Mittwoch, 11. Mai 2016

Buchreview "Blood on snow: Das Versteck" J. Nesbo

Jo Nesbo. Ulf ist Geldeintreiber. Sein Boss ist der Fischer. Der Fischer ist einer DER Drogenhändler Oslos. Als Geldeintreiber wird man nicht unbedingt reich. Doch jetzt hat Ulf einen Weg gefunden. Glaubt er. Zwei Probleme stellen sich: Drogenhändler lassen sich ungern reinlegen.Und schicken sie ihre Killer los, sollte man ganz weit laufen – und sich ein gutes Versteck suchen.

Ulf, wie er sich nennt, verschwindet aus Oslo und taucht in einem kleinen Dorf in der Finnmark unter. Er läuft vor dem Fischer davon, einem der Bosse der Unterwelt Oslos. Der Fischer ist bekannt dafür, dass er nichts verzeiht und wer sich einmal mit ihm eingelassen hat, ist nie wieder sein eigener Herr. Und es gibt die Regel, dass man weder Bekannten noch Freunden oder Verwandten etwas leihen oder vorstrecken soll. Doch Ulf hat nur für den Fischer gearbeitet, weil er dringend einen größeren Geldbetrag braucht. Eines schönen Tages setzt er sich mit einem nicht geringen Sümmchen ab und ist jetzt eben auf der Flucht. Und verschwindet in die Finnmark. Dort lässt er sich ineiner vermeintlich leerstehenden Kate nieder und versucht wenigstens für kurze Zeit zur Ruhe zu kommen. Doch das hält nicht lange an. Er schreckt auf als er angestupst wird. Es ist ein junger Bub namens Knut, der ihn mehr oder weniger warnt, dass seine Mutter gleich kommen wird, um die Kate zu putzen. Und so gerät Ulf in den Fokus der Dorfgemeinschaft. Er lernt die Bewohner kennen, verliebt sich in Lea, die Mutter von Knut. Aber er hat immer im Hinterkopf, dass er von den Leuten des Fischers gesucht wird. Und der Fischer findet seinem Mann IMMER.

Die Figur des Fischers ist ja schon aus dem Vorgänger bekannt. Ebenso kennt man die Richtung, die Jo Nesbo mit diesen kleinen Quickies, die er anscheinend zwischen Frühstück und Mittagessen verfasst, einschlägt. Ne ganze Ecke weit weg von Harry Hole oder "Headhunter". Gewöhnungsbedürftig. Wie zuvor Olav gerät wieder ein Mitarbeiter in den Fokus des Fischers. Der Fischer ist der Boss, gnadenlos und brutal, macht sich aber nicht mehr selbst die Hände schmutzig. Dafür hat er seine Leute. Auch Ulf wurde so einer. Ulfs Geschichte wird hier in Rückblenden erzählt und man lernt einen jungen Mann kennen, der keine Ahnung davon hat, wie er seinen Lebensunterhalt verdient, der von seiner Geliebten über den Tisch gezogen wird und für eine kleine Tochter zahlt, die er kaum sehen darf. Das Dilemma beginnt, als diese an Leukämie erkrankt. Jetzt ist sein Abstieg gesiegelt. Er beginnt für den Fischer zu arbeiten. All seine Mühe umsonst. Er ist ein Verlorener in einer unwirtlichen Gegend, mit fremdenscheuen Bewohnern, die eine ihm unbekannte Religion ausüben. Und mit dem Auftauchen des Jungen Knut beginnt das Kennenlernen dieser vorübergehenden Heimat. Hier ein kleines Geheimnis, dort der Akoholiker, viel Selbstgebrannter im Umlauf, schweigsame Menschen in der Abgelegenheit der Finnmark, für die jeder "aus dem Süden" ist. Dort schert sich keiner um die Regierung, auch nicht, was wer wo getan hat, solange es außerhalb des Dorfes war. Die Liebe zu Lea hilft Ulf, sich einzuleben. Leas Mann war Fischer und blieb auf See, sein Zwillingsbruder Ove meldet Rechte an, gegen die sich Lea wehrt. Auch in diesem kleinen Aquarium des Lebens gibt es Scherereien und Unheil, Gangster und Gauner, Schläger und Erpresser. Aber alles bleibt unter dem Mantel des Schweigens verborgen, wenn man nicht dazugehört. Nesbo transportiert hier viel von der Landschaft, der Natur, lässt ruhige Momente Einzug halten. Bremst damit das beworbene Tempo aus, konzentriert sich auf Einzelheiten und Rückblicke. Zum Ende hin zieht er dann das Tempo richtig an, lässt einige Actionszenen und gelinde - wirklich sehr gelinde - Überraschungen auf den Leser los. Spannungstechnisch ein bisschen mau, und die große Action gibt es auch nicht. Drama mit Lokalkolorit, ein kleiner Teil Thrill und ein größerer Teil über das eben in einer unwirtlichen Gegend, fernab von den bekannten Annehmlichkeiten des sogenannten modernen Lebens. Seine Freundschaft zu Knut, die sich nach und nach entwickelt, der Running Gag um die Witze half dabei fast zu vergessen, dass Ulf ein Gejagter ist. Einiges des Handlungsstrangs um Lea war zwar doch pures Klischee, aber erträglich. Fingerspitzengefühl für die Hauptfiguren und Einfühlsamkeit für die Menschen und die Kultur in einer harschen Umwelt. Dazu ein Part Krimi und fertig ist das rund 249 Seiten lange Neuwerk von Jo Nesbo. "Blood on snow: Das Versteck" ist eher eine "Kann"-Anschaffung denn ein "Muss". Ich ziehe seine Sachen wie Harry Hole oder "Headhunter" weiterhin vor.

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