Montag, 17. Oktober 2016

Buchreview "V-Fall Erde: Blinde Wut" T. Zola

Tom Zola. Krisen und Konflikte prägen das Weltgeschehen. Die EU droht zu zerfallen, der Nahe Osten zerfleischt sich, die NATO und das von Russland angeführte "Krimbündnis" belauern einander. Eine weltweit koordinierte Serie von Anschlägen erschüttert in dieser Situation die Staatengemeinschaft. Deutschland, das türkisch-iranische Grenzgebiet, Niger und die Mongolei werden zeitgleich angegriffen. Reflexartig wechseln die Entscheider dieser Erde in den Angriffsmodus, kündigen Maßnahmen an, fordern Vergeltung. Sündenböcke sind schnell gefunden. Die wichtigsten Militärbündnisse bringen sich in Stellung. Die Menschheit wankt dem Abgrund entgegen, blinde Wut bestimmt ihr Handeln. Dennis Bernau, Stabsunteroffizier der Bundeswehr, wird mit einem gigantischen Truppenaufgebot der NATO in den Nahen Osten verlegt. Ihm dämmert bald, dass sein Land, dass der gesamte Westen vorschnell gehandelt hat. Es scheint, als habe eine unbekannte Macht ihre Finger im Spiel – eine Macht, die nicht von dieser Welt ist.

Dennis Bernau ist mit seiner Truppe unter Leitung von Oberfeldwebel Brandtner in einer Übung, die beweist, wie wenig Ahnung vom täglichen Geschäft in der Bundeswehr haben. Sie stolpern mehr durch die Landschaft, als dass sie geordnet und ruhig mit ihrem Marschgepäck den Vormarsch absolvieren. Bald ist aber Schluss mit lustig. Die Gruppe wird angegriffen. Zivilisten attackieren die Soldaten ohne Warnung und aus heiterem Himmel. Sie können sich gerade noch zurückziehen, bevor es zu heftigeren Kampfhandlungen kommt. Bernau glaubt etwas seltsam Weißes erkannt zu haben, hält aber vorsichtshalber die Schnauze, da er sich nicht sicher ist. Man versorgt die Wunden und kurze Zeit später ist es mit der Ruhe vorbei. Und der Oberfeldwebel kann über sein Smartphone noch Nachrichten empfangen, die alle vor Entsetzen fast erstarren lassen. Anschläge in der Mongolei, in Afrika und auch hier vor Ort. Eine ganze Stadt wird rasend. Während die Männer und Frauen um ihr Leben kämpfen, versuchen die Politiker allerorten sich einen Überblick zu verschaffen und eine Gegenstrategie zu entwerfen. Nicht so einfach, wenn parteiübergreifende Küngelei der Kanzlerin immer wieder Steine in den Weg legt und der politische Intrigenstadel seine Chance sieht, die Macht an sich zu reißen. Derweil kommt es an der türkisch-iranischen Grenze ebenfalls zu ersten kleineren Scharmützeln. Doch der Konflikt schaukelt sich hoch, bald wird über einen NATO-Einsatz in der Türkei nachgedacht, um diese gegen den Iran zu verteidigen. Und auch die Situation im Inland spitzt sich zu. Augustdorf wird von den deutschen Truppen gestürmt, Tote und Verletzte sind zu beklagen. Ein Kommissar in leitender Funktion lässt einen Kollegen verhaften, der krankgeschrieben ist und möglichweise mit den Angreifern unter einer Decke steckt und unterzieht ihn einem hochnotpeinlichen Verhör - kurz Folter genannt. Alle drehen durch, keiner hält sich mehr an Vorgaben. Und die Kanzlerin setzt sich gegen ihre Konkurrenten durch und die Bundeswehr zieht bald mit der NATO in den Krieg. Brandtner, Bernau und ihre Untergebenen finden sich bald in einem Stahlgewitter wieder, das sie schier verzweifeln lässt.

