Dienstag, 29. März 2016

Buchreview "Germany" D. Winslow

Don Winslow. Privatermittler Frank Decker ist ein Meister seines Fachs: Er findet Menschen, die vermisst werden. Keiner hat seine Härte, seine Besessenheit und seine Unnachgiebigkeit. Hat er einen Fall angenommen, verfolgt er ihn erbarmungslos. Als die atemberaubend schöne Frau seines Freundes verschwindet, ihr Auto verlassen in den Ghettos von Miami, und die Polizei im Dunkeln tappt, setzt er sich auf die Fährte. Die Spur führt ihn aus dem sonnenverwöhnten Florida ins kalte Deutschland. Decker kennt Deutschland: Hier hat er die schönste Zeit seines Leben verbracht. Doch das soll sich bitter rächen. Nun lernt er das Deutschland der Rotlichtbezirke, des Mädchenhandels und der Drogen kennen. 

Frank Decker, der sich von der Frau getrennt und seinen Job geschmissen hat, um künftig vermisste Personen aufzuspüren, wird von seinem ehemaligen Armee-Kumpel Charlie angeheuert, dessen Frau Kim zu finden, die von einem Shopping-Ausflug nicht zurückgekommen ist. Deshalb kommt Decker nach Florida und sieht, welchen Erfolg sein Freund, der ihm einst dort drüben das Leben rettete, nun hat. Dass dieser reiche Eltern hatte, war ihm bekannt, doch was Charlie nun daraus gemacht hatte, nicht so richtig bewusst, obwohl er bei dessen Hochzeit mit Kim die Braut zum Altar führte. Von damals kennt er sie auch als liebenswertes und nettes Mädchen, das trotz ihres umwerfenden Aussehens immer bodenständig und zuvorkommend geblieben ist. Nachdem alle naheliegenden Möglichkeiten ausgeschöpft wurden und man ausser dem verlassenen Wagen der Frau nichts gefunden hat, ruft man die Polizei, die selbstverständlich ihre Routinefragen stellt. Doch dann setzt Charlie eine Summe von 5 Millionen Dollar für die Rückführung seiner Frau oder Hinweise auf den Täter aus. Das erschwert die Sache nur noch. Bei seinen Nachforschungen findet Deck verschiedene Hinweise, die ihn dann zu einem Austausch führen, der letztendlich in einer miesen Gegend von Miami stattfinden soll. Das Vorhaben misslingt, doch der Ex-Bulle hat einen neuen Ansatz gefunden. Und nachdem er weitere Zeugen befragt hatte, unter Beschuss geriet, sich wehren musste, führen ihn die Spuren nach Deutschland. Das kennt er aus seiner Zeit bei der Army, weil er in Landstuhl im Krankenhaus operiert wurde und sich von seinen Verwundungen erholte. Auch dort war Charlie immer an seiner Seite. Jetzt klappert er Tag um Tag Bordell um Bordell ab, ob man Kim vielleicht dorthin verkauft hat. Es dauert lange, bis er glaubwürdige Hinweise erhält, dass sich die Gesuchte im Osten der Republik aufhält, der nicht gerade ein Hort zum Wohlfühlen ist. Und dort wird er ebenso wie auf seinem langen Weg nach Erfurt recht schnell von seinen Feinden unter Beschuss genommen.

