Freitag, 12. Oktober 2018

Buchreview "NSA - Nationales Sicherheits-Amt" A. Eschbach

Andreas Eschbach. Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im NSA, dem Nationalen-Sicherheitsamt, und entwickelt dort Komputer-Programme, mit deren Hilfe alle Bürger überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, widersetzt Helene sich. Dabei muss sie nicht nur gegen das Regime kämpfen, sondern auch gegen ihren Vorgesetzten Lettke, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet.

Erzählt wird die Lebensgeschichte zweier voneinander lange unabhängiger Personen - Helene Bodenkamp und Eugen Lettke -, die sich über ihre Arbeitsplätze dann doch begegnen. Beide haben ihre Vergangenheit, mal eine bessere, mal eine nicht so sonderlich erfreuliche. Diese wird in einer längeren Rückblende vom Autor gestaltet und zeigt Motive auf, wer wann warum wie handelt, sobald sie eine Aufgabe beim NSA erhalten. In dieser alternativen Welt endet der 1. Weltkrieg 1917, aber die Machtergreifung von Hitler, die irgendwie keiner erst so recht mitbekommt, dann aber immer mehr Befürworter findet. Mit der Entwicklung der jungen Leute zu den Personen, die sie dann als Erwachsene sind, geht auch nach der Machtergreifung, die Vertreibung und Ermordung der Juden unter den bekannten Verunglimpfungen und Vorurteilen voran, wird der 2. Weltkrieg angezettelt. Und zu all dem trägt die Technik bei, die damals schon vorhanden ist. Sei es ein Deutschland-Forum, das Weltnetz, Komputer, Elektrobrief oder "Das Klo runterspülen" ist der Shitstorm. Und da sind wir dann bei den eigentlichen Parallelen zur aktuellen Zeit oder der Zukunft, die vielleicht demnächst auf uns herniederprasselt wie die Musik der Stalinorgeln. Da geht es nicht nur um das Rassismusproblem, das durchaus auch in Nebensätzen mahnend angesprochen wird. "NSA" ist eine fiktive Geschichte, die mittlerweile schon viel zu wahr geworden ist. Und man braucht auch nicht über den Großen Teich zu schielen, hierzulande wird gegenwärtig mit vielen der im Buch angesprochenen Methoden gearbeitet. Überwachung zur Sicherheit, wobei dann die Freiheit flöten geht. Neu? Natürlich nicht. Die Diktatur der politischen Korrektheit? Findet auch hier ihren Platz. Das Ende der Meinungsfreiheit und der Beginn des Phänomens, dass man immer der als populär angesagten und willkürlich verbreiteten (auch durch Politiker jeglicher Couleur) Offenbarung hinterlaufen muss, ohne sie jedoch zu hinterfragen. Und dann natürlich die Möglichkeit über all die schönen neuen Medien ganze Völker zu manipulieren. Nicht zuletzt aber auch die Versuchung von Einzelpersonen, die neue Technik für ureigenste Zwecke zu missbrauchen, die nichts mit sozial oder ähnichen Freundlichkeiten zu tun haben. Fälschungen, Anfeindungen, Diffamierung, Diskriminierung, Schmutzverbreitung - all das ist möglich und all das ermöglicht auch Regierungen und Firmen ihre ureigenen Schutzmechanismen im Sinne der Gerechtigkeit aufzubauen und dann doch nur zum Abgreifen von Daten zu nutzen, da könnte ich schon heute einige nennen. Verlangen für eine Registrierung, mit der der Kunde seine eigenen Konten beim Anbieter einsehen kann, eine Handynummer, ansonsten bleibt man außen vor (Beschwerden werden natürlich auch nicht beantwortet). Oder zum Verfolgen von unliebsamen Individuen wie im Buch bildhaft aufgezeigt. Leider auch die Version des Internetstalkings mit verheerenden Folgen für die Opfer. Und ganz nebenbei kommt das Thema Abschaffung des Bargelds auf den Tisch. Bekannt? Klar. Das Ziel wird in der Gegenwart weiter verfolgt. Was daraus entstehen kann, beschreibt Andreas Eschbach und verursacht nur weiteres Unbehagen im Hinblick auf die Zukunft. Stell dir vor, man überwacht auf diese Art all deine Einkäufe, errechnet anhand derer deinen Kalorienverbrauch und wenn du dann über einem Limit liegst, wirst du aussortiert, weil du nicht in das derzeit befohlene Erscheinungsbild passt, bloßgestellt als nutzloser Fresser, der die Gemeinschaft sozusagen um Kalorien bestiehlt. Und die Krankenkassen um das ganze Geld, das man selbst eingezahlt hat. Oder die Fahr- und Flugbetriebe, weil du als Dicker mit deinem erhöhten Gewicht schuld daran trägst, dass mehr kostbare Energie für Fahrt oder Flug verbraucht wird. Oder von halmdünnen Nixfressern (Außer Nahrungsergänzungsmitteln, die sie sich vom Arzt verschreiben lassen) dafür verdammt wirst, dass du soviel Platz verbrauchst. Oder eben den falschen Fernseher kaufst, die falsche Zeitung liest (ob nun rechts, links oder mittig angehaucht), die völlig untauglichen Bücher mit barbarischen Gräueltaten von verpönten Verlagen erwirbst und und und. Wie nah wir dem Scheiß schon sind, muss jeder nach dem Lesen der Lektüre für sich selbst beurteilen. Ich jedenfalls bin froh, dass ich ein gewisses Alter schon erreicht hab, das zwar nicht weise gemacht hat, aber wenigstens sichert, dass ich nicht mehr alles von der Gleichmacherei mitmachen muss. Gutes Buch, durchaus massenkompatibel, aber wer Bücher mit Überlänge nicht schätzt, wird seine Mühe mit den 800 Seiten haben. Und sich daher vielleicht nicht auf Story und Problematik wirklich einlassen. Und da gibt es sicherlich noch entschieden mehr zu entdecken, als das, was von mir hier angerissen wurde. 8/10.

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