Samstag, 26. März 2016

Buchreview "Die Hand Gottes" P. Kerr

Philip Kerr. Griechenland im Hochsommer: Die Sonne brennt, auf den Rängen im Hexenkessel des Karaiskakis Stadions toben die Fans. Scott Manson und sein Team vom skandalträchtigen Erstligisten London City wollen nur das Champions League Spiel gewinnen und nichts wie zurück ins kühle England. Da bricht Scotts Topstürmer vor laufenden Kameras tot zusammen. Die griechische Polizei stellt die gesamte Mannschaft unter Verdacht, und der ukrainische Clubchef und Ex Mafiaboss Sokolnikow verlangt schnelle Aufklärung. Doch als wenig später ein totes Escortgirl aus dem Hafenbecken von Piräus gefischt wird, weiß Scott, dass der Schuldige nicht unter seinen Spielern, sondern in der Chefetage von London City zu finden ist. Ein Spiel gegen den Gegner aus den eigenen Reihen beginnt.

Scott Manson kennt die Probleme, die man als Vereinstrainer hat, wenn dieser Club von einem reichen Besitzer abhängig ist. Da wird gekauft und verkauft, ohne den Trainer zu fragen. Es werden Entscheidungen getroffen, an denen er nicht mitwirken durfte. Da genießt er den Urlaub in Berlin mit Freundin Louise besonders. Und das Fachsimpeln mit dem deutschen Trainer von Hertha BSC wird ihm auch von Nutzen sein. Der lädt ihn zu einem Freundschaftsturnier in Griechenland ein, wo die Hertha um den dortigen Schliemann-Cup spielt. Doch zuvor müssen einige Freundschaftspiele mit London City in Russland ausgetragen werden. Man lernt schnell die russische Gastfreundschaft kennen. Der jüdisch-arabische Spieler Soltani wird verhaftet und aus dem Land gewiesen, Bekim Develi gibt ein extrem Putin-kritisches Interview und dann zofft er sich in der Kabine mit dem afrikanischen Neuzugang Prometheus, der sich abfällig über Schwule äußert - im Beisein des deutschen Spielers Christoph, der ja bekanntlich homosexuell ist. Danach die Reise nach Griechenland zum Turnier der Hertha. Was dort abgeht, übertrifft die Hetze in Russland noch. Anti-deutsch wäre noch ein wohlmeinendes Wort für die Stimmung. Und in diesem Hexenkessel soll man das erste Quali-Spiel für die Champions-League austragen. Kaum da, geht der Zinnober auch schon los. Ständige Störfeuer in der Vorbereitung, Krawall aller Orten. Der Spieltag. Die Mannschaften laufen aufs Feld, das Match wird angepfiffen. Und als Belim Develi ein Tor schießt, bricht er kurz nach seiner Jubelarie zusammen. Er wird ins Krankenhaus gebracht. Herzstillstand. Das Spiel wird abgebrochen, aber am Folgetag fortgesetzt. Inzwischen ist Develi verstorben und die Mannschaft verstört. Man verliert mit 1 : 4. Und muss in Griechenland bleiben, weil die Untersuchungen zum Tod des Spielers noch laufen. Und als dann ein Excort-Girl tot im Hafen gefunden wird, ist schnell von Mord die Rede. Und Scott Manson ist wieder als Detektiv gefordert. Er läuft sich die Hacken ab und bekommt viel Hilfe von griechischer Seite. Panathinaikos-Anhänger, die Olympiakos leidenschaftlich hassen, unterstützen ihn, wo es nur geht. Und während der sich alles zusammenpuzzeln muss, wundert er sich über die Lebenseinstellung der Griechen, ihren Hass auf die Deutschen und die Korruption im Land. Erfährt aber dazu auch viel über Praktiken im Geschäft Fußball, an die er trotz seiner bisherigen Erlebnisse nicht glauben wollte. 

