Mittwoch, 29. April 2015

Buchreview "Der unglaubliche Mr. Corpse"

Jeff Strand. Zombies. Manchmal steigen sie aus ihren Gräbern und gieren nach Menschenfleisch. Manchmal werden sie von verrückten Wissenschaftlern erschaffen, um eine unaufhaltsame Armee Untoter zu werden. Manchmal wird die Zombie-Plage durch einen schrecklichen Virus übertragen und manchmal, da erheben sie sich live vor Millionen Zuschauern während einer Spezialsendung im Hauptabendprogramm. Dies ist die Geschichte von Stanley Dabernath, einem Zombie. Der UNGLAUBLICHE MR. CORPSE, wie die Presse ihn kurzerhand getauft hat. Eine internationale Sensation. Trotz grässlichem Aussehen lebt Stanley nun seinen Traum. Dummerweise ist es schwerer, das Leben eines Promis zu führen als das eines Zombies. Denn die Schlipsträger von Projekt Second Chance geben ihm vor, wie er sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hat. Und seine Gegner bezeichnen ihn als widerwärtige Abscheulichkeit, die endgültig beseitigt werden sollte. Aber sind die Leute vom Projekt Second Chance wirklich auf Stanleys Seite, oder ist der wahre Grund für seine Auferstehung etwas viel. Unglaublicheres?

Stanley Dabernath betreibt einen miserabel laufenden Filmbetrieb und hat als Angestellten seine Kumpel Martin. Selbst seine krudesten Ideen will keiner - und das in der heutigen Zeit. als er völlig deprimiert auf der Suche nach frischer Luft und Inspiration die Straße lang geht, kommt von hinten ein LKW - und der gerät ins Schleudern. Stanley versucht sich in Sicherheit zu bringen, doch der Anhänger des Trucks kippt und landet auf seinem Fuss. Der ist zerquetscht, aber Stanley atmet noch. Bis die Milch aus dem Tank ausläuft und er in dem angeblich so gesunden Getränk jämmerlich ersäuft. Dann erwacht er und findet sich in einem Krankenzimmer wieder, wird mit einem Kameramann und einem TV-Reporter konfrontoiert, was ihn sofort in eine tiefe Ohnmacht sinken lässt. Der zweite Versuch läuft besser. Man hat gerade im TV die Reanimierung eines Toten erleben dürfen. Stanley ist ein Zombie, ein lebender Toter. Seine Geschichte geht durch alle Gazetten, sein neues Leben wird von der Firma Projekt Zweite Chance rundum vermarktet. Sein anfänglicher Widerwillen und sein kindisches Gezicke wird gebrochen und bald läuft der Laden. Interviews, Pressekonferenzen und Attacken von Gegnern des Programms - mit all dem muss sich Stanley auseinandersetzen. Und dann ist da noch Henry, der eine Familie niedermetzelt und deren jungfräuliche Tochter entführt. Und Stanleys Assistentin, die derart scharf ist, dass sie sogar seinen toten Körper in Wallung bringt. Oder die beiden Druggies, die mit Entführung ein Vermögen machen wollen. Langweilig wird Stanley auf gar keinen Fall.