Mir scheint, dass die Werke "Vergeltung" sowie die Frank Decker-Reihe ("Missing New York" und "Germany") möglicherweise exklusiv für den deutschen Verlag geschrieben wurden, da sie noch nicht in einer anderen Sprache erschienen sind. Zumindest konnte ich bei einigen Rechercheversuchen nichts weiter dazu finden. Wäre auch gar nicht so abwegig, weil sich Stil und Inhalt doch recht deutlich von seinen anderen Werken unterscheiden. Die Suche ist zwar spannend und zumindest nicht auf den ersten Seiten ist sofort zu erkennen, wo die Reise hinführt (Okay, anhand des Titels war Deutschland schon klar) und wer hier warum was verbockt hat. Winslows Schreibe ist flott wie immer und so liest man die Story in einem Tempo wie ein heißes Messer durch
die Butter geht - verflucht zügig. Es ist kein Zögern zu erkennen, kein langes Taktieren. Es geht früh zur Sache und bald nimmt auch die Action zu, bei der der Protagonist entschieden kälter und härter agiert als im Vorgänger. War mir durchaus recht. Headshots, kaltblütige Hinrichtung Verwundeter, damit sie ihn nicht weiter behelligen, alles drin. Und die Gegner tun ja auch ihren Teil. Auch wenn es mal nicht gegen Terroristen geht - dieser Actionanteil hebt das Buch hervor. Aber eben leider nur der. Der Rest ist eher eine Winslow-Fingerübung für Anfänger. Falsche Fährten, Hinterhalte, Verdächtige, miese Cops und gute Cops, ganz böse Nicht-Amerikaner und ein Familiendrama, bei dem es der Leser sich selbst aussuchen kann, wer hier arm dran ist und wer für all das Geschehen zu verurteilen ist. Päderasten, Zuhälter, Nutten, Geldadel, Korruption, belogene Öffentlichkeit (wenigstens das hat unser Land ja auch - wie die Amis, die Russen, die Franzosen, die Chinesen usw. usw.), Politiker, Bullen mit Sinn fürs Eigenwohl, hübsche Weiber und sonniges Florida. Alles schon mal dagewesen, alles bekannt und auch der Protagonist ist so eine Besonderheit nicht. Ein-Mann-Armee mit dem Wunsch zu töten. Da ist jetzt nichts vorhanden, das dieses Buch neben dem Namen des Autors zu etwas wie einen Pflichterwerb macht. Und Deutschland - Germany: Ja, das sieht mir schwer nach einer Gefälligkeit für den Verlag aus. Da kommt Decker erst auf Seite 267 ins Land (das er nach rund 100 Seiten auch wieder verlässt), hetzt von Stadt zu Stadt, von Puff zu Puff, legt einige Typen um und hat so keine Ahnung vom Land. Die Recherche war wohl dafür keine Grundbedingung, dass das Geschehen sich hierzulande abspielt. Frankfurt - Kaiserstraße: Die hat zwar noch immer ihren Ruf und wird ihn auf absehbare Zeit wohl auch nicht los, ist aber längst nicht mehr Frankfurts Puffmeile. Was den Osten angeht, ist die Situation ebenfalls längst überholt, denn nicht wie im Buch geschildert, der Osten ist hier so arm dran, da hat der Westen mehr als nur gleichgezogen. Und obwohl als Copyright 2016 by Don Winslow im Impressum vermerkt ist, wird das "moderne Omaha-Beach" nur sehr beiläufig in drei oder vier Worten mal ganz kurz gestreift. Und das Lektorat? Uiuiui, da sollte man lieber Herrn Frank Festa mal fragen, ob man sein gut funktionierendes mal ausleihen kann. Bei dem passieren Fehler wie dieser (Brutka bekommt eine Salve in den Rücken und schaut sich dann die EINschusslöcher auf Bauch und Brust an) garantiert nicht. Leute, das war nichts. 
Ansonsten sind die Vorteile klar auf der Hand: kurze, knappe Sätze in ebensolchen Kapiteln, nach etwas beschaulicheren Beginn ein hoher Actionanteil mit etlichen Verlusten, ein oder zwei Wendungen in der Handlung und erfreulicher leichter Lesefluss eines eher dem üblichen Mainstream nahen Romans. Den stellt man zwischen all die anderen Krimis, neben die Pattersons oder so, hebt den höheren Actionanteil heraus und es passt. Das ist kein Don Winslow, der für sich alleine steht und somit schon einen Unterschied ausmacht, der ist für die Allgemeinheit, die sich nicht anstrengen will, denen das Lesen zum Abschalten dient, pure Unterhaltung, die man allabendlich nach vielleicht 50 Seiten wieder ins Regal stellt, um dann am nächsten Abend dort weiterzulesen, wo man aufgehört hatte. Verfilmt wäre das entweder ne nette B-Ware oder vielleicht etwas überarbeitet gar ne Geschichte für TV-Sender wie Vox oder die RTL-Group allgemein so ab 22.00 Uhr im Programmschema und nach den richtlinien des Jugendschutzes. Also auch diesmal wieder bei der exklusiven Deutschlandpremiere und somit wohl auch Weltpremiere eines Don Winslow zuviel erwartet. Denn auch der hier ist nicht sonderlich hervorzuheben. Gut und schnell zu konsumieren wie ein Cussler, Blake oder Patterson, aber leider nicht mehr BESSER als die genannten Autoren. Geschmackssache. Aber nach "Missing New York" ob der Action wenigstens Tendenz nach oben. Müsste ich Punkte vergeben, wäre das mit etwas Wohlwollen und den temporeichen Sequenzen ne 6,5/10.

2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Hm, haste mal jene Textstelle mit dem Original verglichen? Erste Idee - es waren Durchschüsse, dann kann man sich die sehr wohl auch von vorne angucken. Und dann kann es halt sein, dass es im Original auch so steht, und es ist ja nicht die Aufgabe eines deutschen Lektorats, Fehler des Autors zu berichtigen - schon gar nicht die eines Bestseller-Autors. ;-)

Anonym hat gesagt…

Moin,

ich schreib dir ne Mail. Unsere Meinungen weichen hier ziemlich voneinander ab, auch wenn du - sehr selten - nicht völlig falsch bist mit deiner Darstellung. Aber die Antwort auf den Kommentar wäre zu lang für hier.

Gruß
Harry