Montag, 18. August 2014

Buchreview "Öffne die Augen"

Franck Thilliez. Lucie Henebelle von der Kriminalpolizei Lille steht vor einem Rätsel, als sie den panischen Anruf eines Freundes erhält: Der leidenschaftliche Filmsammler hatte einen alten Streifen betrachtet und ist nun erblindet. Als Lucie anfängt zu recherchieren, stellt sie schnell fest, dass der Film eine tödliche Gefahr darstellt. Etwas zur gleichen Zeit entdeckt man am Ufer der Seine fünf Leichen, deren Gehirne entfernt wurden. Der Pariser Kommissar Franck Sharko stößt bald auf eine Spur, die ihn zu Lucie führt - und die beiden erkennen, dass es einen diabolischen Zusammenhang zwischen den Fällen gibt.

Eine Anzeige für die Auflösung einer Sammlung alter Filme lockt den Enthusiasten Ludovic nach Lüttich. Er ersteht zehn Filme und beim Betrachten des einen, der ohne Titel ist, erblindet er, verliert sein Sehvermögen völlig. Er ruft die Kommissarin Henebelle an, deren Telefonnummer er aufgrund einer früheren Beziehung noch in seinem Nummernspeicher hatte, aus der er willkürlich eine Rufnummer drückte, da er ohne Augenlicht schließlich keine lesen konnte. Er wird ins Krankenhaus gebracht, wo man nach einigen Untersuchungen zum Schluss kommt, dass er bald wieder seinem Hobby frönen kann. Selbstverständlich ist er ganz aufgeregt, weil er dem Film die Schuld gibt und Lucie will sich die Sache ansehen - und wenn es nur seiner Beruhigung dient. Leider aber nicht ihrer. Was sie zu sehen bekommt, ist derart verstörend, dass sie den Film an einen guten Bekannten und Filmrestaurator weitergibt. Der kann ihr schon einiges über die Machart des Werkes sagen, besonders darüber, dass in den Film, der eine Laufgeschwindgikeit von 50/per second hat, damit man so viele weitere Bilder wie möglich unter dem offensichtlichen Material verstecken kann, weitaus gruseligeres Material zu finden ist. Diese Bilder sind brutal und pervers. Während sie nun weiter nachforscht, wird Hauptkommissar Franck Sharko in Paris mit dem fund von fünf männlichen Leichen konfrontiert, denen man das Hirn entfernt hat und die durch das Herausstechen der Augen, entfernen der Hände und Zähne möglichst unidentifizierbar gemacht wurden. Ein Hinweis ergibt, dass 1993 in Kairo ähnliche Fälle vorkamen, aber schnell zu den Akten gelegt wurden. Dennoch reist Sharko nach Ägypten. Doch zuvor trifft er sich mit Lucie, die anhand der Telefonliste feststellte, dass ihr Freund Ludovic nach der Ausstrahlung der Leichenfunde in seiner bevorzugten Nachrichtensendung sofort diverse Anrufe tätigte. Sie vermutet einen Zusammenhang und schließt sich mit Sharko kurz. 

Franck Thilliez bringt dem Leser (Zumindest jenen wir mir, für die "Öffne die Augen" das erste Buch aus dessen Tastatur ist) zwei Protagonisten näher, die beide ein kompliziertes Privatleben mit einigen tragischen Momenten haben. Nach dem Tod von Frau und Tochter leidet Sharko unter Schizophrenie und hat einige Marotten entwickelt - Stichwort Spielzeugeisenbahnen und Badewannen. Er hat zudem mit den Wechselwirkungen der verschriebenen Medikamente zu kämpfen und kann von jetzt auf gleich deftig ausrasten, obwohl er ansonsten einen recht souveränen und sympathischen Eindruck macht. Henebelle hingegen kämpft gegen sich selbst und ihr Pflichtbewusstsein, da sie deswegen ihre Töchter, die sie seit ihr Mann die Flucht ergriffen hat, allein erziehen muss und irgendwie auch gegen ihre dominante Mutter, die ihr zwar mit den Kindern hilft, sich aber auch nur zu gerne in ihr Leben einmischt und ungewollte Ratschläge erteilt. "Öffne die Augen" entwickelt sich mit fortlaufender Handlung zu einem düsteren und fiesen Thriller, der mit Gedanken- und Gehirnmanipulation "spielt" und dessen dunkle Geheimnisse weit zurückreichen (Und noch nicht einmal die Nazis wurden diesmal als Bösewichter herangezogen, Kompliment) und auch das inzwischen verbotene Mittel der Werbung anprangern, in der zwischen die eigentlichen und offensichtlichen Bilder, weitere eingefügt sind, die man mit dem Auge zwar kaum wahrnimmt, die aber vom Gehirn durchaus erkannt und gespeichert werden. Klar, dass sich die Politik das auch mal zunutze machte, dies aber angeblich nach dem Verbot nicht mehr tut. Immer grauseliger werden die Entdeckungen der beiden Polizisten, immer weiter ziehen sich die Kreise der Beteiligten und immer mehr Mitwisser werden beseitigt. Der Fall erweist sich bald als global, neben Belgien und Frankreich, werden auch Ägypten, Kanada und die USA zu Stationen der Ermittlungen. Viel Action gibt es in dem Buch nicht, doch die Spannung und die immer wieder in eine nicht wirklich erwartete Richtung springenden Ergebnisse aus den Nachforschungen entschädigen dafür durchaus. Grausame Wissenschaft, bösartige Experimente, Staatsdiener mit Geheimnissen, Fremdenlegion und Abhörmaßnahmen sowie Mordversuche an den Protagonisten in einem atmosphärisch dichten Thriller mit einigen Horrorelementen um Vorgänge, die nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Diverse Versuche, wie sie hier beschrieben werden, haben tatsächlich existiert. Wer sich die Bücher von Jean-Christophe Grange oder Bernard Minier gerne zu Gemüte führt und dabei kaum enttäuscht wurde, der ist bei Franck Thilliez auch am richtigen Platz. Der eine oder andere Leser kennt vielleicht auch den Film "Die Kammer der toten Kinder". Weitere Werke von ihm werden sicher den Weg in meinen Bücherstapel (der ungelesenen) finden.

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