidioten schlagen den Mann zusammen und als
er am Boden liegt, treten sie weiter auf ihn ein. Brutal, rücksichtslos.
Eine Frau, die auch in die Station wollte, versteckt sich aus Angst
schnell hinter einer Ecke. Doch dann taucht eine Lichtgestalt (NEIN,
nicht Franz Beckenbauer, der gilt nur für Fußball) auf und erledigt die
beiden Schläger mit jeweils einem Schuss in den Hinterkopf. Die Frau
ruft die Polizei - aber anonym - und geht dann ihres Weges. Der
Staatsanwalt, derzeit voll auf den momentan populären Kuschelkurs bei
jugendlichen Straftätern oder gleich Gewohntheitskriminellen
eingestellt, versucht, die Sache so zu drehen, dass der alte Mann in
reiner Selbstjustiz mit den Deppen abgerechnet hat. Sämtliche
vorhandenen Zweifel lässt er wirkungslos an sich abprallen. Und die
sensationsgeile Presse wird sofort munter. Natürlich wird dem Opfer die
Schuld an dem Vorfall in die Schuhe geschoben von wegen, er habe die
Blagen provoziert und die armen Kerle hätten im Leben ja nie eine
richtige Chance gehabt. Dass beide eigentlich aus behüteten
Verhältnissen kamen, lässt man gerne unter den Tisch fallen. Nur Ingo
Praise - freier Reporter für ein Schundblatt mit dazugehörigem TV-Sender
- will eine Sendung über die wahren Opfer machen. Nach einigem Zögern
stimmt sein Chef zu. Die Quoten rauschen durch die Decke. Man ist sich
aber auch für keinen Trick zu schade, um Interviewpartner reinzulegen,
zu präsentieren, der Lächerlichkeit preis zu geben oder einfach durch
Auslassungen die "Wahrheit" in ihrem Sinne zu manipulieren. Und die
Tötung der beiden Angreifer war kein Einzelfall. Die Polizei tappt im
Dunkeln, wird zudem noch aktiv von ihren Vorgesetzten behindert, die
auch lieber diverse Mängel vertuschen wollen.
Andreas Eschbach
greift in gewohnt souveräner Manier wieder eines der großen Themen
unserer heutigen Gesellschaft auf: Warum werden denn aus den Opfern
alsbald die wahren Täter gemacht, warum werden Typen, die Menschen für
ihr gesamtes Leben zeichnen oder gar töten, mit geringeren Strafen
bedacht als ein Steuergauner? Schwer zu verstehen, schwer zu erklären
und ganz schwer, sich endgültig festzulegen. Macht Andreas Eschbach auch
nicht. Sich Gedanken zu dem Thema zu machen, überlässt er gerne dem
Leser. Er jubelt niemand seine Meinung unter, zählt im Zusammenhang mit
seiner Geschichte nur Fakten auf, die jeder schon in den vielen
Berichten über die U-Bahn-Schläger dieser Nation gelesen hat. Der Staat
ist pleite, kann die Sicherheit seiner Bürger schon lange nicht mehr
gewährleisten, weil aus Kostengründen auch bei den Sicherheitsorganen
Sparmaßnahmen die Handlungsfähigkeit lahmlegen. Unterbringung der
Straftäter in irgendwelchen Gefängnissen ist ebenfalls viel zu teuer.
Also wird alles verharmlost, die Täter mit nem Klaps auf die
Dreckgriffel wieder auf die Menschheit losgelassen. Und da man ja
rechtlich gesehen einem frechen Balg keine mehr mit auf den Weg geben
darf, so als Erziehungsmaßnahme aus elterlicher Sicht, fehlt es den
Rotzlöffeln eh meist an Respekt. Beispiel Schule. Die Lehrer sollen die
Erziehungsaufgaben von Eltern übernehmen, die entweder überfordert sind
oder sich schlicht vor der Verantwortung drücken und sie auf die Schule
abwälzen. Aber wenn der Lehrer einem ihrer Bälger die Meinung sagt,
stehen sie plötzlich mit der Androhung von Rechtsmitteln vor der Tür.
Und die Medien: die drücken lieber auf die Tränendrüse bei den Tätern ob
deren Verhältnissen oder der schweren Kindheit, weil sich einer beim
Popeln leicht in der Nase gekratzt hat und seitdem derart traumatisiert
ist, dass er um sich schlägt. Aus sowas lässt sich leicht ne ganze
Doku-Reihe machen. Die Opfer sind da weniger interessant, weil die Leute
befürchten, dass man selbst zu so einem Opfer werden kann und solche
Sachen nicht sehen wollen. Verkauft sich nicht, also uninteressant.
Gerade die Massenmedien wie Billig-Boulevard mit an- oder auch
abhängigem TV-Sender schüren diese Stimmungsmache. Und am Ende werden
Helfer noch selbst Opfer. Opfer einer Justiz, die Notwehr so schwammig
formuliert, dass man jederzeit auch überzogene Gewaltanwendung
attestieren kann und der Helfer immer mit einer Anzeige wegen
Körperverletzung rechnen muss. Die große Frage: Was ist unter solchen
Umständen mit der Zivil-Courage? Würde man da noch helfen? Was tun mit
solchen Schlägern? Gesetze verschärfen? Damit kann sich der Leser das
ganze Buch über beschäftigen. Die Thrillerhandlung wird da fast zur
Nebensache und leider löst sich genau da, wo es spannend werden und sich
eine echte Diskussion zum Thema entwickeln könnte, die Sache im Roman
in Luft auf. Der Schluss ist leider auch das Schwächste am gesamten
Buch. Zeitmangel und auch Platzmangel erforderten
hier eine Kurzrezi, wo eigentlich mehr hingehört hätte.
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