Tom Zola ist ja bekannt als der Autor der "Alternate History"-Reihe "Stahlzeit". Von den bisher erschienenen, habe ich acht Bücher, gelesen aber noch keines. Daher ist "V-Fall Erde" mein erstes Buch, das ich mir von ihm zu Gemüte führe. Gerade in die erste Hälfte, wenn er die Figuren aufbaut, Positionen beziehen lässt und sie charakterisiert, lässt er auch mehr als nur Andeutungen zu sozialen und politischen Brennpunkten Einzug halten. Okay, den Namen Gabriel Sigma zu wählen, halte ich für etwas platt, aber immer noch besser als "politischer Mittelfinger-Jongleur", den man ob gewisser Gestik eigentlich aufgrund von Beleidigung gegenüber Volk und Wählern sowie Menschen, die eine andere Meinung vertreten, mal vor den Kadi zerren sollte. Von Demokratieverständnis zeugen solche Vorkommnisse, die dieser Gabriel Sigma so von sich gibt, eher weniger. Doch das gilt für etliche Handelnden in diesem Buch. Und während die Welt und die Repubik, für die ein Amtseid geschworen wurde, der eh keinem mehr etwas bedeutet (Meineid), kämpfen die gewählten Vertreter nur noch um ihre Machtposition oder den persönlichen Vorteil durch Reibach. Hier und da scheint auch die Meinung des Autors durchzuschimmern, aber wirklich festlegen tut er sich meines Erachtens kaum. Klar, kommt Rassismus ins Spiel, teilweise sogar recht deutlich formuliert, aber auch das Frauenbild und die Selbstjustiz finden ihren Platz. Und als es dann richtig Drive in die Sache kommt, hält sich Tom Zola nicht zurück. Die Kampfhandlungen sind teilweise schon recht spektatkulär und rasant, auf Action muss hier niemand verzichten. Sicher sind ihm da Autoren wie Matthew Reilly, Ben Coes, Stephen Hunter und auch Martin Kay voraus, aber hinter den Massenwaren-Publizisten braucht er sich nicht verstecken. Und was wirklich hinter dem ganzen Krawall steckt, lässt er nur häppchenweise erkennen. Im Epilog bekommt man einen größeren Hinweis serviert. Zuvor hatte ich den Eindruck, dass da durchaus auch eine aggressivere Variante von "Die Körperfresser kommen" am Werk sein könnte. Ja, "V-Fall Erde: Blinde Wut" wird nicht nur ein Buch, das eine überforderte, weil schlecht ausgerüstete und mit zuwenig Personal ausgestattete Bundeswehr an ihre Grenzen bringt, wenn sie in einen Konflikt mit Waffengewalt eingreifen sollen und schon ängstlich Richtung Russland schielen, das nach der Krim und der Ukraine liebend gerne weitere Länder, die früher unter ihren Fittichen waren, wieder einkassieren würden. Es geht auch nicht nur um Kungeleien unter den Mächtigen, die sich für alles engagieren, nur nicht fürs Volk oder dem Einsatz für Flüchtlinge. Es entwickelt sich nach und nach zu einem Werk, das wohl sehr bald weitere und viel phantastischere Elemente beinhalten wird als bisher. Ich werde mir den Folgeband sicher gönnen und habe auch ein Auge auf die andere Reihe "Weltenkrieg: Die Rückkehr" geworfen. Bleibt nur die Frage: Rückkehr - gab es davor schon andere Bände, die ich verpeilt hab oder werden die Handlungen von "V-Fall" und "Weltenkrieg" womöglich zusammen geführt? Wer also jetzt nicht gerade hochgeistige von Weltliteraturformat mit eingebautem Zwang zum Überdenken der Situation des Lebens und der innigen Gefühle für alle Mitmenschen erwartet, der darf sich auf ein knalliges Abenteuer mit einigen flapsigen Sprüchen (Jo, auch Königsblau gegen Bienen-gelb-schwarz) und gegen Ende einem krachenden Kriegsszenario freuen.                         

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