Montag, 7. Juli 2014

Buchreview "Faceless - Der Tod hat kein Gesicht" T. Hayes

Terry Hayes. Als der amerikanische Geheimdienst einer Verschwörung auf die Spur kommt, die das Gesicht der westlichen Welt für immer auszulöschen droht, wird Agent Pilgrim auf den Fall angesetzt. Denn Pilgrim ist genau der richtige Mann für den Job - er ist schnell, hochintelligent und überaus wandlungsfähig. Doch der unbekannte Drahtzieher hinter den Anschlagsplänen ist den Amerikanern immer einen Schritt voraus. Um ihn aufzuhalten, muss der Agent einen gefährlichen Kamof gegen die Zeit gewinnen. Und am Ende steht nur noch Pilgrim zwischen dem unsichtbaren Feind und dem Leben von Millionen Menschen. 

Scott Murdoch - wie er derzeit heißt - wird von einem befreundeten Polizisten an einen Tatort gerufen, der schrecklich aussieht. Eine Frau wurde ermordet und ihr wurden in der Badewanne mit Säure Gesicht und Fingerabdrücke weggeätzt, die Zähne rausgebrochen und sämtliche möglichen Spuren mit Reiniger beseitigt. Dennoch fällt Murdoch etwas auf - der Täter war eine Frau. Und an  der Wand hängt ein Kalender von der Türkei, von Bodrum. Ach ja, während seiner Zeit ohne Betätigungsfeld hat er unter Pseudonym mit falscher Bio ein Buch verfasst. Sozusagen ein Best of der Mordermittllungen. Und genau an dieses Buch hat sich die Dame gehalten und anhand der akribischen Beschreibungen, wie man den perfekten Mord begeht, ihre Tat ausgeführt und die Spuren verwischt. In der Zwischenzeit machen australische Soldaten im Hindukusch eine grausige Entdeckung: Die Körper von zuvor entführten drei Mitarbeitern von Hilfsorganisationen liegen in einem "Kalkbad", um die Beweise zu vernichten. Der Anführer bemerkt schnell, dass hier die Gefahr von Bioterrorismus besteht. Die westliche Welt wird in Alarmbereitschaft versetzt und man sucht nach Hinweisen. Echelon bringt erste, wenn auch kleine Erkenntnisse: vom Tatort aus wurden zwei Telefonate nach Bodrum in der Türkei geführt. Wie es der Zufall so will, wird dort gerade der Tod eines steinreichen Amerikaners untersucht, was den US-Behörden zumindest einen Vorwand liefert, Murdoch aka Pilgrim unter dem Namen Brodie Wilson als FBI-Mann ins Land zu schleusen und ihn dort ermitteln zu lassen. Um sich genug Zeit zu verschaffen, zweifelt er die Unfalltheorie der hiesigen Polizei an  und fordert einen gründlichere Untersuchung nach Indizien für einen Mordfall. Natürlich macht er sich damit keine Freunde, schon gar nicht die Polizistein Leyla Cumali, die mit ihrem behinderten (gehandicapten) Sohn in Bodrum lebt. Unterdessen ist der Terrorist, den man nun "Sarazene" nennt, unterwegs nach Europa, nach Deutschland. In Karlsruhe kommt er bei Glaubensbrüdern unter und nimmt einen Job an, den er dringend zur Ausführung seiner teuflischen Pläne benötigt.      

