Donnerstag, 21. August 2014

Buchreview "Die Verdammten" P. Liney

Peter Liney. Clancey ist in die Jahre gekommen. Früher stand er als Mann fürs Grobe in Diensten der Mafia. Jetzt zählt er zu den Ausgestoßenen: Er lebt auf einer Insel, auf die alle Alten und Gebrechlichen ausgelagert werden. Hier herrscht ein ständiger Kampf ums Überleben, und es gibt keinen Schutz vor den Scheusalen, die die Menschen in nebligen Nächten quälen. Eines Tages entdeckt Clancey eine geheimes Tunnelsystem, in dem ein blindes Mädchen lebt. Sie gibt ihm Hoffnung. Und die Gelegenheit, endlich zurückzuschlagen.

Irgendwann in gar nicht so ferner Zukunft werden alte Menschen und solche, deren finanzielle Mittel eine gewisse Untergrenze nicht einmal erreichen, auf eine Insel ausgelagert. Wurde es ihnen noch als die Chance zur Autonomie verkauft, stellen sie bald fest, dass sie auf einer Müllinsel gelandet sind, von der es kein Zurück mehr gibt. Die Insel wird als Müllhalde für echten Abfall und als Halde für die als  nutzlos abgestempelten Menschen genutzt. Dazu gehört auch Clancy (nicht wie im Klappentext angegeben mit einem "e"), der früher für den Mob als Schläger und hin und wieder als Killer sein tägliches Brot verdiente. Ebenso wie der Rest der vielen Ausgelagerten hat er schon fast aufgegeben und ernährt sich vom Tauschhandel mit aus dem Müll gezogenen Materialien, die von den Bewohnern auf dem Festland entsorgt werden. Eine große Gefahr lauert nachts im Nebel. Sobald der aufzieht, haben die Satelliten keine Chance mehr zur Überwachung und aus dem undurchdringlichen Dunst tauchen Gestalten auf, die die Behausungen der alten überfallen und etliche davon brutal niedermetzeln. Bei einer solchen Attacke wird der flüchtende Clancy verletzt und findet sich nach einer langen Bewusstlosigkeit im Dunkeln wieder, was ihn befürchten lässt, erblindet zu sein. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm. Er wurde von einem blinden Mädchen gerettet, das hinter einem gut getarnten Eingang in den Tunneln unter dem Erdboden und Müll lebt. Er bleibt und nach und nach richten sich die beiden so ein, dass auch Clancy sich zurechtfinden kann. Und dann holt er seine beiden Freunde Jimmy und Delilah in sein neues Reich, das die blinde Lena bereitwillig mit ihm und  nun den anderen Mitbewohnern teilt. Jimmy ist sieben Jahre älter (70) als Clancy, aber ein Sammler und Bastler vor dem Herrn, was für einige Differenzen sorgt. Dennoch bilden die vier Alten eine homogene Gemeinschaft. Doch dann entdeckt Clancy etwas, das die Gelegenheit zur Veränderung gibt. Und er will sie nutzen. 

Eine Dystopie, wie sie sich viele der agierenden Jungpolitiker, die ausser einem ewig langen Studium, Kenntnissen im Jointsdrehen und bei Demos Steinewerfen auf die Ordnungskräfte in ihrem nutzlosen Leben noch keinen Finger krumm gemacht haben, wahrhaft wünschen würden. Man gibt an sämtlichen Problemen der Gesellschaft einfach den Alten die Schuld und vergisst dabei, dass ohne deren Leistung die eigenen Vergünstigungen gar nicht existeieren würden. Nun haben sie es aber geschafft, dass erst die Arbeitslosenunterstützung eingestellt wurde, danach die Krankenversicherung (wer sich keinen Arzt leisten kann, hat halt Pech gehabt und erhält nen Inselurlaub), Renten und Pensionen kann man sich bei dem neuen Szenario auch sparen und für die Bildung braucht man auch nix mehr aufwenden, da die Jobs eh ins Ausland verlagert wurden und man demzufolge auch kein Wissen mehr braucht. Dazu eine Sicherheitspolitik, die nach den vielen Überwachungskameras und Drohnen endlich einen wirksamen Kniff gefunden hat: Die Bestrafungssatelliten. Allmächtig überwachen sie die Nation und entscheiden auch über die Strafen für Gesetzesübertretungen. Bei leichten kriegt man nur einen schwachen Laserstrahl ab, der einen nut für einige Tage aus dem Verkehr zieht, bei mittleren Vergehen können daraus Monate oder Jahre werden und bei schweren Verbrechen und natürlich Staatsvergehen wird man gegrillt. So weit weg von einem ähnlichen Szenario sind wir gar nicht mehr, wenn man sich die vielen Einsparungen und höflich verpackten Hetzparolen, die Bildungsmisere, die Wirtschaft oder die Kriminalität so anschaut. Neben der deutlichen Gesellschaftskritik hat Peter Liney entgegen den sonstigen Gepflogenheiten auf dem Unterhaltungsmarkt einmal die ältere Generation in den Mittelpunkt gestellt und liefert keine platte Unterhaltungsware ab. In einem durchaus auch spannenden Roman bietet er zwar keine großen Überraschungen an, kann aber doch die eine oder andere Wendung, die düstere Stimmung und später den Hoffnungsschimmer gut skizzieren. Auch seine Charaktere sind fein ausgearbeitet, bekommen eine Tiefe, die man bei vielen anderen Romanen dieses Genres eher selten findet. Wirklich Action kann man von dem Buch bis auf das packende Finale eher nicht erwarten, aber punktuell gesetzte Sprenkel davon passen sich so gut in die Handlung ein, dass niemals Langeweile oder eine Durststrecke aufkommen will. Keine Neuerfindung des Genres, aber mit der Kritik an  der derzeitigen Entwicklung und einem umgekehrten Szenario des dystopischen Jugendwahns in Buch und Film ein wahrhaft gelungener Beginn einer Trilogie. Erfreulicherweise hat das Buch auch einen vernünftigen Abschluss, sodass man sich nicht grämen muss, wenn der Verlag mal wieder wie viele in dem Geschäft, mitten in einer Reihe aufhört. Lesenswert.

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