Ich beginne mal damit, dass man den Illustrator des Titel nicht loben darf, sonst wird einem glatt Geschleime unterstellt. Scheint ein bisserle eigen, der gute Mann, oder MS? Bitte "FETTES GRINSEN" vorstellen!! Zum Buch: Es ist ein Jeff Strand, wie ich ihn mag. Voller Humor und Witz. Und mit einer anderen Herangehensweise an das Thema Zombie (taten ja auch schon sehr gut Autoren wie Nassise, Robinson oder Bible). Wer hier jetzt die großen Gemetzel oder das große Fressen erwartet, auf Blut und Eingeweide lauert, den actionreichen Überlebenskampf der letzten Menschen mitverfolgen will, der wird hier ..... nicht bedient. Der arme Stanley ist nichts anderes als eine Laborratte, die nach einem erfolgreichen Experiment herumgereicht wird und deren Erfolg man nun zu Geld machen will. Sehr viel Geld!! Und schon sind wir mittendrin in einer Medienschelte vom Feinsten. Da stellt man sich die Frage, wie weit die Sender noch für Quote gehen? Oder wer sich das überhaupt ansieht, dass es so gut läuft (siehe tagtäglich im Privat-TV)? Da werden halt jetzt keine Supermodels gesucht, die zum Wohle ihrer Moderatoren bis auf die Knochen abmagern oder sogenannte Superstars, die vor einer unterschichtlichen Jury vor Millionen von Zuschauern zum gescripteten Deppen machen, sondern man setzt dem Publikum einen Zombie vor. Und alle springen drauf an, jeder will sein Häppchen vom Ruhm haben. Überhaupt der Ruhm - bringt er wirklich sogar den blödesten und hässlichsten Promis die schärfsten Schnecken, macht Prominenz schön oder warum stürzen sich Frauen mit fragwürdigem Verstand (Sind das Groupies oder gar meine?) nur so auf die Typen? Ist es wirklich belegt, dass Ruhm verblödet (Frag nach bei Charlie Sheen) oder gar zum Vollidioten macht? Warum mutiert keiner dieser Vollhonk-Promis nicht einmal - nur einmal - zu einem intelligenten Menschen, der einen nützlichen Beitrag zum Wohle der Menschheit leistet? Und was ist mit diesen ganzen nutzlosen Fressern, die eigentlich wie unser Protagonist Stanley nur dafür berühmt sind berühmt zu sein und in ihrem sinnfreien Leben noch nichts geleistet haben? Mit den Namen solcher Gestalten könnte man Seiten füllen. Und wer lässt sich alles von den neuen Medien korrumpieren? Kann man sich dem Scheiß einfach nicht entziehen? Selbst der religiöse Fanatismus, in den USA sehr ausgeprägt, kommt nicht ungeschoren davon, wenn sich ein Kult um den neuen Erlöser bildet. Und dann nimmt die Geschichte eine Wendung. Ist sie lange Zeit dialoglastig, wenn man und Dialog das Ablassen von dummen Sprüchen, frechen Widerworten oder fiesen Wortspielen versteht, findet man sich bald in einer eher ernsthaften Wendung der Story wieder. Da fließt dann auch etwas Blut, wird der eine oder andere Mord begangen und Stanley stellt sich die exitenzielle Frage bezüglich seiner eigenen Nutzlosigkeit? Er beantwortet sie dann auch. Bis dahin aber führt Jeff Strand den Leser mit vielen Späßen, Witzen und Kabbeleien über die Seiten, lässt über irre Situationen schmunzeln. Sein Stanley ist ein Verlierer, der plötzlich etwas Macht bekommt. Er ist eine dauernd nörgelnde Nervensäge mit Hang zu blöden Sprüchen, ein Querulant erster Güte - aber ein lustiger. All die anderen Figuren sind eigentlich nur Randerscheinungen, selbst der Doktor oder die scharfe Assistentin, die ebenfalls unter Stanleys Mundwerk zu leiden hat, oder sein Kumpel Martin. Das Buch ist ganz auf den Zombie fixiert, bietet aber nebenbei die Botschaft, wie sinnfrei das Leben dieser Pseudo-Promis und Medienstars doch ist. Wer also keinen Zombie-Horror im üblichen Stil erwartet und eine wahrhaft humorvolle und dennoch kritische Lektüre zu schätzen weiß, die früheren Outputs von Jeff Strand (Die "Andrew Mayhem-Trilogie", "Benjamins Parasit" oder "Fangboys Abenteuer") gemocht hat, sollte den Dampfplauderer Stanley oder "Der unglaubliche Mr. Corpse" einfach lieben und einmal kurz auf das tägliche Schlachtfest verzichten. Der nächste Roman von Jeff Strand wird von mir jedenfalls wieder inhaliert. Volle Punktzahl hierfür. Und dank Voodoo-Press werden ja noch einige kommen.

2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Mit "bisserle eigen" kann ich ganz hervorragend leben! Vielen lieben Dank, du darfst mich aber sehr gerne ununterbrochen loben, wüsste nicht, was dagegen spräche! ;-)

Harry hat gesagt…

Ich werd dich bei Gelegenheit dran erinnern, hehe.

Gruß
Harry