Kurz: Das Beste an dem gebundenen Buch mit rund 800 Seiten ist der Preis von 14,99 Euro. Okay, so schlimm ist es nicht. Nicht ganz jedenfalls. Der Einstieg mit dem Mord und dem Auftauchen des Agenten am Tatort ist okay. Dass sich der Autor die Zeit nimmt, seinen Protagonisten sowie den Antagonisten ausführlich vorzustellen auch noch. Aber er geht dabei so weit zurück, dass man glauben könnte, bald kommen wir zu den ersten Handbetrieberfahrungen junger Bengel. Fast schon schwadronierend werden die Motivationen und die Lebenswege der beiden vorgestellt, immer wieder durch gedankliche Abschweifungen des Ich-Erzählers Murdoch unterbrochen. Das Buch erfordert Konzentration und lässt sich nicht einfach so nebenbei lesen. Irgendwie erinnert alles an Nelson DeMille - nur ohne dessen Humor. Und da krankt es schon. Wenn DeMille ins Schwallen gerät, ohne die Story voranzubringen, gibt es wenigstens zur Auflockerung was zu lachen, bei Terry Hayes eben nicht - und das macht die Sache mit der Zeit recht zäh. Und dann wurde es auch noch nervig. Mehrere Male wurde in kleinen Beiträgen doch tatsächlich wieder das böse Nazi-Deutschland aufs Tapet gebracht, ohne dass es mit der Geschichte an sich überhaupt etwas zu tun hatte. Man muss halt echte amerikanische Feindbilder hegen und pflegen. Nutzlos, sinnlos, schwach. Völlig überflüssig. Und leider ging es dann so weiter. Diverse europäische Länder (Albaner und Griechen sind Gangster, Türken korrupt und brutal, die Italiener faul usw.) sowie Saudi-Arabien (rückständig) werden hier fast schon durchgehend diffamiert. Richtig herb war dann, dass er aus seiner amerikanischen Sicht meinen musste, dass in Saudi-Arabien weder Freiheit noch Privatsphäre herrschen würden und im nächsten Satz schon das Echelon-Abhör-System der Amis über den grünen Klee lobt. Ja, die Amerikaner wissen Privatsphäre zu schätzen (nicht zu schützen). Besonders die anderer Nationen und von deren Bürgern. Da wollen sie alles wissen über deren Angelegenheiten, wie man ja schon seit Monaten der aktuellen Tagespresse entnehmen kann. Von wegen messen mit gleichem Maß. Den Hauruck-Patriotismus eines Tom Clancy hat er dem Leser zwar erspart, aber stattdessen halt die anderen runtergemacht. So geht es denn eben auch. Und sein Wissen über die Türkei, in der ein Großteil der zweiten Buchhälfte spielt, ist durchaus als mangelhaft zu bezeichnen. Etwas Recherchegenauigkeit hätte da sicher Wunder gewirkt. Irgendwie sehr mies war die Szenerie mit den kleinen behinderten Jungen rund 50 Seiten vor Schluss, verabscheuungswürdiger geht kaum noch, obwohl es keine blutrünstige Angelegenheit war. Was die beiden Fälle angeht, die Terry Hayes da zu seinen rund 800 Seiten verwoben hat, sind alle zwei Allerweltsware. Bioterror aus Afghanistan gab es schon x-mal besser, Unfall-/Mordermittlungen beim Tod eines reichen Lebemannes noch entschieden öfter. So bleibt ein umständliches Werk, das doch leicht ermüdend daherkommt, selten Tempo vorzuweisen hat, keine Überraschungen, dafür aber Klischees en masse bietet, wie sich der eine oder andere Ami halt die Welt ausserhalb seiner bildungsfreien Zone vorstellen könnte und mal so gar nicht an das zuletzt gelesene "Der Analyst" von Drew Chapman heranzureichen vermag. Kein Totalausfall, aber man braucht schon ne Ecke Geduld und einigen guten Willen für die Lektüre.

2 Kommentare:

Sean Archer hat gesagt…

Daumen hoch,Harry
Wieder ne tolle Buchreview!
Hat riesig Spass macht,sie zu lesen und hilft mir jetzt Geld zu sparen,da ich eigentlich vorhatte,mir dieses Buch auch zu kaufen:-)

Harry hat gesagt…

Naja, ob du dich ausschließlich auf meine Rezi bei der Kaufentsc heiodung verlassen solltest, weiß ich nicht. Es gibt auch sehr positive Meinungen, manche schreiben gar von einem Epos (episch ausgewalzt wären dann meine Worte). Aber wenn ich was empfehlen sollte, dann den "Der Analyst", der mich wirklich positiv überrascht hat und den neuen Jon Land, den ich heute noch in Angriff nehme, also hier poste. Nicht ganz so wie früher, aber auf jeden Fall näher an seinen besseren Werken als an den Ben Kamal-Sachen.

Gruß
Harry