Mit spürbarer Freude stänkert Philip Kerr gegen das System im Fußball, lässt aber auch an vielen Spielern kein gutes Haar. Ein Freund oder Fan von David Beckham ist er vermutlich nicht und die Anekdote die er einbringt, macht das verständlich. Wollte doch Beckham dereinst nur mit Mütze trainieren, damit die Medien seine neue Frisur erst am Spieltag sehen konnten. Fand Alex Ferguson damals nicht wirklich amüsant. Und die FIFA? Müssen ja schon 1986 mit "Korruptionsblindheit" geschlagen gewesen sein, als sie damals den "Hand-Gott" Maradona zum Spieler des Turniers machten - einen Betrüger. Philip Kerr serviert einen schönen Eintopf mit exquisiten Zutaten an Dämlichkeiten der sogenannten Profis. Nach seinem Protagonisten Manson ist die Intelligenz eines Spielers an den Rechtschreibfehlern n seinen Tattoos zu messen. Aber auch hinter den Kulissen brodelt es. Milliardäre, die sich Mannschaften als Hobby halten oder Spieler als Abschreibungsmasse nutzen. Daneben ein bisschen gegen die Amis gehetzt (Wo kann man diese Ahnungslosen, die jedes Spiel oder jeden Sport mit Show aufpeppen müssen, damit ihnen die Zuschauer, die eh unter andauernder Bildungs- und Konzentrationsschwäche leiden, nicht wegpennen) und kleine Boshaftigkeiten wie folgende. Zitat: "Fußball, Mann! Die letzte Möglichkleit, sich legal einen Afrikaner zu kaufen." Zitat Ende. Zu welch Blödheiten sogenannte Profis fähig sind, wurde ja letzt erst auch in Deutschland unter Beweis gestellt. Diese Protagonisten kommen jedenfalls auch im zweiten Buch um Scott Manson sehr schlecht weg. Und auch das Geschäftsgebaren rund um den Fußball erfährt seine Kritik. Die Fans sind doch mittlerweile nur noch ein Nebenprodukt. Ob es nun um die Selbstdarsteller mit Twitter-Account und Facebook-Seite (Hier ein Lob an Sandro Wagner vom SV Darmstadt 98 für seine Äußerungen zu dem Mist. Nicht im Buch, sondern in einem Interview vor einiger Zeit.) geht, denen die Frisur und das Image wichtiger ist, als ihr Beruf oder um die Vorstandsetagen, in denen mit Geldern jongliert wird, wie in höchsten Wirtschaftskreisen. Wenn diese Klubs ihre Zahlen veröffentlichen, dann frag ich mich, warum die für die massiven Polizeieinsätze rund um ihre Spiele angeblich kein Geld haben. Neben Beckham werden auch andere Namen aufgetischt wie z. B. Ferdinand, der hier als rabiater Vinnie Jones-Verschnitt seine "Widmung" bekommt. Und the Special One darf in einem Buch über Fußball nicht fehlen. Schachfiguren, Popstars, Eitelkeiten, Milliardärs-Poker, Bösartigkeiten - blitzgescheit präsentiert, dem Fußball nen Spiegel vors Gesicht gehalten und dann noch kräftig in den Arsch getreten. Und danach geht es Richtung Politk und Auswüchse der Fanszene. Griechenland, schon seit langen Jahren ein Hort von überbordender Gewalt und Korruption im Fußball-Geschäft. Und jetzt noch Pleite, von den Deutschen nach eigener Auffassung im Roman misshandelt und mit einer neuen Form der Diktatur zum Sparen gezwungen. Griechenland, eine Nation, die es sogar schafft, deutsche Tranigkeit zu überbieten. Wenn in Detuschland eine Gemeinde und selbstverständlich deren teilweise recht unverschämten Mitarbeiter oder Bürgermeister, es innerhalb von sechs Monaten nicht schaffen (wollen), einen Grundstücksverkauf und die Umschreibungen auch auf steuerlicher Ebene hinzubekommen, dann brauchen die Griechen dafür Jahre. Die Deutschen sind für die nur "Malakas" (Wichser) und gearbeitet wird nur gegen "Fakelaki" (Schmiergeld) und dann auch noch gestreikt. Der Autor sieht seine Roman-Griechen wohl etwas anders als diese sich selbst. Aber das gilt ja auch für die Fußballer. Und so ganz nebenbei wird auch die beginnende Flut von Flüchtlingen erwähnt, in der sich die Griechen allein gelassen fühlen im Jahr 2015, dem Entstehen das Buches. Und in diesem Mischmasch aus Fußball, Geschäft und Politik muss auch noch ein Kriminalfall gelöst werden. Und auch das passiert eher nebenbei. Zudem ist die Lösung für mich trotz der vielen Verdächtigen und Spuren einerseits ziemlich an den Haaren oder der Perücke (je nach Haarpracht halt) beigezogen, andererseits aber wieder derart entlarvend, dass man sich vom Sportgeschehen (Denn wer glaubt, dass es in anderen Sportarten, in denen es auch um Geld geht, ehrhafter abläuft?) am liebsten distanzieren möchte. Die Auswüchse in der Rechtevermarktung sind ja ebenfalls derart sprunghaft angestiegen, dass man bald auf die Idee kommt, die Sportler und ihre Manager sowie die ganzen Vereine und Mannschaften in den Spitzenregionen wollten nur nich für eine Elite spielen, die ihre horrenden Forderungen erfüllen kann. Trotz einer etwas unpassenden Auflösung ist das Buch wieder ein ganz starkes Stück von Philip Kerr, in dem er die Machenschaften rund um den Fußball und die Geldgier, die mittlerweile Einzug gehalten hat, massiv aufs Korn nimmt. Wieder sehr gut geeigent für Fans und Gegner dieses Sports.


