Mittwoch, 22. Oktober 2014

Buchreview "Missing. New York" D. Winslow

Don Winslow. Die ganze Stadt ist Aufruhr: Die siebenjährige Hailey ist spurlos verschwunden. Vom Täter keine Spur. Einzig Frank Decker glaubt, dass das Mädchen noch lebt, irgendwo versteckt. Er ist der typische Cop, wortkarg und unbestechlich. Doch was niemand ahnt: Er hat ein weiches Herz. Für seine Ex-Frau und die Opfer der Verbrecher. So macht er sich mit unerbittlicher Konsequenz auf die Suche nach Hailey. Er kündigt schließlich sogar seinen Job, packt das Auto voll und folgt einem vagen Hinweis, der ihn nach New York führt. Denn hat er sich einmal in einen Fall verbissen, lässt er nicht locker, bis er ihn - egal wie - gelöst hat. Er ist ein besessener Kämpfer gegen das Unrecht, ein Getriebener, der Gerechtigkeit sucht.

Frank Decker wird zu einem Fall eines verschwundenen Kindes gerufen. Hailey, FÜNF Jahre alt, ist einfach weg, obwohl ihre Mutter sie nur kurz aus den Augen gelassen hatte. Schnell beginnt der routinierte Ablauf in einem solchen Fall. Zeugen befragen, Nachbarschaft abklappern, die Datenbanken nach Kinderschändern in der Umgebung überprüfen bzw. ob derzeit welche auf freiem Fuß sind, die eigentlich noch sitzen müssten, Familienhintergrund checken. Bringt alles nichts. Schlimm daran ist, dass dadurch auch die alleinerziehende Mutter, trockene Alkoholikerin, in Verdacht gerät. Der Vater des Kindes hatte sich beim ersten Anzeichen von Schwangerschaft blitzartig verzogen und ist auch noch vor drei Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Doch nichts deutet nach Franks Ansicht auf die Mutter hin. Die Zeit drängt, da man in solchen Fällen die Kinder nach vierundzwanzig Stunden schon für tot hält. Da wird plötzlich ein zweites Kind, Brittany Morgan, als vermisst gemeldet. Vielleicht der gleiche Täter, ein Serienkinderschänder? Da die Eltern vermögend sind, wird die Suche intensiviert und bald findet man das Kind - tot. Jetzt hat man auch keine Hoffnung mehr für Hailey. Sie greifen sich aber einen bekannten Straftäter, der nach Aussage eines Jungen am Tag des Verschwindens von Brittany durch die Straßen gefahren sei. Sie können ihn sogar mit Brittany in Verbindung bringen und dafür einsacken, aber Hailey hilft das nicht. Decker macht der Fall ebenso zu schaffen, wie seine Eheprobleme. Er und seine (Noch!) Frau leben nur noch nebeneinander her, haben sich außer bei unsinnigen Streitereien kaum noch etwas zu sagen. Laura ist Wirtschaftsjuristin mit Ambitionen Richtung Bürgermeisteramt und will einen Gatten, der vorzeigbar ist und im Polizeidienst Karriere macht, befördert wird. Decker will aber nicht nur als Mann der Bürgermeisterin gesehen werden und auf eine Beförderung ist er auch nicht scharf. Als die Situation sich nicht klärt und er den unbedingten Willen hat, die kleine Hailey zu retten, kündigt er seinen Job bei der Polizei in Lincoln, Nebraska, und macht sich allein auf den Weg durchs Land, um sie zu finden. Er geht Hinweisen nach, die er übers Internet in Foren für solche Fälle erhältund muss die meisten schon bald als Fehlschlag anerkennen. Bis eines Tages ein Hinweis aus New York kommt, der ihn in die Gesellschaft der Models und der Reichen in den Hamptons bringt.