Eine kleine Anmerkung zu den Spielern will ich aber auch noch loswerden. Dass da wohl solche Selbstdarsteller wie Beckham oder Ronaldo die Unsympathen schlechthin sind, auch wenn sie hervorragend gegen den Ball treten können, ist nicht von der Hand zu weisen. Da überschätzen sich einige wie z. B. Ibrahimovic schon immens. Es ist aber auch so, dass viele die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben. So mancher würde auf der Straße sitzen, könnte er nicht gut mit dem Ball umgehen. Wenn einer eine Tasche mit einem fünfstelligen Eurobetrag in einem Taxoi liegenlässt, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Das gibt aber niemandem das Recht, den Mann ständig und sogar bei seiner Geburtstagsfeier in einem Club mit Berufung auf die Pressefreiheit, die ja gerade von der immer wieder durch Fehlverhalten mit Füßen getreten wird, mehr oder weniger zu stalken. Da würde man sich gerne die (Presse-)Freiheit nehmen und der fotografierenden Person die Kamera zu fressen geben und hoffen, dass sie dann unverdaut am anderen Ende wieder rauskommt. Es mag ja sein, dass die Burschen Millionen kassieren, aber was die sich dafür alles bieten lassen müssen, ist jetzt auch nicht lustig. Man bekommt vorgeschrieben, was man zu sagen hat, wie man sich benehmen soll, muss Termine für Werbemaßnahmen einhalten, soll Vorbild sein. Das gesamte Privatleben wird überwacht. Von Vereinsleuten bis hin zu Vertretern der Nationalmannschaft. Und macht man mal ne Dummheit - oder auch zwei, drei - mischen die sich ein und sprechen Geldstrafen aus. Und überall lauern nicht nur die nutzlosen Pressevertreter, sondern auch die sogenannten Fans, diese Kasper, die sich mit einem Foto von Fußballer X wichtig tun wollen oder ein Bild eines Sportlers, der vielleicht gerade mal nicht ganz so nüchtern ist, an die Fritzen vom TV oder Print verscherbeln. Die Fußballer auf dem Niveau haben keine Ruhe mehr. Und wenn sie nicht immer brav ja sagen, werden sie noch als arrogant verschrieen. Da sollen die sich hinstellen und selten dämliche oder provokante Fragen von Pressevertretern beantworten und wenn es ihnen zu blöd wird und sie das äußern, gibt es Kritik aus dem Verein und die Schreiberlinge texten plötzlich negativ und machen Stimmung. Dazu noch ein Bild gewählt, auf dem der Betroffene unvorteilhaft aussieht und fertig ist die Meinungsmache (Geschieht selbstverständlich auch in der Politrk, diese Art der Steuerung, seien es die AfD, Trump, Flüchtlinge oder wer auch immer). Was keiner bedenkt, ist, dass das teilweise noch junge Bruschen sind. Wenn sich jeder Kritker oder Maulheld mal selbst überlegen würde, was er in diesem Alter für Aktionen durchgezogen hat, wäre er/sie vielleicht etwas toleranter gegenüber einigen der Fehltritte. Und das dann noch aufbauschen oder sich von einem Bundestrainer einen Denkzettel verpassen lassen zu müssen? Halloho, soll er eben selber spielen. Ist jetzt nicht jeder Spieler nur ein armer Kerl in einem miesen System, da gibt es genug arrogante und eingebildete Säcke, an die jegliches Verständnis verschwendet ist, aber das ist längst nicht die Überzahl.

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