Klappentext mal wieder nur oberflächlich dahingeschludert (Kindesalter, Familienstand Decker) und zudem mit Seitenschinderei und Blindenschrift aufgeblähtes Buch mir nicht einmal 400 Seiten, um einen Preis von 14,99 € zu rechtfertigen. Nach "Vergeltung" ein weiteres Buch von Don Winslow, dem Verlagshopper, das sich um einen Allerweltsfall handelt. Sorry, aber nach Büchern wie "Frankie Machine" oder "Tage der Toten" bin ich wohl zu verwöhnt. Sicher, das Ganze liest sich flugs in einem Zug durch, obwohl er von seinem stakkatoartigen Stil etwas abgewichen ist, ist aber auch recht konventionell und bietet wenig Überraschungen. Das Thema ist zwar düster, aber viel Tiefgang ist nicht zu erwarten, die Charakterzeichnung ist - abgesehen von Decker - ähnlich oberflächlich wie der Klappentext, bietet einige Klischees und den gewohnten - kleinen - Seitenhieb Richtung Politiker. Viel mehr als seichte und leicht zu konsumierende Mainstreamunterhaltung wird hier leider nicht geboten, aber wer es in diesem Stil mag, wird dann auch ordentlich bedient. Die Kapitelenden sind clever gesetzt, animieren zum Weiterlesen, einige (falsche) Fährten werden gelegt, was die Spannung hebt und die knappen, aber nicht so temporeich wie früher dargebotenen Sätze sind ebenfalls für einen Page Turner gut. Netter, unangestrengter Krimi für nebenbei mit einem Landei-Polizist in der Großstadt. Irgendwie frage ich mich, ob es nicht wirklich ein Zeichen ist, dass die beiden Bücher "Vergeltung" und "Missing. New York" in den USA weder erschienen sind, noch irgendwo gelistet werden. Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die angekündigte Fortsetzung zu "Tage der Toten", in der Don Winslow dann hoffentlich wieder seine Klasse beweist, die er erwiesenermaßen hat. Das hier ist leider weniger alte Klasse, sondern viel näher an der Massenware als von mir erhofft. Kann man sich kaufen, aber eine Pflichtempfehlung für den Nachttisch ist es nicht. Schade.

Ich zitiere hier mal eine Rezi zum Buch bei Amazon:
 
Zitat Anfang: Rezension bezieht sich auf: Missing. New York: Roman (Broschiert)
Habe das Buch noch nicht gelesen, aber die Inhaltsangabe klingt sehr spannend.
Don Winslow schreibt einfach Klasse, testet den Schriftsteller einfach mal. Zitat Ende.

So formuliert könnten meine Rezis doch sicher auch künftig aussehen, oder? Nicht so viel Text. Ist ja eklig ein Buch erst zu lesen, bevor man es beurteilt.

3 Kommentare:

Brice hat gesagt…

Naja bei Amazon sind die Hälfte der Rezis von Leuten die das Produkt nicht mal besitzen. Mindestens ein weiteres Viertel ist dann eingekauft um das Produkt zu pushen. Lese dort nicht mal auch nur einen Satz.

Winslow sollte lieber mal an einem neuen Pacific Buch schreiben. Frankie Machine fand ich übrigens nach gelungenem Auftakt eher so mittelmäßig. Vor allem durch die ständigen Rückblenden musste ich mich ziemlich Quälen. Aber lag vielleicht einfach auch am Mafia Thema, ist nicht so ganz meins.

Harry hat gesagt…

Ach, wenn man dann in Forum so ne Rezi quasi aufs Auge gedrückt bekommt, muss man auch drüber lästern. Ist ja jetzt nicht so, dass meine qualitativ hochwertig sind und jeder nur halbwegs kompetente Rezensent würde die auch zerreißen, aber so etwas wie da, ist halt eben nur Unsinn.

Winslow und auch andere Autoren (Gilt aber auch für Filmschaffende oder im Musikbereich und sogar in der Arbeitswelt) werden zumeist an ihren Bestleistungen gemessen. Da man die halt nicht immer gleichbleibend erbringen kann, nörgelt der Verwöhnte Kunde (und Harry) eben rum. Bei Winslow warte ich jetzt gespannt auf seine Fortsetzung zu "Tage der Toten". Das ist mein favorisiertes Buch von ihm.

Gruß
Harry

Brice hat gesagt…

Tage der Toten habe ich noch gar nicht gelesen. Werde ich mal nachholen :)